Rückkehr zur Vernunft
Milliardenverluste zwingen die Kfz-Versicherer, sich von der Subventionierung des Flottengeschäftes zu verabschieden. Leasinggesellschaften erkennen nun die Chance, ihre Leasingpakete stärker inklusive Flottenversicherung zu vermarkten. Ohne konsequente Schadenprävention entwickeln sich alle Lösungen für Fuhrparks jedoch schnell zur teuren Stolperfalle.
Dass die Flottenversicherung ein Geschäftsfeld mit eigenen Regeln in der Kraftfahrt ist, hat in den vergangenen Jahren viel Spielraum für Versicherungsgeber und -nehmer in den Verhandlungen zugelassen. Diese Gestaltungsfreiheit hat sich nicht nur in individuellen Rahmenverträgen widergespiegelt, sondern oft auch in extrem günstigen Prämienmodellen, die den Bedarf zum eigentlichen individuellen Fuhrparkrisiko nicht darstellten.
Wie stark die Vertragsparteien mit ihren Vereinbarungen danebenliegen, zeigt auch die aktuelle Statistik des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV), der inzwischen das Flottengeschäft separat erfasst und hier eine Combined Ratio (= Schaden-Kosten-Quote) von 109 Prozent bis Ende des Jahres prognostiziert. Das führt zu Milliardenverlusten für die Versicherer, die das – noch moderat – mit dem Begriff der „kritischen Ergebnissituation“ erläutern.
Versicherer suchen Gespräche
In der Praxis sind die Flottenversicherer deshalb nachvollziehbar schon seit einigen Monaten betriebswirtschaftlich aktiv, um die Misere zu beenden. Insbesondere auch unter dem Damoklesschwert der anstehenden Eigenkapitalrichtlinien von Solvency II, die 2013 in Kraft treten, verabschiedet sich die Mehrzahl der Versicherungsunternehmer von der Philosophie, die Flottenversicherung als Türöffner oder Steuerungsinstrument für den Umsatz zu nutzen. Die Subventionierung der Flottenversicherung neigt sich folglich dem Ende zu.
Der Bereich wird vielmehr als eigenes Versicherungsgeschäft betrachtet und soll auch Ertrag abwerfen. Diese Ambitionen sind aus Gesprächen mit Flottenbetreibern in diesem Jahr auch schon deutlich spürbar. Viele Fuhrparkkunden haben von ihren Versicherern daher bereits nach den ersten Monaten Warnungen wegen kritischer Schadenverläufe erhalten oder sogar vorgezogene Jahresgespräche über Vertrags- und Prämienkonditionen führen müssen. Möglichen Missverhältnissen zwischen dem Schadensaufwand und der gezahlten Nettoprämie einer Firmenflotte wird dabei langläufig und sehr konventionell entweder mit einer Erhöhung der Beiträge oder einer Verschiebung des künftigen Schadensaufwandes zum Kunden mit höheren Selbstbeteiligungen begegnet. Dieser Vorgang der sogenannten „Sanierung“ zeigt deutlich, dass es so etwas wie einen Solidaritätsgedanken im Flottensegment bestenfalls nur noch im Ansatz bei Großschadensereignissen gibt. Die direkte Einzelbetrachtung und Zeichnung der Flotte nach risikotechnischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten gewinnt wesentlich stärker an Bedeutung.
Heilmittel im Full-Service-Paket?
Da die einzelnen Versicherer aufgrund des massiven Preiskampfes den Wettbewerb aus betriebswirtschaftlicher Vernunft nicht mehr intensivieren können, kommen nun auch andere Gegenspieler wie die Autobanken und freien Leasinggesellschaften ins Spiel und gehen mit ihren All-inclusive-Angeboten und Mobilitätspaketen einschließlich Kfz-Versicherung nun bei Flottenkunden in unmittelbare Konkurrenz zum Versicherer.
Das damit verbundene Ziel ist natürlich klar: den bestimmenden Einfluss über den Lebenszyklus eines Fahrzeugs zu erhalten – von der Anschaffung über das margenstarke Reparaturgeschäft bis hin zur Verwertung. Die Flottenversicherung ist damit nur noch ein Puzzle im Gesamtangebot, das eine interessante zusätzliche Ertragsquelle für den Anbieter darstellt und bei Bedarf auch schnell aus dem Komplettpaket quersubventioniert ist. Außerdem sorgen feste monatliche Raten über mehrere Jahre für eine augenscheinliche Versüßung des Geschäfts.
Gleichzeitig erkennen aber echte Profis, dass diese Pakete häufig nicht nur sehr undurchsichtig sind, sondern auch verhältnismäßig teuer. Wer sich in der Flottenversicherung also strategisch und langfristig positioniert, braucht somit andere und neue Lösungen.
Prävention neu entdeckt
Der Schlüssel zu einer Lösung, die auch dem fuhrparkeigenen Risiko entspricht, ist stets Transparenz. Dafür müssen die Schäden und daraus entstehenden Kosten im Fuhrpark offen liegen. Und damit sind nicht alleine der zu zahlende Versicherungsbeitrag und die Schadenzahlungen durch den Versicherer gemeint. Alle Kosten sowie die Ursachen für die Entstehung der Schäden müssen auf den Tisch.
Für keinen der Beteiligten reicht es mehr, die Schäden einfach zu regulieren oder in den Prozess der Schadenregulierung kostenoptimierend, zum Beispiels mittels günstiger Partnerwerkstätten, einzugreifen. Es gilt, Prozesse zur Schadenprävention zu erarbeiten, die dann der Versicherer professionell unterstützt. Und hier ist noch reichlich Potenzial. Diese Präventionskonzepte würden merklich mehr Nutzen bringen als weitere fragwürdige Zusatzdeckungen durch die Versicherer, darin sind sich die Experten schon lange einig. Wenn Flottenbetreiber bereit sind, sich dafür mit zündstoffhaltigen und kritischen internen Themen rund um die Schadentransparenz auseinanderzusetzen, wird der Weg geebnet, Kontinuität und Ertrag zu erzielen. Ralph Feldbauer
- Ausgabe 10/2011 Seite 106 (218.4 KB, PDF)