Von Benjamin Bessinger/SP-X
Daran lässt Mark Gayton keinen Zweifel: "Ayrton Senna war einer der besten Fahrer, die je in einem Formel1-Cockpit gesessen haben." Und in gewisser Weise sind der Engländer und der Brasilianer sogar Kollegen. Denn Gayton verantwortet bei Sennas ehemaligem Arbeitgeber McLaren die Entwicklung der sogenannten Ultimate Series. Die schreibt der Ingenieur gerade mit einen neuen Supersportwagen fort, der zu Ehren des dreimaligen Formel1-Weltmeisteres dessen Namen trägt. "Das war für mich Auszeichnung und Ansporn zugleich", sagt der Ingenieur: "Denn leichtfertig sollte man mit so einer Legende nicht umgehen."
Die Sorgen muss sich Gayton nicht machen. Wenn das in 300 Stunden Handarbeit montierte Karbon-Coupé nach den Sommerferien von der Leine gelassen wird, dann startet der vielleicht schärfste Rennwagen, der je eine Straßenzulassung bekommen hat. Schon das Design der 4,74 Meter langen Flunder mit dem riesigen, rasend schnell verstellbaren Heckflügel, den im Dach angeschlagenen Türen, den rasiermesserscharfen Splittern und der wütenden Front erinnert eher an einen Starfighter als an einen Sportwagen. Der 4,0 Liter große V8-Motor qualifiziert den McLaren mit 800 PS und 800 Nm für die Führungsgruppe. Und sobald man aus der Boxengasse auf die Strecke geschwenkt hat, sichert sich der Senna die Pole Position.
In 2,8 Sekunden von Null auf 100 km/h
Denn so explosiv, direkt und unmittelbar fährt selbst in dieser Liga kein anderer Sportwagen. Und das gilt nicht nur für die Beschleunigung, die mit einem Sprintwert von 2,8 Sekunden von Null auf 100 km/h erahnen lässt, wie sich ein Kampfpilot beim Katapultstart fühlt. Und die 340 km/h Spitze braucht man ohnehin nur am Stammtisch oder wenn man alleine auf einer nächtlichen Autobahn unterwegs ist. Sondern das gilt auch für Lenkung und Bremsen: Nur ein paar Millimeter am Volant und es reißt den McLaren förmlich herum und wenn man mit voller Kraft in die Eisen steigt, dann fühlt es sich an, als knalle man gegen eine Crashtest-Barriere: Festgezurrt im Sechspunkt-Gurt drückt es einem auch noch das letzte Quäntchen Luft aus der Lunge, die Augäpfel springen förmlich aus den Höhlen und die Tränenflüssigkeit klatscht von innen an die Frontscheibe, so endgültig ist die Verzögerung. Und so ernüchternd ist in der Regel das das Ergebnis: Wo man bei anderen Sportwagen gerne mal zu spät bremst und zu schnell ist, wird man im Senna feststellen, sobald man seine Sinne wieder beisammen hat, dass man locker noch ein paar Meter weiter hätte fahren können und muss schon vor der Kurve nochmal aufs Gas. Aber es gibt schließlich schlimmere Strafen als einen Kickdown mit 800 PS.
Es ist aber nicht nur der Reiz des Rasens, der den Senna ausmacht, sondern auch der Rausch der Sinne. Wo andere Supersportwagen in ihrer Perfektion oft unterkühlt sind, distanziert und bisweilen sogar virtuell, kann man den Senna mit allen Sinnen erfahren. Lärm und Vibrationen des Motors sind nicht gedämmt, sondern werden sogar verstärkt, damit der Fahrer sein Auto besser spüren kann. Das Fahrwerk bietet für eine möglichst direkte Rückmeldung kaum mehr als eine Illusion von Federungskomfort und selbst fürs Auge hat der Senna mehr zu bieten als andere Sportwagen, weil es zur ohnehin schon extrem weiten Windschutzscheibe auch noch zwei Gucklöcher in der unteren Hälfte der Türen gibt, durch die man perfekt den Scheitelpunkt einer Kurve anpeilen kann.
Wer das Potenzial des Senna auch nur halbwegs ausschöpfen will, der sollte allerdings nicht nur einen Hauch vom Talent des Taufpaten haben. Sondern auch ein Teil seines Vermögens würde nicht schaden. Denn McLaren lässt sich den Ausflug in die Formel1 teuer bezahlen und stellt für den Senna stolze 775.000 Euro ohne Mehrwertsteuer in Rechnung. Mittlerweile allerdings helfen einem selbst Geld und gute Worte nicht mehr weiter: Die 500 Exemplare der limitierten Kleinserie waren schon vor der Publikumspremiere auf dem Genfer Salon hoffnungslos überzeichnet. Und wer einmal im Senna gesessen hat, der will nie wieder aussteigen. Geschweige denn, das Auto verkaufen.