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New Mobility: Autonomes Fahren – das könnte noch dauern

21.08.2018 09:00 Uhr
New Mobility: Autonomes Fahren – das könnte noch dauern
Sieht so die Zukunft aus? Ob sich autonome Fahrzeuge großflächig durchsetzen werden, darüber lässt sich diskutieren.
© Foto: Daimler

Die Zuversicht scheint groß, dass in bereits wenigen Jahren Autos ohne Lenkrad zum Alltag im Verkehr werden. Doch möglicherweise steckt hinter der vielfach verbreiteten Euphorie auch viel Wunschdenken.

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Von Mario Hommen/SP-X

Geht es um die autonome Autozukunft, werden Verantwortliche von Autoherstellern und Tech-Unternehmen nicht müde, Großes zu verkünden. Das Roboterauto steht, diesen Eindruck dürften viele in den letzten Jahren gewonnen haben, kurz vor seinem Durchbruch. Bei der Frage nach einem konkreten Datum werden die Apologeten allerdings meist vage. Gerne wird dann die Zahl 202X genannt und darauf hingewiesen, dass erst noch entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen. Dieses Ausweichen deutet allerdings vor allem auch darauf hin, dass vieles vorläufig ungewiss bleibt, vielleicht sogar der Durchbruch vollständig autonom fahrender Autos im öffentlichen Verkehr selbst.

Level 5 ist das vermeintlich nahe Fernziel, dessen Durchbruch nach Ansicht einiger besonders euphorischer Visionäre bereits in der Vergangenheit liegt. Tesla und auch Volvo etwa haben jeweils 2017 als Level-5-Jahr ins Spiel gebracht, jedoch nicht geliefert. Andere bleiben da etwas vorsichtiger, wie etwa das Fraunhofer-Institut IAO, welches als frühestes Datum das Jahr 2025 prognostizierte, während die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften das Jahr 2030 und die Unternehmensberatung Oliver Wyman 2035 ausgaben. Und selbst hierbei könnte es sich um übertrieben optimistische Schätzungen handeln, denn es gibt auch Insider, die vollautonome Autos nicht vor 2050 erwarten. Angesichts etlicher Unwägbarkeiten und vorläufig ungelöster Probleme haben allerdings letztlich alle Prognosen eher den Verbindlichkeitscharakter von Kaffeesatzleserei.

Ein gewisses Maß an Euphorie scheint nicht einmal abwegig, denn auf technischer Seite wurde bereits vieles entwickelt. Und wie etliche fahrerlose Prototypen eindrucksvoll demonstriert haben, können Autos bereits völlig selbstständig ihren Weg finden. Auch die gewaltige Menge fehlerfrei absolvierter Testkilometer gibt durchaus Anlass zu großer Hoffnung. Doch andererseits stoßen diese Entwicklungsfahrzeuge immer wieder vor Probleme oder sogar vor für sie unlösbare Aufgaben, bei denen dann Menschen eingreifen müssen. Das Ziel soll allerdings eine perfekte Performance sein. Doch das erweist sich als schwierig. So äußerte der Chef des Bostoner Start-ups Nutonomy, Karl Iagnemma, gegenüber dem Technologie-Magazin Wired, dass das letzte Prozent auf dem Weg zur Entwicklung vollautonomer Fahrzeuge im Vergleich zu den ersten 99 Prozent den weitaus schwierigeren Part darstelle. Eigentlich scheint der Durchbruch, zumindest auf der technischen Seite, dem Greifen nah, doch gibt es weiterhin schwerwiegende Hürden, die sich als größer erweisen als vielleicht von einigen zunächst erwartet.

Eher Grundlagenforschung als seriennahe Lösungen

Ein Zauber- und Buzzwort in diesem Kontext ist die Künstliche Intelligenz (KI). Autonome Autos sollen damit lernen können, wie sie sich in Verkehrssituationen verhalten sollen. Auch hier ist die Lösung zwar angedacht, doch derzeit sind Autohersteller und ihre Technikpartner eher dabei Grundlagenforschung zu betreibe statt eine seriennahe Lösung zu präsentieren. Zwar ist KI in aller Munde, doch bislang hat noch keiner verkündet, eine entsprechend leistungsfähige Technik entwickelt zu haben.      

Technisch fehlt es auch hinsichtlich der Infrastruktur an den Voraussetzungen für autonomes Fahren. Roboterautos müssen mit allen und jedem kommunizieren und dabei gewaltige Datenmengen in sehr kurzer Zeit austauschen. In der autonomen Autozukunft soll alles vernetzt sein. Für diese Kommunikationsfähigkeit müssen sowohl die Verkehrsteilnehmer gerüstet sein als auch eine entsprechende Infrastruktur geschaffen werden. Wichtigste Voraussetzung hierfür wäre der Aufbau eines leistungsfähigen Datennetzes. 5G heißt die Lösung, die in Deutschland allerdings noch im Dornröschenschlaf verharrt. Wann erste entscheidende Schritte zum Aufbau einer entsprechenden Hochleistungsinfrastruktur hierzulande getätigt werden, scheint ungewiss. Derzeit ist nicht einmal der LTE-Standard flächendeckend verfügbar. Es dürfte jedenfalls noch viele Jahre dauern, bis eine für den Einsatz von autonomen Autos entsprechend leistungsfähige Breitbandtechnik verfügbar ist.

Eine an die autonome Autozukunft geknüpfte Hoffnung: Der von Infarkten gepeinigte Verkehr in Großstädten ließe sich mit dem vermehrten Einsatz von Roboterautos entzerren. Doch auch hier ist Skepsis angebracht. So hat die Unternehmensberatung "Arthur D. Little" errechnet, dass sich eine Quote von 50 Prozent autonomer Autos negativ auf den Verkehrsfluss auswirken würde. Während menschliche Fahrer Vorschriften zu Geschwindigkeiten und Sicherheitsabständen ausreizen und auch überschreiten, halten sich Computer strikt an die Regeln und würden so in der Koexistenz mit menschlichen Fahrern den Verkehr aufhalten. Die Analysten sehen in der Folge einen deutlich besseren Verkehrsfluss erst dann, wenn Städte ganze Bereiche nur für autonom gelenkte Fahrzeuge öffnen.

Rechtliche Rahmenbedingungen sind große Hürde

Ein weiteres elementares Problem betrifft die rechtlichen Rahmenbedingungen, die in Deutschland jedenfalls noch weit entfernt davon sind, vollkommen unabhängig entscheidende Roboterautos für den freien Verkehr zuzulassen. Zwar hat der Bundestag im Frühjahr 2017 die "Regelungen zum Fahren von Autos mit hoch- und vollautomatisierter Fahrfunktion" verabschiedet, doch ein Freifahrtsschein für Roboterautos ist das noch nicht. Der Linken-Politiker Herbert Behrens kritisierte: "Ich habe den Eindruck, die Autofahrer werden zu Versuchskaninchen gemacht." Und Heribert Prantl von der Süddeutschen wetterte, dass diese Änderung des Straßenverkehrs kein Gesetz, sondern ein Anschlag auf den Verbraucher sei. Denn mit dieser Regelung würden alle Haftungsrisiken auf den Fahrer von Autos mit Autopiloten abgewälzt, denn letztlich bleibt er es, der jederzeit manuell eingreifen können muss. Geht etwas schief, haftet er. Haftungsfragen und andere juristische Probleme für wahrhaft autonome Autos regelt dieses Gesetz jedenfalls nicht.

Als möglicherweise unlösbar erweisen sich vor allem aber die ethischen Fragen in Hinblick auf die Entscheidungen von Roboterautos. Auch wenn letztlich die Technik dazu beitragen wird, dass die Zahl der Verkehrstoten durch die zunehmende Entmündigung des Menschen deutlich zurückgehen dürfte, werden auch autonom fahrende Autos in Situationen geraten, in denen Unfälle unvermeidlich sind. Dabei könnte es auch zu Situationen kommen, bei denen ein Computer in Bruchteilen von Sekunden entscheidet, ob er nun das Leben seiner Insassen, eines am Straßenrand stehenden Kleinkindes oder etwa einer Gruppe von Senioren gefährdet. Für diesen hypothetischen Fall braucht der Computer eine klare Entscheidungsgrundlage, die ihm aber wohl keiner so klar vorgeben wird. Sollen möglichst viele Leben geschützt werden oder vielleicht die Entscheidung in Hinblick auf das Alter der potenziellen Opfer getroffen werden? Und wer kauft sich ein teures Auto, dessen Software auch die Möglichkeit erwägen kann, seine Insassen einer tödlichen Gefahr auszusetzen? Vielleicht kommt dann illegale Software im Umlauf, die dem Fahrzeug auferlegt, unter allen Umständen die Insassen zu schützen. Wie das Magazin Autocar berichtete, hat kürzlich das ehemalige BMW-Vorstandsmitglied Ian Robertson auf einer Veranstaltung des britischen Autoindustrie-Verbands SMMT eingeräumt, dass es möglicherweise niemals erlaubt werden kann, Computern die Entscheidung über Leben und Tot zu überlassen. Doch ein wahrhaft autonomes Fahrzeug müsste letztlich auch so programmiert sein, dass es über die Wertigkeit von Menschenleben abwägt. Das wäre dann ein mit dem deutschen Grundgesetz allerdings unvereinbarer Ansatz.

Potenzial für Spaßvögel und Kriminelle 

Vielleicht wird es deshalb autonome Autos nur in sehr begrenzten Bereichen und mit sehr defensiven Fahrstrategien geben. Sollten sich Roboterautos etwa im besonders komplexen Stadtverkehr bewegen, müssten sie auf eine vermutlich extrem vorsichtige Fahrweise ausgelegt sein, die sie möglicherweise als Personentransportmittel unattraktiv macht. Die Defensiv-Strategie brächte auch andere Probleme mit sich, denn vermutlich müssten im dichten urbanen Verkehr mit vielen Menschen und Radfahrern zum Beispiel Fußgänger zu jeder Zeit in der Lage sein, Roboterautos anzuhalten, indem man sich einfach vor das Fahrzeug stellt. Vielleicht reicht auch nur eine Handgeste, um Autos in den Stillstand zu zwingen. Freche Verkehrsteilnehmer könnten somit jederzeit die Roboterautos nötigen, stehen zu bleiben. Damit würden sich allerdings auch neue Möglichkeiten für Vandalismus und kriminelles Handeln ergeben. Ein leicht zu stoppendes Auto könnte das Carjacking deutlich vereinfachen, was nicht nur Autofahrer in den USA beunruhigen würde.

Ja und überhaupt, die Mentalität der Menschen. Bislang haben Umfragen eher das Bild vermittelt, dass Autofahrer mit der Idee fremdeln, sich in ein Auto ohne Steuer zu setzen. Noch dominiert das Bild vom lustbetonten Selbstfahren. Ob der Gentlemen-Driver künftig bereit sein wird, das Steuer abzugeben, scheint ebenfalls mehr als fraglich. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag von CosmosDirekt kam für 60 Prozent der Befragten die Nutzung autonomer Fahrzeuge nicht in Frage. Sogar 68 Prozent gaben an, der Technik nicht zu vertrauen. Und immerhin 63 Prozent würden den Fahrspaß vermissen, den konventionell gelenkte Autos heute noch bieten.

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