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Neues zur Straßenverkehrsordnung

03.11.2017 06:00 Uhr
Neues zur Straßenverkehrsordnung

Der Bundesrat hat am 22. September die 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften beschlossen. Einige für Dienstwagenfahrer relevante Beispiele.

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_ In nahezu regelmäßigen Abständen im Jahr erfährt die Straßenverkehrsordnung (StVO) Anpassungen an die Bedürfnisse der sich fortlaufend verändernden Entwicklungen. Nicht immer erschließt sich dabei dem Autofahrer der konkrete Nutzen immer schneller aufeinanderfolgender Gesetzes- und Verordnungsänderungen. Geht man davon aus, dass die StVO - wie kein anderer Verordnungstext - gerade für den Bürger geschrieben sein sollte und eben nicht für die Behörden, dann können schon Zweifel am Sinn so mancher gesetzgeberischen Neuschöpfung aufkommen.

Die StVO soll so etwas wie die "Gebrauchsanweisung" für das Miteinander im Straßenverkehr sein und kein"Drehbuch" für hoheitliches Handeln. Adressat all der Verhaltensregeln ist deshalb der Bürger, und der muss all die Fachbegriffe und Regelungen verstehen und letztlich auch umsetzen können. Und genau an diesem Ziel bestehen nicht selten Zweifel, wenn selbst Rechtsanwälte, Behörden, Polizei und Gerichte über die Bedeutung mancher mit "heißer Nadel" gestrickter Paragraphen vor Gericht streiten. Ein abschreckendes Beispiel für diese Schlussfolgerung ist das "Handy-Verbot" am Steuer. Was der Verordnungsgeber, spitzfindige Anwälte - und Autofahrer - und zuletzt eine bisweilen lebensfremd anmutende Rechtsprechung aus einem einfachen Verbotssatz im Laufe der Jahre haben erwachsen lassen, löst schlicht zweifelndes Kopfschütteln aus.

Der Bundesrat hat am 22. September die 53. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften beschlossen (Drucksache 556/17), die am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten wird. Es werden zahlreiche Vorschriften geändert und Bußgelder erhöht. Einige Beispiele:

- Änderung des § 23 StVO (Mobiltelefon, Tablets und andere Geräte am Steuer)

Kernpunkt ist die Neufassung des § 23 StVO in den Absätzen 1a bis 1c, wobei dem Leser schon auffallen wird, dass nun auch dem Verordnungsgeber die mögliche Nutzung eines Tablets und weiterer Geräte im Auto aufgefallen und bewusst geworden sind. Darüber hinaus haben die Erfahrungen gezeigt, dass die derzeitige Regelung nicht ernst genommen wird. Der mit dem Mobiltelefon am Ohr telefonierende und Kurznachrichten tippende Fahrer gehören bedauerlicherweise zum täglichen Verkehrsgeschehen. Dabei wird der Verstoß stets vorsätzlich begangen. Zudem empfinden Verkehrsteilnehmer diese Verhaltensweisen nicht als sozialschädlich oder verkehrsgefährdend. Der generalpräventive Charakter der Bewehrung fehlt also augenscheinlich.

Der Gesetzestext in § 23 StVO:

"(1a) Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn

- hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und 2. entweder a) nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder b) zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.

Geräte in Sinne des Satzes 1 sind auch Geräte der Unterhaltungselektronik oder Geräte zur Ortsbestimmung, insbesondere Mobiltelefone oder Autotelefone, Berührungsbildschirme, tragbare Flachrechner, Navigationsgeräte, Fernseher oder Abspielgeräte mit Videofunktion oder Audiorekorder. Handelt es sich bei dem Gerät im Sinne des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, um ein auf dem Kopf getragenes visuelles Ausgabegerät, insbesondere eine Videobrille, darf dieses nicht benutzt werden.

Verfügt das Gerät im Sinne des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, über eine Sichtfeldprojektion, darf diese für fahrzeugbezogene, verkehrszeichenbezogene, fahrtbezogene oder fahrtbegleitende Informationen benutzt werden. Absatz 1c und § 1b des Straßenverkehrsgesetzes bleiben unberührt. (1b) Absatz 1a Satz 1 bis 3 gilt nicht für

- 1. ein stehendes Fahrzeug, im Falle eines Kraftfahrzeuges vorbehaltlich der Nummer 3 nur, wenn der Motor vollständig ausgeschaltet ist,

- 2. den bestimmungsgemäßen Betrieb einer atemalkoholgesteuerten Wegfahrsperre, soweit ein für den Betrieb bestimmtes Handteil aufgenommen und gehalten werden muss,

- 3. stehende Straßenbahnen oder Linienbusse an Haltestellen (Zeichen 224). Das fahrzeugseitige automatische Abschalten des Motors im Verbrennungsbetrieb oder das Ruhen des elektrischen Antriebes ist kein Ausschalten des Motors in diesem Sinne. Absatz 1a Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b gilt nicht für

- 1. die Benutzung eines Bildschirms oder einer Sichtfeldprojektion zur Bewältigung der Fahraufgabe des Rückwärtsfahrens oder Einparkens, soweit das Fahrzeug nur in Schrittgeschwindigkeit bewegt wird, oder

- 2. die Benutzung elektronischer Geräte, die vorgeschriebene Spiegel ersetzen oder ergänzen."

Zur Erinnerung: Zu Beginn der Einführung des Handy-Verbotes lautete die Vorschrift in § 23 Abs. 1 a StVO:"Dem Fahrzeugführer ist die Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält. Dies gilt nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist." Damals beurteilte sich die Frage der Benutzung eines Mobiltelefons allein danach, ob das Telefon in der Hand gehalten wurde oder nicht.

Mit der Neufassung wird das In-der-Hand-Halten zahlreicher elektronischer Geräte verboten. Die aktuelle Fassung geht damit weit über das bloße Handy-Verbot für den Fahrer hinaus. Auch das etwa in Gerichtsverhandlungen gerne zur Verteidigung vorgetragene Benutzen eines in der Hand gehaltenen Diktiergeräts oder eines iPod (um der Polizei die Verwechslung mit einem Handy zu unterstellen) fällt nun unter das Verbot.

Überdies umfasst die Vorschrift auch die bloße Zuwendung des Blicks hin zu fest eingebauten Geräten, wie etwa Navigationsgeräten, bei gleichzeitiger Blickabwendung von der Straße in Abhängigkeit von deren Dauer. Hier bleibt in der Praxis abzuwarten, wo hier die Gerichte eine zeitliche Grenze ziehen und Geldbußen verhängt werden.

Man diskutiert also bereits die zeitlichen Grenzen; anscheinend hat man sich weniger Gedanken um die zentrale Frage gemacht, die logischerweise zuerst zu beantworten ist. Wie gedenkt man beweissicher "die Blickzuwendung zu festeingebauten Geräten" festzustellen?

Außerdem stellt die Änderung noch klar, dass Mobiltelefone und die anderen benannten Geräte durch den Fahrzeugführer nur dann in die Hand genommen werden dürfen, wenn das Fahrzeug steht und der Motor vollständig ausgeschaltet ist. Das Ausschalten des Motors über eine Start-Stopp-Automatik ist hier nicht ausreichend, ebenso das Ruhen eines Elektroantriebes.

- Erhöhung der Bußgelder für einen Verstoß gegen § 23 StVO

Auch die einschlägigen Bußgelder werden erhöht und zudem neue Bußgeldtatbestände eingefügt: Nr. 246: Elektronisches Gerät rechtswidrig benutzt

Nr. 246.1: beim Führen eines Fahrzeugs = 100 Euro, ein Punkt

Nr. 246.2: mit Gefährdung = 150 Euro, zwei Punkte, ein Monat Fahrverbot

Nr. 246.3: mit Sachbeschädigung = 200 Euro, zwei Punkte, ein Monat Fahrverbot

Nr. 246.4: beim Radfahren = 55 Euro

- Erhöhung der Bußgelder für Verstoß gegen § 11 Abs. 2 StVO (Rettungsgasse)

Als Nächstes wird das Nichtbilden und Offenhalten einer Rettungsgasse beziehungsweise der Verstoß gegen § 11 Abs. 2 StVO mit drastisch erhöhten Bußgeldern belegt.

Nr. 50: Bei stockendem Verkehr auf einer Autobahn oder Außerortsstraße für die Durchfahrt von Polizei- oder Hilfsfahrzeugen keine vorschriftsmäßige Gasse gebildet = 200 Euro, zwei Punkte

Nr. 50.1: mit Behinderung = 240 Euro, zwei Punkte, ein Monat Fahrverbot

Nr. 50.2: mit Gefährdung = 280 Euro, zwei Punkte, ein Monat Fahrverbot

Nr. 50.3: mit Sachbeschädigung = 320 Euro, zwei Punkte, ein Monat Fahrverbot

- Erhöhung der Bußgelder für Verstoß gegen § 38 Abs. 1 StVO (Schaffung freier Bahn für Einsatzfahrzeuge)

Begleitend zu den Erhöhungen bei einem Verstoß gegen die Bildung der Rettungsgasse werden auch die Bußgelder in diesem Bereich erheblich erhöht.

Nr. 135: Einem Einsatzfahrzeug, das blaues Blinklicht zusammen mit Einsatzhorn verwendet hatte, nicht sofort freie Bahn geschaffen = 240 Euro, zwei Punkte, ein Monat Fahrverbot

Nr. 135.1: mit Gefährdung= 280 Euro, zwei Punkte, ein Monat Fahrverbot

Nr. 135.2: mit Sachbeschädigung = 320 Euro, zwei Punkte, ein Monat Fahrverbot

Hier hat der Verordnungsgeber gleich zwei Fallkonstellationen sinnvollerweise miteinander verbunden. Die Rettungsgasse ist gemäß § 11 Absatz 2 StVO nur bei Stillstand oder Schrittgeschwindigkeit zu bilden. Als Schrittgeschwindigkeit werden zumeist Geschwindigkeiten bis zu sieben km/h angesehen. Die alleinige Verschärfung der Ahndung von Verstößen gegen die Bildung der Rettungsgasse hätte dazu geführt, dass Verkehrsteilnehmer, die Einsatzfahrzeuge blockieren, bei geringfügigem Überschreiten dieser Grenzgeschwindigkeit nur noch mit einer deutlich verringerten Ahndung zu rechnen hätten. Eine Angleichung wird darüber hinaus die Einsatzfahrzeuge, die blockierende Fahrzeuge melden oder verfolgen, davon entbinden, Feststellungen zur Geschwindigkeit zu machen. Beide Vorschriften erfüllen den gleichen Zweck, nämlich zu ermöglichen, dass Einsatzkräfte den Einsatzort schnell erreichen.

- Sonn- und Feiertagsfahrverbot

Hier wird durch eine längst überfällige Änderung des § 30 Abs. 3 StVO sowie der Ferienreiseverordnung klargestellt, dass durch diese Regelung nur Fahrten "zur geschäftsmäßigen oder entgeltlichen Beförderung von Gütern einschließlich damit verbundener Leerfahrten" umfasst sind. Der Begriff des gewerblichen Güterverkehrs orientiert sich dabei an der Definition des Güterkraftverkehrs ("geschäftsmäßige oder entgeltliche Beförderung von Gütern").

Dadurch wird insbesondere für private Gespanne nun endlich bundesweit Rechtsklarheit erreicht, wenn das Zugfahrzeug als Lkw anzusehen respektive zugelassen ist.

- Verhüllungsverbot für das Gesicht des Fahrers

Überraschend ist eine Änderung des § 21 Abs. 4 StVO, nach der Fahrzeugführer zukünftig ihr Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken dürfen, dass deren Erkennbarkeit nicht mehr möglich ist. Ausgenommen davon sind Motorradfahrer, die weiter Integralhelme nutzen können, um ihrer Verpflichtung nach § 21a Abs. 2 S. 1 StVO (Helmpflicht) nachzukommen.

Dieser Verstoß wird nach Nr. 247a mit 60 Euro (ohne Punkt) geahndet. Zur Begründung wird im Wesentlichen die Halterhaftung angeführt. In Deutschland gibt es keine Halterhaftung. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, dass jede Strafe Schuld voraussetzt. Mit der Strafe wird dem Täter ein Rechtsverstoß vorgehalten und zum Vorwurf gemacht. Ein solcher Vorwurf setzt aber Vorwerfbarkeit, das heißt die persönliche Schuld des Täters, voraus. Anderenfalls wäre die Strafe eine mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbare Vergeltung für einen Vorgang, den der Betroffene nicht zu verantworten hat. Die ausschließliche Verantwortlichkeit des Kraftfahrzeugführers bei einer automatisierten Verkehrsüberwachung nachzuweisen fällt aber immer dann schwer, wenn das Gesicht verdeckt oder verhüllt ist.

Zwar gebieten es die Helmpflicht und damit die Verkehrssicherheit und der Eigenschutz von Kraftradfahrern, dass diese ihren Kopf mit einem geeigneten Helm (meist Integralhelm mitsamt dem darunter befindlichen Kälteschutz) schützen, im Kraftfahrzeug besteht dieses Schutzbedürfnis aber nicht im vergleichbaren Sinne. Die Länder tragen dem Schutzbedürfnis der Kraftradfahrer einerseits und dem Kontrollbedürfnis des Staates andererseits dadurch Rechnung, dass sie vermehrt Anhaltekontrollen bei den Krafträdern durchführen, insbesondere an den örtlich bekannten Unfallschwerpunkten.

Zur Gewährleistung einer effektiven Verkehrsüberwachung, die mehr und mehr automatisiert durchgeführt wird, ist es im Übrigen geboten, für die Person, die das Kraftfahrzeug führt, ein Verbot auszusprechen, das die Feststellbarkeit der Identität von vornherein gewährleistet. Ein Verstoß gegen die Vorschrift wird vorsätzlich begangen - es ist daher geboten, eine angemessene Sanktion für die Zuwiderhandlung vorzusehen.

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