Die Angaben der Autohersteller über den Spritverbrauch weichen nach Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) noch immer stark von den tatsächlichen Werten ab. Bei den zehn meistverkauften Pkw habe der Realverbrauch im vergangenen Jahr im Schnitt um 42 Prozent über den Herstellerangaben gelegen, sagte Umwelthilfe-Geschäftsführer Jürgen Resch am Mittwoch in Berlin. Für Autohalter ergäben sich daraus Mehrkosten von 4.000 bis 6.000 Euro während der durchschnittlichen Nutzungsdauer eines Fahrzeugs.
Da die Kfz-Steuer an den Ausstoß von CO2 und damit auch an den Verbrauch gekoppelt ist, sei 2016 mit Steuermindereinnahmen von 2,2 Milliarden Euro zu rechnen, sagte Resch. Er sieht die Behörden in der Pflicht: Nach amerikanischem Vorbild solle künftig das Umweltbundesamt die Herstellerangaben zum Kraftstoffverbrauch nachprüfen können. "Das Kraftfahrtbundesamt ist hierfür völlig ungeeignet." Die Klagemöglichkeiten für betroffene Autohalter müssten zudem verbessert werden.
Zu einem ähnlichen Ergebnis wie die DUH kommt eine Untersuchung, die das International Council on Clean Transportation (ICCT) bereits zur Jahresbeginn veröffentlicht hatte. Demnach benötigen Autos im Alltag durchschnittlich 40 Prozent mehr Kraftstoff als im Katalog versprochen. Zum Vergleich: Im Jahr 2001 betrug die Differenz zwischen Theorie und Praxis lediglich acht Prozent. Seit der Einführung der CO2-Grenzwerte in Europa im Jahr 2009 ist der Kraftstoffverbrauch nach Herstellerangaben um 15 Prozent gesunken. Im realen Straßenverkehr waren es im Schnitt gerade einmal zwei Prozent, so das ICCT unter Verweis auf Verbrauchsvergleichs-Webseiten im Internet.
Importmodelle fallen positiv auf
Einige Modelle verbrauchen der Studie zufolge in der Realität heute sogar mehr als noch 2009. Das ICCT nennt als Beispiele den BMW 5er, die Mercedes A-Klasse, Opel Astra, Opel Corsa und Toyota Yaris. Drei weitere – Audi A4, BMW 3er und VW Passat – konnten ihren Normverbrauch lediglich minimal drücken. Positiv hingegen fielen vor allem Modelle von Importmarken auf. So sank der Realverbrauch des Peugeot 206/207/208 um rund 19 Prozent. Aber auch Skoda Fabia, Skoda Octavia, Ford Focus und die Mercedes C-Klasse konnten die Werte um rund zehn Prozent reduzieren.
Verschiedene Faktoren spielen beim Anwachsen der Kluft eine Rolle. Zum einen sind in den vergangenen Jahren neue Spritspartechnologien hinzugekommen, deren Effekt im normierten NEFZ-Test stärker ausfällt als auf der Straße. Zudem gibt es Veränderungen in der Fahrzeugnutzung, etwa den stärkeren Einsatz der Klimaanlage. Nicht zuletzt nutzen die Hersteller vor dem Hintergrund der neuen CO2-Grenzwerte Testtoleranzen und Lücken in den Vorschriften mittlerweile konsequenter aus als früher.
Die Autoindustrie verweist bei Abweichungen zwischen Norm- und Alltagsverbrauch darauf, dass die Laborwerte vor allem eine Vergleichbarkeit unterschiedlicher Autos gewährleisten sollen, nicht aber den individuellen Alltagsverbrauch darstellen können. Die wachsende Kluft zwischen Theorie und Praxis lässt sich so aber kaum vollständig erklären.
Neuer Messzyklus ab 2017
Besserung bei der Realitätsnähe von Normwerten soll ein neuer weltweiter Verbrauchs-Messzyklus bringen. Der sogenannte WLTP ist von den Vereinten Nationen bereits verabschiedet und soll ab 2017 eingeführt werden. Der neue Test wird sich stärker am Alltag auf den Straßen orientieren und unter anderem bei höheren Geschwindigkeiten gefahren. Ermessensspielräume und rechtliche Lücken wird aber wohl auch das neue Verfahren haben. (dpa/sp-x)