_ Firmenwagennutzer trifft bei einem Unfall nicht selten ein Mitverschulden. Hieraus resultieren komplexe Anspruchskonstellationen, deren Kenntnis für die Schadenregulierung von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sein kann.
Aufmerksamkeit sollte dabei dem sogenannten Quotenvorrecht gewidmet werden. Hiernach gilt grundsätzlich: Wenn Fahrern ein Mitverschulden am Unfall zuzurechnen ist und das Unternehmen eine Vollkasko-(VK-) Versicherung abgeschlossen hat, ist es empfehlenswert, sowohl die VK-Versicherung in Anspruch zu nehmen als auch Schadensersatzansprüche bei der Kraftfahrthaftpflicht-(KH-)Versicherung des Gegners geltend zu machen. Denn hierdurch kann unter Berücksichtigung des Quoten-vorrechts trotz einer Mithaftungsquote eine nahezu vollständige Schadenregulierung erreicht werden.
Wird der Schadenfall dagegen nur bei der VK eingereicht beziehungsweise nur quotenmäßig von der KH reguliert und das Quotenvorrecht nicht berücksichtigt, entstehen Nachteile bei der Gesamtregulierung.
Hintergrund: Sobald der Geschädigte seine VK in Anspruch nimmt, gehen insoweit seine Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger auf die VK über. Dieser Forderungsübergang darf sich jedoch nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auswirken. Der Geschädigte kann daher seinen eigentlich durch die VK schon kompensierten Schaden auch weiterhin gegenüber dem Schädiger geltend machen. Dies gilt aber nur für die kongruenten Schadenpositionen, also jene Schadenpositionen, die unmittelbar die Substanz des betroffenen Fahrzeugs berühren. Diesbezüglich bleibt der Geschädigte noch Inhaber von Haftpflichtansprüchen und kann nun die von der VK nicht regulierten Schadenpositionen in voller Höhe gegenüber der KH-Versicherung des Schädigers geltend machen. Obergrenze ist der Betrag, der dem Geschädigten, gemessen an der Haftungsquote, ohne Inanspruchnahme der VK zustehen würde (siehe "Quotenvorrechte - Praxisbeispiel").
Kongruenter Fahrzeugschaden
Zum kongruenten Fahrzeugschaden gehören der Fahrzeugschaden, die Abschleppkosten, die Sachverständigen-kosten und der merkantile Minderwert. Dagegen sind die Mietwagenkosten, die Nutzungsausfallentschädigung, Auslagenpauschale, der Kasko-Rückstufungsschaden und sonstige Ansprüche aus Anlass des Verkehrsunfalls - insbesondere Schmerzensgeld und Verdienstausfall - keine kongruenten Schadenpositionen.
Gegnerischer KH-Versicherer in der Pflicht
Da der Geschädigte den verbleibenden, von der VK nicht gedeckten kongruenten Schaden beim gegnerischen KH-Versicherer geltend machen kann, bedeutet dies für ihn, dass die kongruenten Schäden trotz Haftungsquote von 50 Prozent vom KH-Versicherer voll zu regulieren sind. Und Leistungen der VK sind dabei nicht zu berücksichtigen. Hier zeigen sich die Auswirkungen der Anwendung des Quotenvorrechtes deutlich: Der Geschädigte erhält die kongruenten Schadenpositionen im Ergebnis voll ersetzt, obwohl sie in der VK nicht versichert sind und die KH des Unfallgegners nur zu 50 Prozent haftet.
Tom PetrickPartner der Kanzlei F.E.L.S Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater in Bayreuth und Nürnberg. Er berät Flottenbetreiber in allen Fragen des Fuhrparkrechts
Quotenvorrechte
Praxisbeispiel
Auch wenn dem Unfallbeteiligten eine Mithaftung trifft, kann er beim gegnerischen Haftpflichtversicherer nach Abrechnung mit der eigenen Kaskoversicherung bestimmte Schadenpositionen nach den Regelungen des Quotenvorrechtes geltend machen, sodass er unter Umständen günstiger gestellt ist.Ein Beispiel:Reparaturkosten 8.000,00 Euromerkantiler Minderwert 500,00 EuroNutzungsentschädigung 300,00 EuroSachverständigenkosten 500,00 EuroAbschleppkosten 200,00 EuroRückstufungsschaden 350,00 EuroKostenpauschale 30,0 EuroGesamtschaden 9.880,00 EuroBei Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung leistet diese:Reparaturkosten 8.000,00 Euroabzgl. Selbstbeteiligung - 300,00 EuroDifferenz 7.700,00 EuroEs verbliebe ein nicht regulierter Schaden von 9.880 Euro - 7.700 Euro = 2.180 Euro.An dieser Stelle wäre es natürlich unvorteilhaft, lediglich 50 Prozent der Schadenpositionen gegenüber dem Haftpflichtversicherer zu beziffern und die Kaskoversicherung außen vor zu lassen. Denn der Geschädigte erhielte von dieser nur 9.880 Euro x 50 Prozent (Haftungsquote) = 4.940 Euro.Ohne Berücksichtigung des Quotenvorrechts erhielte der Geschädigte bei Abrechnung mit beiden Versicherern 7.700 Euro (Kasko) und 1.090 Euro (Haftpflicht, 50 Prozent von 2.180 Euro). Es verbliebe ein nicht gedeckter Schaden von 9.880 Euro - 7.700 Euro - 1.090 Euro = 1.090 EuroNach Quotenvorrecht ergibt sich folgende Abrechnung:Kongruenter Fahrzeugschaden (quotenbevorrechtigt)Reparaturkosten 8.000,00 Euromerkantiler Minderwert 500,00 EuroSachverständigenkosten 500,00 EuroAbschleppkosten 200,00 Eurokongruenter Gesamtschaden 9.200,00 EuroHiervon zahlt der Kaskoversicherer 7.700 Euro (siehe oben). Den von der Kaskoversicherung nicht gedeckten verbleibenden kongruenten Schaden (9.200 Euro - 7.700 Euro = 1.500 Euro) kann der Geschädigte vom Haftpflichtversicherer in voller Höhe ersetzt verlangen. Die Kappungsgrenze (4.940 Euro) ist nicht erreicht. Die inkongruenten Schadenspositionen ersetzt der Haftpflichtversicherer in Höhe der Haftungsquote (50 Prozent) und zahlt also weitere 340 Euro. Bei Abrechnung mit beiden Versicherern unter Berücksichtigung des Quotenvorrechts erhält der Geschädigte trotz Haftungsquote von 50 Prozent auf seinen Gesamtschaden von 9.880 Euro daher insgesamt 9.540 Euro erstattet.Quelle: RA Petrick, Kanzlei Fels
- Ausgabe 10/2015 Seite 83 (91.2 KB, PDF)