_ Auf einer Flottenmanagement-Konferenz berichtete mir ein Flottenmanager von einer nicht untypischen Situation: Der Finanzvorstand seines Unternehmens war zu einem Meeting in ein europäisches Nachbarland gereist. Am Flughafen wurde er von einem Außendienstmitarbeiter seines Unternehmens abgeholt, der ihn in die Niederlassung des Unternehmens chauffierte. Zurück in Deutschland, führte der Weg des Vorstands sofort zum Flottenmanager. "Wie kann es sein, dass ein Außendienstmitarbeiter in diesem Land ein größeres Auto fährt als ich? Gelten dort nicht die gleichen Regeln?"
Dieses Szenario ist der häufige Ausgangspunkt für ein Projekt, das zum Ziel hat, das Flottenmanagement über Landesgrenzen hinweg zu harmonisieren. Aber ist ein einheitliches internationales Flottenmanagement in Europa überhaupt möglich? Welchen Herausforderungen stehen Unternehmen gegenüber, die ein solches Projekt umsetzen möchten? Welche Konzepte und Dienstleistungen gibt es für ein internationales Flottenmanagement? Mit dieser Serie möchten wir Unternehmen hierzu Informationen an die Hand geben, um sie bei dieser Aufgabe zu unterstützen.
In Europa befanden sich 2015 zirka 250 Millionen Pkw, 40 Millionen leichte und schwere Nutzfahrzeuge sowie Busse auf den Straßen (Quelle: ACEA, European Motor Vehicle Parc 2014). Geht man von einer durchschnittlichen gewerblichen Nutzung von zehn Prozent bei den Pkw aus, sind insgesamt zirka 65 bis 70 Millionen dieser Fahrzeuge europaweit in gewerblicher Nutzung. Dies entspricht etwa 25 Prozent des europäischen Fahrzeuggesamtbestands.
Die Gesamtzahl, aber auch die Quote der Firmenwagen macht deutlich, dass das gewerblich genutzte Fahrzeug für die Fahrzeughersteller und Importeure eine sehr große Rolle spielt. In Deutschland hat mittlerweile bei den Neuzulassungen das Firmenfahrzeug den Privatkäufer klar überholt.
Heterogener statt einheitlicher Markt
Wechselt man vom "Helikopter-Blick" auf Gesamt-Europa auf eine Detailsicht in die einzelnen Märkte, wird ein sehr heterogener Flickenteppich an Rahmenbedingungen, Kulturen und Strukturen rund um die betriebliche Mobilität sichtbar. Von dem "einheitlichen Markt" ist man hier noch weit entfernt. Dies hat ganz unterschiedliche Gründe.
So variieren zum Beispiel die Fahrzeugpreise innerhalb Europas immer noch, allerdings sind die Unterschiede in den letzten Jahren deutlich minimiert worden. Daher hat die EU-Kommission den jährlichen Bericht zu den Preisunterschieden in den Mitgliedsländern, den sie bis 2010 in schöner Regelmäßigkeit veröffentlicht hat, mittlerweile eingestellt. Zuvor war gerade der deutsche Markt meist einer der teuersten Märkte (Listenpreis vor Steuer).
Ebenfalls signifikante Unterschiede weist die steuerliche Behandlung der Firmenwagen in den europäischen Ländern aus. Dies betrifft zum einen die steuerliche Absetzbarkeit der Flottenkosten durch das Unternehmen und zum anderen die Besteuerung des Mitarbeiters, der das Geschäftsfahrzeug (auch privat) nutzt.
Neben historisch-fiskalischen Gründen (in einigen Ländern Skandinaviens wird das Auto per se als Luxusgut angesehen und entsprechend hoch versteuert) ist der Kampf gegen den CO2-Ausstoß ein Grund für die unterschiedlichen Regelungen. So hat die Ende der 1990er-Jahre durch die junge Regierung von Tony Blair eingeführte scharfe Besteuerung - basierend auf dem CO2-Ausstoß, dem Treibstoffverbrauch und der privaten Laufleistung - das "klassische Firmenwagenkonzept" in Großbritannien massiv verändert.
Viele Nationalismen bei Steuerregeln
Andere Länder wie Österreich nutzen den Stellhebel der Versteuerung des geldwerten Vorteils für die Privatnutzung eines Firmenwagens, um die Elektromobilität zu fördern. Fahrzeuge mit Stromantrieb sind von dieser Besteuerung befreit. Gerade im fiskalischen Bereich werden also noch viele Nationalismen ausgelebt, die zu Unterschieden in den Märkten führen.
Für das Unternehmen mit einer internationalen Flotte bedeutet dies, dass es sich in jedem Markt mit der Frage der Vorteilhaftigkeit eines Firmenwagens auseinandersetzen muss. Ist das Fahrzeug nicht zwingend für den Geschäftsbetrieb notwendig, macht die Suche nach alternativen Mobilitätskonzepten Sinn.
Die "Flottenindustrie"
Die eingangs beschriebene Größe des relevanten Marktes für Firmenfahrzeuge ist ein Grund, warum sich eine Vielzahl von Dienstleistern rund um das Thema Geschäftsauto entwickelt hat - die Flottenindustrie. Hier gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Akteuren:
- Hersteller/Importeure
- Flottenmanagement-Dienstleister
- Mineralölgesellschaften
- Reifenketten
- Glaslieferanten
- Smart Repair und freie Werkstattketten
- Schadenmanagementdienstleister
Diesen Fächer von Dienstleistern gibt es sowohl lokal als auch international. Auch wenn die Flottenindustrie in der öffentlichen Wahrnehmung eine Nische darstellt, ist sie für Unternehmen mit Bedarf in der betrieblichen Mobilität heute von großer Bedeutung.
Was ist Flottenmanagement?
Gleich zu Beginn dieser Serie ist es mir an dieser Stelle wichtig, eine Begriffsdefinition vorzunehmen. Die genannten Gruppen von Dienstleistern schmücken sich alle mit dem Begriff "Flottenmanagement". Dieser Begriff wird in der Branche in unterschiedlichsten Konstellationen "bemüht" - da ist oft schon das Bereitstellen einer Tankkarte eine Fuhrparkmanagement-Dienstleistung. Für diese Serie verwenden wir den Begriff "Flottenmanagement-Dienstleister" aber ausschließlich für die Anbieter, die Unternehmen Fuhrparkmanagement-Prozesse als Outsourcing-Partner abnehmen und dabei weder Leasinggesellschaft noch Fahrzeughersteller sind.
Auf der Seite der Fahrzeughersteller und Importeure hat sich erst zögerlich eine Struktur entwickelt, die den internationalen Flottenkunden unterstützt. Grund hierfür ist zum einen sicher die Tatsache, dass der länderübergreifende Blick auf eine Flotte meist für den Hersteller eine sinkende Marge bedeutet.
Unternehmen, die das Gesamtpotenzial in ihrer Flotte erkennen, nutzen schnell die Chance, um entsprechende Vorteile zu verhandeln. Vor zehn Jahren waren es daher selbst in den großen Automobilkonzernen meist "Einzelkämpfer", die für internationale Kunden zuständig waren. Die Kommunikation war gleichwohl schwierig. Der CFO eines französischen Technologie-Konzerns erklärte mir damals verzweifelt, dass der internationale Kontakt bei einem deutschen Autokonzern noch nicht einmal englisch kommunizieren könne. Mittlerweile sind hier alle Player mit einem internationalen Key-Account- Management ausgestattet.
Leasing- und FPM-Landschaft
Anders als bei den Herstellern und Importeuren, die national und länderübergreifend aktiv sind, stellt sich die Struktur der Leasinggesellschaften und Fuhrparkmanagement-Dienstleister sehr diversifiziert dar. Hier gibt es zum einen große Anbieter, die europaweit und meist sogar global ihre Leistungen anbieten.
Daneben gibt es eine Vielzahl nationaler, zum Teil regionaler Anbieter von Leasing- und Flottenmanagement-Dienstleistungen. Von daher gibt es bei einer rein nationalen Sichtweise eine sehr große Anzahl Dienstleister und somit starken Wettbewerb. Ein klarer Käufermarkt.
Ist das Unternehmen dagegen auf der Suche nach länderübergreifenden Dienstleistungen von einem Anbieter, dann wird die Zahl der Kandidaten sehr schnell klein. Neben den Leasinggesellschaften der Hersteller (den Captives) bleiben dann nur eine Handvoll Hersteller unabhängiger Dienstleister (Non-Captives). Im Bereich der international tätigen Flottenmanagement-Dienstleister liegt die Zahl sogar noch niedriger.
Auch die Leasing- und Flottenmanagement-Dienstleistungen unterscheiden sich von Land zu Land. Während die Kernthemen wie Fahrzeugfinanzierung, Tankkarteneinsatz, Wartungs- und Reparaturmanagement weitestgehend vergleichbar sind, weisen andere Bereiche von Land zu Land erhebliche Unterschiede auf. An vorderster Stelle sind hier sicher die Regeln zur Besteuerung des Firmenwagens auf der Seite des Unternehmens und des Mitarbeiters zu nennen. Aber auch Anforderungen an die Fahrzeug- und Fahrsicherheit, Kontrolle des Führerscheins und ähnliche Themen werden stark durch die nationale Gesetzgebung geprägt und produzieren entsprechende Dienstleistungen, die die Unternehmen bei der Bewältigung dieser Aufgaben unterstützen.
Kehren wir zurück zu dem deutschen Flottenmanager, der von seinem Vorstand den Auftrag erhalten hat, ein internationales Flottenmanagement-Konzept zu entwickeln und umzusetzen. Welche Situationen erwarten ihn in "seinen Ländern"? Welche "Stolpersteine" gilt es zu vermeiden? Was bietet die Dienstleister-Landschaft?
Diesen Fragen wollen wir im weiteren Verlauf dieser Serie Markt für Markt nachgehen. In den einzelnen Folgen werden die Kernthemen des internationalen Flottenmanagements beleuchtet. Kurze Steckbriefe liefern auf einen Blick die wichtigsten Zahlen und Fakten zum jeweiligen Land. Zudem wird Roland Vogt, Geschäftsführer von Fleetcompetence Deutschland, in jeder Folge den Brückenschlag zum deutschen Markt schaffen, sodass Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und den europäischen Nachbarn deutlich werden.
Serie Flottenmanagement in Europa
Viele Fragen - kompetente Antworten
_ Welche Unterschiede bestehen im Flottenmanagement innerhalb Europas? Welchen Herausforderungen steht ein Unternehmen mit einer internationalen Flotte gegenüber?Welche Konzepte und Dienstleistungen gibt es, die eine solche Aufgabe unterstützen? Diese und weitere Fragen beantwortet die Unternehmensberatung Fleetcompetence in einer umfangreichen Serie exklusiv für Autoflotte.
Thilo von UlmensteinManaging Partner bei Fleetcompetence Europe. Das Schweizer Beratungsunternehmen unterstützt mit seiner Expertise Unternehmen im Bereich Flotten- und Mobilitätsmanagement. Es ist mit einer Tochtergesellschaft in Deutschland vertreten und verfügt darüber hinaus über ein Netzwerk spezialisierter Fachexperten in Europa. Das Unternehmen bietet nationales und internationales Consulting für Flottenbetreiber und Dienstleister an und führt für sie Schulungen und Trainings sowie Marktstudien durch. Mit dem "International Fleet Meeting Geneva" hat Fleetcompetence Europe zudem innerhalb weniger Jahre eine anerkannte Networking-Plattform am Autosalon Genf für die internationale Flotten-Branche geschaffen.Weitere Informationen: www.fleetcompetence.com
- Ausgabe 06/2016 Seite 50 (130.4 KB, PDF)