Herr Villinger, wie fühlt es sich in solch turbulenten Zeiten an der Spitze von Volkswagen Leasing an?
Armin Villinger: 2020 war natürlich ein schwieriges Jahr. Wenngleich wir trotz der Umstände von einem erfolgreichen Jahr für die Volkswagen Leasing ausgehen können. Der Trend zum Leasing hält an. So haben wir unseren Vertragsbestand (gesamt) von 2018 auf 2019 deutlich steigern können und sind auch 2020 auf Kurs geblieben. Das Wachstum, was wir hier sehen, resultiert maßgeblich aus der Neuwagenecke, von Groß- und vor allem auch Einzelkunden. Gerade bei klassischen Privatkunden ist eine Verschiebung von der Finanzierung in Richtung Leasing klar erkennbar. Auch wenn in diesem besonderen Jahr 2020 die Neuwagenzugänge verständlicherweise hinter den Planungen lagen, werden wir bei einer Leasingpenetrationsrate von mehr als 50 Prozent ein Bestandswachstum im Vergleich zum Vorjahr haben.
Ist das bei den großen und bei den kleineren Kunden gleichermaßen?
A. Villinger: In den großen Fuhrparks ist ein ganzheitlicher Blick gefragt. Wir professionalisieren und forcieren dafür das Multibrandgeschäft. Und wir werden in den kommenden Jahren zusätzlich deutlicher auf die kleineren Unternehmen schauen. Das wird ein wichtiges Thema 2021.
Covid-19 hat alle durchgerüttelt. Können Sie mittlerweile wieder planen?
A. Villinger: Wir haben gemeinsam mit den Marken im April die richtigen Maßnahmen gestartet, um das Geschäft wirklich zu beleben. Und wenn ich mir dann anschaue, wie die Quartale zwei und drei liefen, sind wir da wirklich gut rausgekommen. Eins ist aber vollkommen klar: 2021 geht es vor allem um die Erholung von der Covid-19-Pandemie. Eine Prognose, wie sich Märkte und Kundengruppen entwickeln werden, ist schwierig. Fakt ist, und das möchte ich betonen: Am grundsätzlichen Geschäftsmodell wird sich nichts ändern – dazu zählen das Leasing und Full-Service-Leasing mit all den bekannten Dienstleistungen.
Und was sind die Themen, die sich Volkswagen Leasing für 2021 auf die Fahnen geschrieben hat?
A. Villinger: Wie angedeutet, werden wir auf das Thema Multibrand setzen, um das Portfolio abzurunden. Außerdem werden wir uns ganz maßgeblich auf die Elektromobilität fokussieren. Unsere Konzernstrategie "Together 2025+" ist da ein integraler Bestandteil. Wir wollen vom Kunden ausgehend die Elektro-Mobilität voranbringen. Ein weiteres Thema, mit dem ich mich mit meinem Team sicher auseinandersetzen werde, ist die Integration von Tankkarten-Business und Travelmanagement. Abgesehen davon ist es verständlicherweise auch weiterhin unser tradiertes Geschäft.
Wie stellen Sie sicher, dass Großkundenberater beim Thema E-Mobilität guten Service leisten? Wir haben selbst das Prozedere von Fahrzeugbestellung, Auslieferung, Wallboxsuche und -installation sowie das Ladekarten-Chaos durchlebt. Schön ist anders.
A. Villinger: Es gibt extremen Beratungsbedarf zum Thema E-Mobilität. De facto ist es so, dass der Fuhrparkmanager in den letzten 30 Jahren sich vor allem die Frage stellen musste: Diesel oder Benziner? Und es gab recht klare Lösungen: Benzin für Wenigfahrer, Diesel für die mit vielen Kilometern im Jahr. Jetzt bekommen Fuhrparkverantwortliche eine komplett neue Rolle. Eine Rolle, in der sie plötzlich Fahrprofile beurteilen müssen; sie müssen sich mit dem Thema Ladeinfrastruktur und Lademöglichkeiten am Standort etc. auseinandersetzen. Deswegen haben wir schon vor Jahren festgestellt, dass die Fuhrparkberatung als Schlüssel für den Markthochlauf der Elektromobilität eine besondere Bedeutung hat. Und zwar auf zwei Ebenen: Einerseits auf der Außendienstebene und logischerweise müssen wir auch in den Handel gehen und dort schulen.
Was heißt dies konkret beim Thema Ladeinfrastruktur?
A. Villinger: Das Gebilde aus TCO, Nutzungsprofilen und Lademöglichkeiten @work, @home und @public sowie dem „Förder-Dschungel“ ist extrem komplex. Deswegen haben wir unsere 40 Außendienstler exakt in diesen Bereichen geschult. Dadurch sind diese in der Lage, in den sogenannten Teasermeetings beim Kunden die Erstberatung rund um Elektromobilität durchzuführen und im zweiten Schritt die Spezialisten unserer Konzernpartner, zum Beispiel ELLI (Anmerkung der Redaktion: Volkswagens Ladeinfrastrukturanbieter) oder spezialisierte E-Mobilitätsberater der Marke Volkswagen Pkw, für die detaillierte Ausplanung hinzuzuziehen. Um es kurz zu machen: Weg vom reinen Key-Accounter hin zum Mobilitätsberater – insbesondere beim Thema Elektromobilität.
Und wenn der Gewerbekunde direkt in den Handel geht? Da sitzt keiner aus Ihrer Organisation, sondern der Verkäufer, der bei den Themen oftmals überfordert ist.
A. Villinger: Das ist ein guter Punkt. Noch zu meiner Zeit bei der Group Fleet International haben wir die Schulung der Großkundenberater im Handel im Rahmen des Programms E4Fleet angeschoben. Darin enthalten sind Elemente, die auch die Amortisation und die diversen Fördermöglichkeiten berücksichtigen. Hier sind wir mit Sicherheit noch nicht am Ende, denn es ist ein revolvierender Prozess. Wir haben auch die Kolleginnen und Kollegen in der Group Fleet International über die Konzernkollegen intensiv geschult und die Beraterinnen und Berater im Handel zu Fuhrparkberatern ausgebildet. Ganz wichtig ist an der Stelle: Wir können hier im Schulterschluss mit Marke, Volkswagen Financial Services, ELLI etc. ein intensives Schulungspaket anbieten. Die Schulungen werden optimiert und forciert und da werden wir nicht lockerlassen. Denn den Fuhrparkmanagern muss die Angst vor der E-Mobilität genommen werden. Und das geht mit Aufklärungsarbeit.
Weil immer mehr Fuhrparks elektrifizieren wollen und teils müssen?
A. Villinger: Wenn ich heute mit Fuhrparkverantwortlichen spreche, ist E-Mobilität das Topthema 2021. In jedem dritten Unternehmen steht laut einer Dataforce-Auswertung in den nächsten drei Jahren der Tausch von etwa 20 Prozent der Verbrenner gegen Elektrofahrzeuge an. Ich bin der Überzeugung, dass Fuhrparks der Treiber der E-Mobilität sind und weiterhin sein werden. Und dazu ist es zwingend notwendig, Support zu bieten. Mit dem, was wir machen und noch im Vorlauf haben, sind wir sehr gut gerüstet, um Handel und Kunden mitzunehmen.
VW ID.4 (2021)
BildergalerieDamit ist offensichtlich, dass Sie die größten Wachstumschancen in der Elektromobilität sehen?
A. Villinger: Ja, machen wir uns nichts vor. Genauso wie der Volkswagen Konzern ein klares Bekenntnis zum Pariser Klimaabkommen abgegeben hat und bis 2050 CO2-neutral sein will, machen das unsere Großkunden und haben die CO2-Reduktion oben auf der Agenda. Genau das wird den Umstieg in die E-Mobilität entsprechend beschleunigen. Aber das wird ein Prozess sein und nicht von heute auf morgen passieren.
Wäre es in diesem Prozess nicht sinnvoll, viele Dinge online, also digital, abzuwickeln? Bei Ihrem Tochterunternehmen heycar ist es derzeit nicht möglich, einen gebrauchten ID.3 online zu erwerben. Das sollte aber doch gerade bei diesem Modell möglich sein.
A. Villinger: Grundsätzlich ist schon heute auf heycar der Online-Kauf von ausgewählten Fahrzeugen möglich. Das werden wir aber mit Sicherheit in den kommenden Monaten noch ausbauen. Im Endeffekt gehen wir zukünftig von einem so genannten Omni-Channel-Vertrieb aus: Der Kunde kann entscheiden wie und wo er on- und offline mit uns beziehungsweise dem Händlerpartner interagieren möchte. Weg von der händischen Unterschrift hin zur qualifizierten elektronischen Signatur. Ein Riesenthema. Ein wichtiger Bestandteil ist, dass wir über unsere Handelsorganisation zusätzlich digitale Vertriebskanäle aufbauen, um neue Kunden zu gewinnen.
Kommen wir vom Bekannten zum Neuen. VW Leasing bietet nun auch Fahrräder an. Was steckt dahinter?
A. Villinger: Konkret bieten wir unseren Kunden das Bike-Leasing als Brutto-Gehaltsumwandlungsmodell an. Das ist eine tolle Ergänzung zu unserem klassischen Geschäft. Denn das Bike-Business boomt – gerade in der Corona-Zeit, aber auch bereits davor. Und unsere Kunden fragen schon lange nach diesem Modell bei uns nach. Bei vielen Fahrprofilen im urbanen Bereich macht das auch absolut Sinn – auch zur Mitarbeitermotivation. Wir tun dies mit fest im Fahrradgeschäft verwurzelten Partnern, die starke Marktplayer sind. Das ist als Ergänzungsmobilität ganz wichtig.
Das bedeutet, dass das Fahrradleasing gut anläuft?
A. Villinger: Wir sind ja gerade erst gestartet und beginnen nun aktiv mit dem Vertrieb. Für aktuelle Zahlen ist es deswegen noch zu früh. Wir sehen hier aber ein sehr großes Potenzial bei unserem Kundenstamm. Was ich besonders interessant finde, ist, dass man beim Bike-Leasing bis zu 40 Prozent der Anschaffungskosten sparen kann und sich gleichzeitig noch fit hält. Wir bieten das Modell für Fahrräder ab 499 Euro an. Insgesamt stehen rund 2.500 Fahrradhändler in Deutschland zur Verfügung, wo sich Kunden ihr Fahrrad aussuchen, konfigurieren und abholen können. Wichtig ist immer, dass das Unternehmen des interessierten Mitarbeiters auch einen entsprechenden Vertrag geschlossen hat.
Das ist jedoch vom Travelmanagement getrennt, oder?
A. Villinger: Genau. Für das Thema Travelmanagement haben wir das Start-up Voya übernommen. In Zukunft wird die Bedeutung des Dienstwagens für die Mobilität zwar nicht abnehmen und weiterhin wichtiger Bestandteil bleiben. Nicht zuletzt weil er für viele Unternehmen ein Arbeitsmittel ist. Aber es wird einen Mobilitäts-Mix geben. Eine Mobilitätsform kann das eben erwähnte Bike-Leasing sein. Je nach persönlicher Situation werden Mobilitätsberechtigte verschiedene Arten der Fortbewegung bevorzugen. Wer auf dem Land im Außendienst tätig ist, wird nicht vom Dienstwagen abweichen. Junge IT-Mitarbeiter in Berlin ohne Familie wollen und brauchen oft etwas anderes. Und seit Jahren diskutieren wir, dass Travel- und Fleetmanagement zusammenwachsen. Deshalb haben wir uns auch dazu entschieden, mit Voya einen Plattformanbieter für Dienstreisen als Ergänzung mit ins Portfolio zu holen. So können wir unsere Kunden beim digitalen Travelmanagement unterstützen und der User Chooser kann Hotel, Bahn, Flüge etc. schnell per App buchen und bequem abrechnen.
Ist Deutschland hierbei Ihr Leitmarkt? Es gibt häufig steuerrechtliche Hürden, die es anderswo, zum Beispiel in den Niederlanden, nicht gibt.
A. Villinger: Wir starten mit dem deutschen Markt in der Gesamtsystematik, schließen aber eine Ausweitung auf andere Länder definitiv nicht aus. Deutschland bietet sich hier als extrem weit entwickelter Flottenmarkt einfach an.
Wenn Sie sagen starten. Wann geht es richtig los?
A. Villinger: Das Produkt selber ist fertig. Wir beziehungsweise Voya starten aktuell mit dem Vertrieb und sind derzeit in der Kundenakquise.
Im Hochlauf befinden sich auch die Auto-Abos. Wie sieht es hier bei VWFS aus?
A. Villinger: Auch wir bieten seit September 2020 ein Auto-Abo an. Die Fahrzeuge sind aktuell aus dem Volkswagen-Konzern. Insgesamt sind es acht Fahrzeug-Kategorien. Sogar der ID.3 wurde erst jüngst mit dazugenommen. Alles sind in erster Linie topgepflegte Gebrauchte mit einem Alter von maximal drei Jahren – in der Realität aber deutlich jünger. Dieses Angebot richtet sich im ersten Schritt jedoch ausschließlich an Privatkunden. Für den Flottenbereich bieten wir seit Jahren die zeitlich flexibel buchbare Langzeitmiete über Euro-Leasing an, eine 100-Prozent-Tochter der Volkswagen Financial Services AG. Wir beobachten hier den Markt sehr genau. Wenn wir Weiterentwicklungen auf dem Abo-Markt sehen, reagieren wir dementsprechend.
Eine letzte Frage: Wie hoch ist der Anteil der elektrifizierten Fahrzeuge im Flottenbereich des Konzerns?
A. Villinger: Wenn Sie sich die letzten Monatsstatistiken bei den Zulassungen anschauen, sehen Sie, dass der Gesamtmarkt erfreuliche Zuwächse verzeichnet. Die gesamte Automobilindustrie ist hierbei im Markthochlauf. Beim Leasing haben wir aber den sogenannten Portfolio-Effekt. Das bedeutet, dass wir bei einer durchschnittlichen Haltezeit von drei Jahren noch eine ganze Zeit brauchen, bis wir einen wirklich signifikanten Anteil der Elektro-Fahrzeuge im Portfolio sehen. Aber die Zuwächse werden dennoch extrem stark sein.
Herzlichen Dank, Herr Villinger, für das Video-Gespräch.