_ Da es sich bei Flottenfahrzeugen zumeist um recht neue Fahrzeuge handelt, fällt nach unfallbedingten Beschädigungen auch überwiegend ein merkantiler Minderwert an. Der Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers ist insoweit über die Schadensersatzpflicht zur Erstattung dieser merkantilen Wertminderung verpflichtet.
Es handelt sich hierbei nach aktueller höchstrichterlicher Definition um eine Minderung des Verkaufswertes, die trotz ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Verkehrsunfall beschädigten Fahrzeugs allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Käuferpublikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Fahrzeuge besteht. Oder kurz gesagt: Es ist der Unfall-Makel des Autos, der beim Verkauf zu einem Preisabschlag führen würde.
Nachweis und Erstattungspflicht
Der Schaden tritt dabei zum Zeitpunkt des Unfalles - nicht erst bei einem eventuellen späteren Verkauf - als unmittelbarer Sachschaden in Erscheinung und ergibt sich grundsätzlich aus dem durch den Fuhrpark eingeholten Sachverständigengutachten. Der Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers ist insoweit über die Schadensersatzpflicht zur Erstattung dieser merkantilen Wertminderung verpflichtet. Handelt es sich um ein Leasingfahrzeug, muss der Fuhrparkleiter zunächst anhand des Leasingvertrages klären, an wen diese Wertminderung durch den Versicherer zu erstatten ist.
Da in der reinen Theorie eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Berechnungsmethoden (Ruhkopf/Sahm, Halbgewachs, Hamburger Modell, Goslarer Modell, Marktrelevanz- und Faktorenmethode (MFM), Methode nach Heintgens etc.) existieren, kommt es zu teils sehr unterschiedlichen Beträgen. Ferner gibt es Programme, die nach Eingabe der Werte in eine Eingabemaske automatisiert Einzelberechnungen nach sämtlichen bekannten Methoden vornehmen und aus deren Ergebnissen das arithmetische Mittel bilden. Dies spiegelt jedoch nur eine mathematische Fiktion wider, nicht die reale Marktsituation.
Genau hierauf stellt die Realität aber ab, denn die Wertminderung ist gelebte Marktwirtschaft, für die individuelle Schätzung sind daher Spezialisten erforderlich. Was also tun, wenn kein Sachverständigengutachten eingeholt wurde?
Minderwertgutachten
Hier kommt das sogenannte Minderwertgutachten ins Spiel. Es gibt Fälle, in denen kein Sachverständigengutachten eingeholt wurde, sondern nur auf Basis eines Kostenvoranschlages oder einer Reparaturrechnung der Werkstatt abgerechnet wird.
Einen solchen Fall hat das Amtsgericht Ulm nunmehr mit Urteil vom 26. Oktober 2017, Aktenzeichen 1 C 1097/17, entschieden: Sofern nur ein Kostenvoranschlag vorliegt und der Geschädigte einen Sachverständigen mit einer isolierten Ermittlung des merkantilen Minderwertes beauftragt, sind - zusätzlich zum merkantilen Minderwert - auch die Kosten des Minderwertgutachtens durch den Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers zu erstatten.
Entgegen der Ansicht des in diesem Fall vor Gericht unterlegenen Versicherers ist der Fahrzeugeigentümer nicht verpflichtet, zunächst die Werkstatt oder den Versicherer mit der Ermittlung eines eventuellen Minderwertes zu beauftragen, um Kosten zu sparen. Vielmehr darf er sich eines unabhängigen Kfz-Sachverständigen bedienen, der den Minderwert ermittelt. Die hierfür entstandenen Kosten laut Gutachterrechnung - im entschiedenen Fall waren es 128,26 Euro - muss der Versicherer an den Geschädigten zahlen.
Praxistipp
Grundsätzlich empfiehlt es sich immer, bei Überschreitung der Bagatellschadengrenze ein Beweissicherungs- oder Haftpflichtschadengutachten durch einen Sachverständigen zu beauftragen. Sollte dies nicht geschehen sein, kann der merkantile Minderwert immer noch durch den Gutachter geschätzt und nur hierüber ein Kurzgutachten in Auftrag gegeben werden. Wie immer wichtig ist hier eine gute Dokumentation der Schäden durch Fotos - sowohl im Detail als auch ein Gesamtbild des Fahrzeuges mit erkennbarem amtlichen Kennzeichen.
Inka Pichler-GieserRechtsanwältin und Fachanwältin für Verkehrsrecht, Partnerin der Kanzlei Kasten & Pichler in Wiesbaden
- Ausgabe 01/02/2018 Seite 55 (84.0 KB, PDF)