_ Immer öfter wird in Fachkreisen über Begrifflichkeiten wie "alternative Reparaturmethoden" oder "Smart Repair" diskutiert.
Zumindest dann, wenn im Zusammenhang mit Unfallreparaturen über die Regulierungspraxis einzelner Versicherer gesprochen wird, rückt bei den Unfallbeteiligten häufig der Verdacht billigerer Reparaturmethoden und damit verbundener Nachteile für den Geschädigten in den Vordergrund. Dass dies nicht so sein muss, zeigten auch die Diskussionen hierzu auf dem diesjährigen Verkehrsgerichtstag in Goslar.
Richtig ist, dass alternative Reparaturmethoden durchaus kostensparende Aspekte beinhalten können und auch sollen. Richtig ist auch, dass der Kfz-Sachverständige - unabhängig vom Auftraggeber - bei jeder Begutachtung eines Haftpflichtschadens alle zur fachgerechten Reparatur anerkannten Reparaturverfahren berücksichtigen muss.
Anerkannte Verfahren
Entscheidend ist dabei aber, dass das vom Sachverständigen im Gutachten angegebene Reparaturverfahren anerkannt und im Vergleich zu anderen herkömmlichen Reparaturmethoden zu einer gleichwertigen und auch vollständigen, sach- und fachgerechten Wiederherstellung des Fahrzeugs geeignet sein muss. Von mehreren gleichwertigen Methoden muss der Sachverständige sogar die wirtschaftlich sinnvollste in seinem Gutachten dokumentieren.
Gewährleistung und Garantie
Dabei liegt letztlich die Bestimmung der Reparaturmethode und des Reparaturweges im pflichtgemäßen Beurteilungsspielraum des Sachverständigen. Der Rückgriff auf eine günstigere Methode darf nicht zur Beeinträchtigung der begründeten Ansprüche des Geschädigten führen. Eine gleichwertige Reparatur setzt voraus, dass Gewährleistungs- und Garantieansprüche nicht beeinträchtigt werden.
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft stellt die aktuelle Diskussion jedoch etwas zu günstig für die Geschädigten dar, wenn er behauptet, bei Dellen im Blech, beschädigten Kunststoffteilen, einem Steinschlag in der Windschutzscheibe oder bei kleineren Lackschäden müssten die betroffenen Teile nicht immer komplett ausgetauscht werden (GDV-Erklärung auf der eigenen Internetseite zum Verkehrsgerichtstag 2015 in Goslar vom 26.1.2015). Nicht genug mit dieser pauschalen Behauptung. Der GDV fordert auch noch angesichts von "finanziellen, technischen und ökologischen Vorteilen" dazu auf, "zukünftig stärker alternative Reparaturmethoden zu nutzen".
Auch die Deutsche Kommission für Lack und Karosserieinstandsetzung argumentiert in diese Richtung. Alternative Reparaturmethoden wie Ausbeulen, eine "Spot"-Lackierung oder eine Reparatur von Scheiben und Kunststoffteilen ermöglichten - so die Darstellung - in vielen Fällen ebenfalls eine technisch und optisch einwandfreie Reparatur. Häufig seien diese sogar die bessere Wahl.
Anspruch auf fachgerechte Reparatur
Eine aus anwaltlicher Sicht mitunter für den Geschädigten gefährliche Sichtweise. Alternative Reparaturmethoden sind zwar auf den ersten Blick häufig eine günstigere Alternative, können aber sehr oft eine fachgerechte (umfangreichere) Reparatur nicht ersetzen. Aber gerade auf eine solche haben die Geschädigten nach einem Unfall Anspruch.
Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls hat Anspruch darauf, dass der Schaden vollständig behoben und nicht nur ausgebessert wird. Dies bedeutet, dass das Unfallfahrzeug durch eine sach- und fachgerechte Reparatur wieder in den Zustand versetzt werden muss, in dem es sich vor dem Unfall befunden hat.
Beispiel Kotflügel
Gerade der oft als Beispiel für alternative Reparaturmethode gewählte beschädigte Kotflügel macht das Dilemma des Geschädigten deutlich. War der neue Kotflügel vor dem Unfall unbeschädigt und hat nun einen Kratzer, besteht ein Anspruch auf einen neuen Kotflügel ohne Kratzer und nicht auf einen Kotflügel mit einem nun lediglich ausgebesserten Kratzer. Das Ausbessern des Kotflügels mag zwar eine kostengünstige Reparatur darstellen, die aus dem Blickwinkel der Versicherer auch durchaus angestrebt wird - eine Wiederherstellung des Fahrzeugs in den Zustand vor dem Unfall ist dies jedoch nicht unbedingt.
Selbstverständlich gehört an diese Stelle das Korrektiv der Verhältnismäßigkeit und der Angemessenheit auf der Seite der berechtigten Ansprüche des Geschädigten. Die Grenze dessen, was vom Unfallverursacher an Wiedergutmachung gefordert werden kann, liegt bei dem Betrag, den ein vernünftiger Mensch für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu zahlen bereit wäre. Alles darüber hinaus ist nicht erforderlich und deshalb vom Unfallverursacher nicht zu zahlen. Die Rechtsprechung beziehungsweise die Kasuistik ist voll von Beispielen solch (fiktiv) vernünftig denkender und handelnder Geschädigter; meist auf der Grundlage der jeweiligen (entscheidenden) richterlichen Vernunft und Lebensanschauung. Einzig die Zahl der Beispiele in der Rechtsprechung zeigt, dass dieser "Blickwinkel der Vernunft" auf Seiten der regulierenden gegnerischen Versicherung nicht immer eine ganz so weite Verbreitung findet; anders wären die zahlreichen Urteile beziehungsweise streitigen Verfahren nicht erklärbar.
Soll bedeuten, die Versicherungen dürfen nicht ohne Weiteres auf alternative Reparaturmethoden oder Smart-Repair verweisen. Wenn die gegnerische Versicherung nach einem Unfall schematisch auf eine günstigere alternative Reparaturmethode verweist, sollten Geschädigte durchaus skeptisch sein.
An Remarketing denken
Zwar ist der Geschädigte verpflichtet, von mehreren gleich geeigneten Reparaturmethoden die jeweils günstigste zu wählen; er hat aber auch einen Anspruch auf eine sach- und fachgerechte Reparatur. Und ob dies in jedem Fall die "alternative Reparaturmethode" ist, darüber besteht im Einzelfall nicht selten Streit.
An dieser Stelle muss auch an den späteren Weiterverkauf oder - bei Leasingverträgen - an die spätere Rückgabe des Fahrzeugs gedacht werden. Nicht immer wird der spätere Gutachter des Leasinggebers bei der Rückgabe die durchgeführte alternative Reparaturmethode akzeptieren und gegebenenfalls Nachzahlungen verlangen. Ein einheitliches Prozedere oder gar eine Verbindlichkeit des Reparaturgutachters für die spätere Leasingrückgabe ist nicht einmal ansatzweise geklärt. Nicht zuletzt auch aus diesem Grund wurde der Gesetzgeber vom Verkehrsgerichtstag in Goslar aufgefordert, für eine grundsätzliche berufliche Ordnung des Kfz-Sachverständigenwesens zu sorgen. Hierzu gehört insbesondere, eine entsprechende Grundqualifikation und eine regelmäßige Fortbildung, die nachzuweisen ist, zu regeln.
Was also soll der Geschädigte tun? Der Einsatz alternativer Reparaturmethoden ist abhängig von der Art, dem Umfang und der Lage des Schadens. Der Geschädigte sollte daher vor der Beauftragung einer Werkstatt prüfen, ob die alternative Reparaturmethode tatsächlich lohnender ist als der vielleicht herkömmliche Austausch beschädigter Teile. Dabei spielen selbstverständlich auch das Alter des Fahrzeugs, dessen Gesamtzustand sowie Laufleistung eine nicht unwesentliche Rolle.
Es ist auffällig, dass bereits vereinzelt Assekuranzen bei der Kfz-Versicherung kostengünstigere Tarife anbieten, wenn sich der Versicherte von vornherein auf moderne Reparaturmethoden einlässt. Konkret wird der Versicherte dann im Schadenfall mit einem deutlich geringeren als dem üblichen Eigenanteil an den Reparaturkosten beteiligt, zudem wird der Schadenfreiheitsrabatt nicht belastet. Der Versicherungsnehmer sollte aber hierbei nicht übersehen, dass ihm etwa bei Leasingverträgen derartige Möglichkeiten mitunter abgeschnitten sind. Damit sind nicht Reparaturen gemeint, wie die vor der Rückgabe des Leasingfahrzeuges häufig sinnvollen "Smart-Repair-Maßnahmen" zur Beseitigung kleiner Parkschäden. Gemeint sind vielmehr Instandsetzungsarbeiten bei größeren Schäden auf der Basis von alternativen Reparaturmethoden. Auch dürfte der Versicherungsbranche klar sein, dass die Bereitschaft des Fahrzeughalters, eine alternative Reparaturmethode zu wählen, in der Regel im Kaskobereich deutlich größer sein dürfte als im Haftpflichtbereich. Für den Geschädigten bedeutet dies einmal mehr: Augen auf bei der Schadenregulierung und im Zweifel lieber einen Rechtsanwalt fragen.
- Ausgabe 04/2015 Seite 90 (505.6 KB, PDF)