_ In einem Gerichtsverfahren wegen eines Verkehrsunfalls hat erstmals ein Oberlandesgericht in einer mündlichen Verhandlung Bilder einer auf dem Armaturenbrett angebrachten und das Verkehrsgeschehen ununterbrochen aufzeichnenden Videokamera (Dashcam) als Beweismittel zur Aufklärung des Unfallgeschehens zugelassen (OLG Stuttgart, Hinweisbeschluss vom 17.7.2017, Aktenzeichen 10 U 41/17).
Die Vorinstanz hatte diese Bilder nicht zugelassen und die Klage abgewiesen, da anlasslose Dashcam-Aufnahmen gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht verstießen und daher einem Verwertungsverbot unterlägen. Dank der Aufnahmen kam der Geschädigte schließlich doch noch zu seinem Recht und hat einen gerichtlichen Vergleich abgeschlossen.
Die Verwertbarkeit von Dashcams in Zivilverfahren ist aufgrund des Datenschutzes vehement umstritten. Der Arbeitskreis VI. des 54. Verkehrsgerichtstages in Goslar im vergangenen Jahr hatte einen vermittelnden Ansatz. Er empfahl, dass weder ein generelles Verbot noch eine generelle Zulassung ein sachgerechter Ausgleich zwischen Beweisinteresse und Persönlichkeitsrecht sei. Vielmehr müsse man auf den Einzelfall abstellen und die Aufzeichnungen dann zulassen, wenn sie anlassbezogen (Unfall) erfolgten und bei ausbleibendem Anlass kurzfristig überschrieben würden. Auf dieser Linie sind einige Gerichte, wie diese Beispiele zeigen:
Entscheidungen pro Dashcam
Das Landgericht Frankenthal ist in einer umfangreichen und lesenswerten Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verwendungszweck der durch die Dashcam gemachten Aufnahmen in Gestalt der Sicherung von Beweismitteln im Falle möglicher Verkehrsunfälle hinreichend konkret ist. Auch sei kein milderes, gleich geeignetes Mittel ersichtlich, die Beweissicherung zu erzielen, sodass die Anfertigung der Aufnahme auch erforderlich sei (LG Frankenthal, Urteil vom 30.12.2015, Aktenzeichen 4 O 358/15).
Auch das Landgericht Landshut (Hinweis- und Beweisbeschluss vom 1.12.2015, Aktenzeichen 12 S 2603/15) stellte sich auf den Standpunkt, dass hinsichtlich der Videoaufnahmen kein Beweisverwertungsverbot bestehe. Zwar liege ein Verbot der Beweismittelverschaffung aufgrund eines Verstoßes gegen das Bundesdatenschutzrecht vor, dies könne jedoch automatisch dazu führen, dass das Gericht die durch das Video erlangten Kenntnisse nicht verwenden darf. Die Gefahr zunehmender Datenerhebung mag zwar bestehen, jedoch kann dieser Gefahr nach Ansicht der Kammer nicht dadurch begegnet werden, dass die Zivilgerichte so gewonnene Kenntnisse ohne Rücksicht auf den Einzelfall nicht zur Kenntnis nehmen.
Aus München gibt es mehrere Entscheidungen, die sich für oder gegen eine Verwertbarkeit aussprechen ( gegen eine Beweisverwertbarkeit: AG München Beschluss vom 13.8.2014, Aktenzeichen 345 C 5551/14; AG München Urteil vom 30.11.2015, Aktenzeichen 335 C 13895/15; für eine Beweisverwertung: AG München Urteil vom 6.6.2013, Aktenzeichen 343 C 4445/13).
Die Tendenz geht daher aktuell weiter in Richtung der Verwertbarkeit: Die Dashcam-Aufnahmen filmten grundsätzlich nur die Straße. Alle dabei aufgenommenen Personen befänden sich im öffentlichen Raum, sodass durch eine Aufnahme, wenn überhaupt, ein Eingriff in die Sozialsphäre, nicht aber in die Privat- oder Intimsphäre gegeben sei. Die Interessen eines Unfallgeschädigten bei der Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche seien daher höher zu bewerten.
Im Fuhrpark besser nicht verwenden
Unabhängig von der Tendenz, diese Aufnahmen aufgrund von Einzelabwägungen als Beweismittel in Zivilverfahren zuzulassen, birgt die Verwendung für Fuhrparkleiter auch Risiken, sodass unterm Strich darauf verzichtet werden sollte. In Verkehrsunfällen ist es daher umso wichtiger, dass die Dienstwagennutzer sämtliche Beweise vor Ort (wenn möglich) fotografisch dokumentieren und die Daten von eventuellen Zeugen aufnehmen.
- Ausgabe 11/2017 Seite 77 (105.9 KB, PDF)