Einhörner sind in der Startup-Welt keine Glücksbringer, sondern Visitenkarten. Im Fall von Charge Up ist es beides. Denn auf der papierenen Visitenkarte von Ivo Hykyš prangt das Fabelwesen und erzählt detailliert davon, was den Newcomer besonders macht. Denn kaum ein Geschäftsfeld im automobilen Bereich boomt so, wie die E-Enabler, also jene Organisatoren der Ladeinfrastruktur.
In der Regel sind diese in lokalen Märkten gestartet und haben expandiert, oder sie bleiben lokale Größen, denn zu tun gibt es überall genug. Charge Up steht übrigens nicht in Verbindung mit "Charge Up Europe" zu tun. Diese Interessensgemeinschaft von Betreibern und Herstellern von Ladeinfrastruktur sitzt in Brüssel.
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Die Referenzkarte von Charge Up wiederum zeichnet in erster Linie den Umriss von Tschechien nach, denn Unicorn – die Muttergesellschaft – ist ein IT-Unternehmen mit Sitz in Prag mit aktuell 16 Unternehmungen, die sich auf dem Energiemarkt oder im Bankensektor tummeln. Mit diesem Hintergrund lässt sich auch die eigentliche Dienstleistung für die Flottenkunden beim Aufbau der Lademöglichkeiten beschreiben, denn Charge Up baut weder Ladesäulen selbst, noch verlegt das Unternehmen Stromkabel (das machen beides Partner), vielmehr erstellen die Tschechen das Softwaregerüst für den Betreiber und für deren Lade-Kunden.
Charge Up: Etablierte Hardware-Partner
Für kommunale Betreiber etwa sammelt Charge Up die Abrechnungen der einzelnen Ladepunkte, die von verschiedenen Betreibern (Parkhaus, Gemeinde etc.) gemanagt werden. So wird ein Netz geknüpft, das einfach bedient und gemonitort (2nd level support) wird und in dem die Abrechnungen zentralisiert ablaufen. Zu den erwähnten Hardware-Partnern zählen neben den Südtirolern Alpitronic auch die spanische Circontrol, deren Importeur für Tschechien und die Slowakei kaufte Unicorn mittlerweile. Um die Installation der Wallboxen und Ladesäulen hierzulande wiederum kümmern sich Partnerbetriebe in Oranienburg, im Rheinland und in der Nähe von Frankfurt, wobei dieses Netz stetig ausgebaut wird.
Wenn alles steht, kommen sowohl die eigene Lade-App wie auch das Dashboard für den Betreiber zum Tragen. Die eigene App kann dabei, sofern gewünscht, im Layout an des CI des Kunden angepasst werden, muss sie aber nicht. Nutznießer sind im Moment aus deutscher Sicht vor allem Fuhrparkverantwortliche mit kommunalem Hintergrund, wie Ivo Hykyš im Gespräch mit Autoflotte berichtet, denn die Newcomer sind in erster Linie bei kommunalen Ausschreibungen in Deutschland aktiv. Das heißt für den hiesigen Repräsentanten, dass sein Dienstwagen (Skoda Enyaq) viele Kilometer auf den Tacho bekommt.
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BildergalerieLübeck als deutsche Referenz
Nun ist der deutsche Markt nicht nur geografisch groß, sondern auch reich an Konkurrenz. Dennoch überzeugte Charge Up in diesem Sommer beispielsweise die Stadtwerke Lübeck von der Lösung, wie Hykyš verrät: "Wir werden in den kommenden Jahren zirka 60 Schnellladestationen mit jeweils 150 kW an die Stadtwerke Lübeck liefern und sind davon überzeugt, dass uns diese Referenz bei unserem Eintritt in den deutschen Markt sehr helfen wird. In der Folge erhielten wir zudem von einem anderen Kunden einen bestätigten Auftrag über sechs 300-kW-Schnellladestationen für den kommenden Ladepark an der Autobahn A6 aus Richtung Nürnberg nach Heidelberg. In allen Fällen handelt es sich bei dem Produkt um die Hypercharger-Ladestation von Alpitronic."
Neben den preislichen Argumenten, die bei den meist recht aufwendigen Projekten eine wichtige Rolle spielen, sind zwei Dinge fast noch entscheidender. Die Zuverlässigkeit der Lösung sowie eine hohe Passgenauigkeit im Hinblick auf die Ansprüche des Kunden. Hykyš kann hierbei zum einen auf die etablierten Partner und Zulieferer verweisen und zum anderen weiß er ein Entwicklerteam in der tschechischen Heimat hinter sich. Denn die Softwareanpassung braucht jene Ressource, die fast so begehrt ist wie die Rohstoffe für die Batterieherstellung: Programmierer.
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BildergalerieCharge Up: Stromverträge managen
So wundert es nicht, dass neben den Prestige-Projekten in Tschechien – unter anderem bei Skoda Auto, wo man seit 2017 als Supplier für das Backend an den Skoda-Werken über 1.200 Ladepunkte steuert – ein Engagement in Skandinavien als Top-Referenz dient. In Göteborg schrieb der kommunale Energiebetreiber die IT zur Verwaltung der städtischen Ladeinfrastruktur aus. Charge Up erhielt den Zuschlag und managt seitdem sowohl die Datenströme der knapp 1.400 Ladepunkte wie auch die Abrechnungen der Nutzer, die per App den Stromfluss an ihrem E-Auto starten und beenden können, was gut 800 Mal am Tag passiert.
Da Charge Up nicht zu einem Energieversorger gehört, kauft man Strommengen über langfristige Verträge oder man sichert sich diese Mengen am Spotmarkt. „Eine Möglichkeit günstige Ladetarife anbieten zu können, ist es, am Spotmarkt den Strom um zwei Uhr morgens sehr günstig zu kaufen, ihn zu speichern und später zu einem höheren Preis wieder zu verkaufen“, berichtet der Experte.
Was ein schwankender Strompreis bedeutet, weiß Hykyš sehr genau. Denn er war vor seinem Engagement selbst Flottenmanager und trug Verantwortung für 2.500 Einheiten. Im tschechischen Siemens-Headquarter in Prag war er zugleich Teil des Konzerneinkaufs, so dass das Verhandeln mit Partnern und das Ausschreiben von Leistungen zum tägliches Doing wurde – heute sitzt er auf der anderen Seite des Tisches. Ab 2012 – und damit recht früh für einen Fuhrparkbetreiber – fand die E-Mobilität Platz auf seiner Agenda, denn Siemens startete eigene Aktivitäten und dies strahlte natürlich auch auf die eigene Flotte aus. Die ersten Siemens-eigenen Ladestationen wurden prestigeträchtig am Hauptquartier in der Stadt an der Moldau positioniert und plötzlich mussten die Verbrenner zu Stromer und die Tank- zu Ladekarten werden. Diese Aktivitäten schliefen allerdings recht schnell wieder ein. Erst fünf Jahre später gab es ein Comeback der E-Offensive, wie Hykyš sich erinnert. Also kam die erneute Anfrage an ihn nun als CFO - und damit als zentraler Koordinator für ganz Tschechien – den Stromern bei Siemens zum Durchbruch zu verhelfen. Sein Dienstwagen wurde fortan ein BMW i3.
Seitdem weiß der Manager, wie es sich anfühlt, wenn die Ladeinfrastruktur nur schrittweise wächst, und zwar in Tschechien wie in Süddeutschland, da Stuttgart regelmäßig das Ziel seiner Touren mit dem i3 war. Ladetechniken, Identifikationsprobleme und unterschiedlichste Abrechnungsmöglichkeiten kreuzten fortan seinen Weg. Aber es hat sich was getan: Aus den damaligen Problemen ist für die meisten Fahrer, die heute erst regelmäßig das Ladekabel zücken, ein System entstanden, das längst nicht ausgereift ist, aber einen immensen Sprung nach vorn hingelegt hat. Dafür, dass diese E-Reise für die Flottenbetreiber und Kommunen möglichst stressfrei weitergeht, trägt Hykyš nun Sorge.