Lückenlose Radwegenetze und mehr Verkehrssicherheit – das wünschen sich viele Bürger, die im Alltag Fahrrad fahren. Zumindest ist es das, was sie mehrheitlich an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) herangetragen haben. Für die Strategie, die das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedete, hat das Ministerium erstmals mehr als 2.000 Ideen aus der Bevölkerung gesammelt.
Herausgekommen ist der Nationale Radverkehrsplan 3.0, kurz NRVP. Er soll Deutschland zum "Fahrradland" machen und dafür sorgen, dass Fahrräder und Autos künftig gleichberechtigt nebeneinander existieren. Es gehe jetzt darum, "aufzusteigen und loszufahren", erklärte Scheuer.
Der Plan enthalte Strategien und Handlungsempfehlungen, die der immer größer werdenden Nachfrage nach Fahrrädern in Deutschland gerecht werden sollen. Dazu gehören ein Ausbau von Fahrradparkplätzen, Radschnellwegen und überhaupt Radwegen sowie Maßnahmen für mehr Verkehrssicherheit, etwa über mehr geschützte Fahrstreifen.
Die Rahmenbedingungen sollen sich dem Plan zufolge so ändern, dass die Bürger in Deutschland bis 2030 anstelle von durchschnittlich 120 Wegen gut 180 Wege pro Jahr mit dem Rad zurücklegen. Das entspräche einem Anstieg von einer durchschnittlichen Weglänge von sechs Kilometern (statt bislang 3,7 Kilometern).
Positive Folgen für das Klima
Der Plan benennt auch explizit die positiven Folgen für das Klima: Die angestrebte Erhöhung der Wegezahl und -länge mit dem Rad könne zu einer Einsparung von drei bis vier Millionen Tonnen CO2 pro Jahr gegenüber 2017 führen, heißt es in dem 70-seitigen Dokument.
Der Ausbau von Infrastruktur soll auch dazu führen, dass Radfahren sicherer wird: Gegenüber 2019 soll die Zahl der im Verkehr getöteten Radfahrer bis Ende des Jahrzehnts um 40 Prozent sinken. Laut Ministerium wurden 2019 auf Deutschlands Straßen rund 87.000 Radfahrer verletzt, 445 wurden getötet.
In diesem Zusammenhang verwies der Bundesverkehrsminister auch auf die vor wenigen Tagen erzielte Einigung bei der Änderung der Straßenverkehrsordnung. Auch sie führe zu mehr Sicherheit, meinte Scheuer. Die Verkehrsminister von Bund und Ländern hatten sich am Freitag unter anderem auf höhere Bußgelder für zugeparkte Rad- und Gehwege verständigt (wir berichteten).
1,46 Milliarden Euro für den Radverkehr
Daneben investiere der Bund bis 2023 etwa 1,46 Milliarden Euro in den Radverkehr, erklärte Scheuer. Die finanzielle Förderung des Radverkehrs durch Bund, Länder und Kommunen solle sich perspektivisch an rund 30 Euro je Person und Jahr orientieren, heißt es im Plan. Das entspräche einer Verdoppelung gegenüber dem Jahr 2020.
Die geplanten Investitionen würden auch dem allgemeinen Interesse am Fahrrad gerecht, das in der Corona-Pandemie "sprunghaft angestiegen" sei, sagte Scheuer. Nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums wurden im vergangenen Jahr fünf Millionen Fahrräder verkauft, zwei Millionen davon seien Elektroräder gewesen.
Zustimmung zum neuen Strategieplan kam am Mittwoch aus dem Südwesten. "Baden-Württemberg wird die Impulse des neuen NRVP aktiv aufgreifen", sagte etwa der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann. Auch Bundesverkehrsminister Scheuer machte deutlich: Ohne Länder und Kommunen könne es keine Umsetzung geben. Radverkehrsplanung liege nicht in der Kompetenz des Bundes.
"Gelungenes Leitbild"
Der Fahrradclub ADFC würdigte die Pläne als "gelungenes Leitbild des Bundes für die Radverkehrsförderung der nächsten zehn Jahre". Kritisch merkte der ADFC aber an, dass die Ziele bis 2020 nicht erreicht worden seien, weil Bekenntnissen zu spät Taten gefolgt seien. Die Menschen nutzten nach ADFC-Angaben im Jahr 2020 das Fahrrad für elf Prozent ihrer Wege. Mit dem letzten Nationalen Radverkehrsplan (NRVP 2020) hätte die Bundesregierung aber etwa 15 Prozent Radverkehrsanteil angestrebt, kritisierte der Verband.
"Vom Fahrradland Deutschland sind wir Stand heute noch Lichtjahre entfernt. Die Menschen fühlen sich beim Radfahren nicht sicher", sagte die stellvertretende ADFC-Bundesvorsitzende Rebecca Peters. Die kommende Bundesregierung müsse gleich zu Beginn der neuen Legislaturperiode einen "Aktionsplan Fahrradland" auflegen. Immerhin sei es "eine kleine Revolution", dass sich das Bundesverkehrsministerium dazu bekannt habe, den Verkehr vom Auto auf das Fahrrad zu verlagern. Scheuer beschreibt die Entwicklung als "Miteinander statt Gegeneinander".
Was dieses neue Miteinander im Detail bedeutet, will das Ministerium am 27. und 28. April noch einmal näher erläutern. Dann soll der neue Plan auf dem Nationalen Radverkehrskongress präsentiert werden. (dpa)