Statistisch kollidiert auf deutschen Straßen etwa alle zwei Minuten ein Wildtier mit einem Fahrzeug; die Zahl der Wildunfälle steigt. Jüngst meldete der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) für 2019 einen Rekordstand von rund 295.000 Schäden mit Wildtierbeteiligung, zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor. Für die Schäden am Auto zahlten die Kaskoversicherungen 885 Millionen Euro. Rund 2.500 Wildunfälle bei denen eine Person verletzt oder getötet wurde, gab es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im vergangenen Jahr.
Dem Deutschen Jagdverband (DJV) wurden in der Saison 2018/19 rund 235.000 Wildunfälle gemeldet, er schätzt die Dunkelziffer aber etwa fünfmal so hoch ein. Für dieses Jahr geht der Jagdverband von einem erneuten Anstieg aus. Auch, weil Jäger bundesweit im Frühjahr mehr Wildunfälle beobachtet haben: "Es war offensichtlich so, dass durch den Lockdown viel mehr Menschen als sonst in ihrem heimischen Wald unterwegs waren", erklärt Torsten Reinwald vom DJV. "So war viel mehr Unruhe im Wald als sonst. Dadurch wurden die Tiere mehr beunruhigt und aufgescheucht."
Unabhängig davon rechnen die Jäger in den kommenden Jahren mit einem fortgesetzten Anstieg der Wildunfallzahlen, sofern die Verkehrsleistung weiter zunimmt. Besonders unfallträchtig sind die Wochen im Oktober und November. Pendler sind nach der Umstellung auf Winterzeit wieder verstärkt in der Dämmerung unterwegs, gerade in der Zeit, in der viele Wildtiere auf Futtersuche sind. Die Verkehrswege zerschneiden ihren Lebensraum: "Häufig verläuft die Straße zwischen dem Schlafzimmer der Tiere, also dem Wald, und dem Esszimmer, also der Wiese oder dem Acker", erklärt Reinwald. "Die Tiere sind gezwungen, hin und her zu laufen."
Konfliktstellen lassen sich entschärfen
Weil Deutschland dicht besiedelt ist, lässt sich das kaum vermeiden; Konfliktstellen im Straßennetz lassen sich aber entschärfen. Grünbrücken bieten beispielsweise Querungshilfe und verbinden Lebensräume miteinander. Eine preiswertere Möglichkeit zur Vermeidung von Wildunfällen: An den Straßenrand nichts pflanzen, was dem Wild gut schmeckt. "Mit Hartriegel oder Heckenrose schafft man Magneten für Wildtiere und provoziert Wildunfälle", ärgert sich Reinwald über die Kurzsichtigkeit mancher Straßenplaner.
Weil Wildunfälle derzeit nicht einheitlich erfasst werden, ist es für Wissenschaftler immer noch schwierig, Ursachenforschung zu betreiben, um Unfallschwerpunkte zu vermeiden. Seit 2016 gibt es deshalb das bundesweite Tierfund-Kataster (tierfund-kataster.de); über App oder Internetseite kann jeder Wildunfälle eintragen, die Daten werden von Wissenschaftlern der Uni Kiel ausgewertet.
Nicht zuletzt ist aber auch der Autofahrer gefragt: Wer in der Dämmerung durch Wald- und Feldgebiete fährt, muss damit rechnen Wildtieren zu begegnen. Stehen Tiere am Straßenrand, schaltet man das Fernlicht aus, hupt und bremst. Taucht ein einzelnes Reh oder Wildschwein auf, muss man mit weiteren Artgenossen rechnen. Ist ein Crash unvermeidbar, gilt: Lenkrad festhalten, bremsen und nicht ausweichen. (SP-X)