Von Daniela Wiegmann, dpa
Stundenlange Autofahrten in den Urlaub waren in den 1970-er Jahren für kleine Kinder kein Problem: Während Vater oder Mutter das Auto müde über den Brenner steuerten, schlummerten sie auf der umgeklappten Rückbank - natürlich ohne Kindersitz und Anschnallgurt. Seitdem hat sich in Sachen Fahrsicherheit eine Menge getan: Durch die Einführung der Gurtpflicht vor knapp 40 Jahren, Airbags und Knautschzonen ist die Zahl der tödlichen Unfälle rapide gesunken. Während 1970 noch rund 21.000 Menschen bei Verkehrsunfällen in Deutschland starben, waren es 2014 nur noch rund 3300. Mit der Verbreitung von Fahrer-Assistenzsystemen wie automatischer Bremshilfe oder Spurhalte-Alarm dürfte es künftig noch weniger schwere Unfälle geben.
Die Versicherer arbeiten bereits an Modellen für das Autofahren der Zukunft - bis hin zum selbstfahrenden Auto. "Das Geschäftsmodell der Kfz-Versicherungen steht vor massiven Änderungen", schreibt die Unternehmensberatung McKinsey in einer Studie. Künftig schwindet bei der Beurteilung der Risiken vor allem die Bedeutung des Fahrers.
"Derzeit sind etwa 90 Prozent aller Verkehrsunfälle durch menschliches Fehlverhalten bestimmt, nur zehn Prozent durch technische Fehler", sagt Allianz-Vorstand Alexander Vollert. Je stärker der Fahrer aber am Steuer von Assistenzsystemen unterstützt wird, desto geringer wird seine Bedeutung bei einem möglichen Unfall. "Das Risiko verlagert sich vom menschlichen Fehler seitens des Fahrers oder Verkehrsteilnehmers zum menschlichen Fehler des Entwicklers."
Auf die Höhe der Versicherungsprämie wirken sich die Assistenzsysteme bereits jetzt aus: Autos mit Notbremssystemen, die Autos bei Geschwindigkeiten bis zu 30 Stundenkilometern vor einem drohenden Auffahrunfall automatisch abbremsen können, werden nach Angaben der Allianz bereits eine Typklasse geringer eingestuft als Autos ohne dieses System.
Fehlende Informationen erschweren Analyse
Ob Assistenzsysteme zur Vermeidung eines Unfalls aber tatsächlich beitragen, lässt sich nach Einschätzung der HUK Coburg bislang nicht immer ganz einfach ermitteln. "Zur genauen Analyse fehlt uns häufig die Information, ob ein System im Auto wirklich verbaut ist. Ein entsprechender Schlüssel in der Fahrzeugidentifikationsnummer würde uns helfen", sagt Vorstandschef Wolfgang Weiler.
Kleinere Sachschäden, etwa durch Unfälle im Innenstadtverkehr und beim Einparken, könnten sich mit den Hightech-Autos sogar verteuern, weil dadurch dann auch teure Elektronik beschädigt werde. Zudem fließen weiterhin auch Wetterrisiken wie Hagel oder Diebstahl in die Kalkulationen der Versicherer ein. Ob die neuen Systeme daher insgesamt dazu führen, dass die Autoversicherung auf lange Sicht billiger wird, ist zweifelhaft.
Das völlig selbstfahrende Auto verbucht zumindest der HUK-Chef noch unter "Science Fiction", da noch immer völlig unklar ist, ob und wann Autos ohne Fahrer auf deutschen Straßen jemals fahren werden. Konkurrent Allianz sicherte aber vorsichtshalber schon einmal Versicherungsschutz zu. "Natürlich werden wir auch selbstfahrenden Autos einen passenden Versicherungsschutz anbieten", sagt Vollert.
Dürfen Autos überhaupt autonom fahren?
Fraglich bleibt aber aus seiner Sicht, ob man sein Auto überhaupt autonom fahren lassen darf. Zwar wurde das in die Jahre gekommene Wiener Übereinkommen für den Straßenverkehr aus dem Jahr 1968 inzwischen ergänzt, in dem es noch hieß: "Jeder Führer muss dauernd sein Fahrzeug beherrschen oder seine Tiere führen können." "Allein daran, dass man damals neben Kraftfahrzeugen gleichermaßen noch Pferdegespanne und Ochsenkarren im Auge hatte, zeigt sich ein gewisser Reformbedarf der Regelung, der nun auch erfolgt ist", sagt Vollert.
Doch auch nach der reformierten Regelung muss der Halter das System, das das Auto steuert, zumindest im Notfall abschalten können. Damit dürfte es zwar auch im selbstfahrenden Auto mit einem Nickerchen auf dem Fahrersitz schwierig werden. Die neu gewonnene Zeit des Autoinsassen, der sich nicht mehr auf das Fahren konzentrieren muss, würde der Wirtschaft aber enorme Chancen bieten. Das sagt zumindest die Unternehmensberatung McKinsey voraus - und hat auch gleich eine Rechnung dazu aufgestellt: "Jede zusätzliche Minute im Auto, in der Menschen ungestört mobil im Internet surfen, bietet weltweit ein Umsatzpotential von fünf Milliarden Euro jährlich."