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Durchbruch im Maut-Streit: Brüssel und Berlin erwarten Einigung

04.11.2016 14:30 Uhr
Nach monatelangem Streit über die Pkw-Maut bahnt sich ein überraschender Durchbruch zwischen Deutschland und der EU-Kommission an.
© Foto: Bernd Wüstneck/dpa

Bei der umstrittenen Pkw-Maut stehen die Zeichen zwischen Brüssel und Berlin plötzlich auf Einigung. Eine gute Nachricht für Verkehrsminister Dobrindt. Doch Grüne und ADAC warnen.

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Nach monatelangem Streit über die Pkw-Maut bahnt sich ein überraschender Durchbruch zwischen Deutschland und der EU-Kommission an. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) setzt auf eine baldige Einigung, die allerdings Änderungen an dem bereits beschlossenen Modell erzwingen würde. Bei Gesprächen habe es "sehr weitreichende Fortschritte" gegeben, teilte die EU-Kommission am Donnerstagabend in Brüssel mit. Wegen der ursprünglichen Pläne hatte die EU-Kommission Ende September eine Klage gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) angekündigt.

Dobrindt sagte: "Wir bewegen uns aufeinander zu, und ich bin sehr zuversichtlich, dass die Einigung mit der EU-Kommission im November steht." Eine Kommissionssprecherin erklärte ebenfalls: "Wir sind sehr zuversichtlich, dass letzte noch offene Fragen im Laufe des November zur Zufriedenheit der Kommission und der Bundesregierung geklärt werden können." Zuerst hatte die "Bild"-Zeitung (Freitag) darüber berichtet.

Der Bundesverkehrsminister rechnet mit einer möglichen Einführung erst nach der Bundestagswahl 2017. "Der Starttermin wird in der nächsten Wahlperiode liegen", sagte er am Freitag vor dem Beginn des CSU-Parteitags in München. Grund sei, dass im Fall der angestrebten Einigung mit der EU-Kommission die nötigen weiteren Vorbereitungen "einige Monate" dauern würden. So müssten mögliche Änderungen der Maut-Gesetze mit dem Bundestag diskutiert werden. Für die vorerst gestoppte technische Umsetzung sind zudem Ausschreibungen erforderlich.

Dobrindt betonte: "Es bleibt dabei: Es gibt keine Mehrbelastung für inländische Autofahrer." Mit der EU-Kommission werde über eine stärkere "ökologische Komponente" der Maut und Veränderungen bei den Kurzzeittarifen für Fahrer aus dem Ausland nachgedacht. Er sei zuversichtlich, dass noch in diesem Monat ein Kompromiss mit Brüssel abgeschlossen werden könne, "der im Rahmen des Koalitionsvertrages ist und somit auch von allen akzeptiert werden kann".

Merkel lobt angestrebte Einigung

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte die angestrebte Einigung mit Brüssel - pocht aber darauf, dass bei einer Maut-Einführung die Bedingungen des Koalitionsvertrages eingehalten werden. Sie begrüße sehr, dass Dobrindt mit der EU-Kommission eine außergerichtliche Einigung verfolge, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Aus Sicht der Kanzlerin gelte aber unverändert die Vorgabe des Koalitionsvertrages von CDU, CSU und SPD, dass kein Halter von in Deutschland zugelassenen Pkw durch die Einführung der Infrastrukturabgabe belasten werden dürfe, betonte Seibert. Das Bundesfinanzministerium wollte die noch laufenden Gespräche zwischen Dobrindt und Brüssel nicht bewerten. Man warte die Schlussverhandlungen ab, sagte ein Sprecher. Keine Angaben machte die Regierung zu erwarteten Einnahmen sowie Kosten bei der Erhebung der Maut im neuen Konzept.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kritisierte die überraschende Annäherung zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission. In einer Stellungnahme Weils hieß es am Freitag in Hannover: "Bei dem sich abzeichnenden Pkw-Maut-Kompromiss ist nicht die EU eingeknickt, sondern Verkehrsminister Dobrindt; er hatte versprochen, dass durch seine Pläne die deutschen Autofahrer nicht zusätzlich belastet werden - das Gegenteil ist jetzt der Fall." In der von einem Sprecher verlesenen Erklärung bemängelte der niedersächsische Regierungschef, dass vor allem Menschen, die sich nur ältere Autos leisten könnten, übermäßig zur Kasse gebeten würden. "Wenn Herr Dobrindt jetzt versucht, die von Anfang an verunglückte Pkw-Maut für Ausländer zu einem Klimaschutzprojekt umzudeuten, führt er die Leute hinters Licht. Für ein unsinniges Prestigeprojekt der CSU soll die breite Masse der Menschen in Deutschland bezahlen."

Mautgesetz muss wohl geändert werden

Die EU-Kommission stellte am Freitag klar, dass sie den Rückzug ihrer Klage an präzise Bedingungen knüpft. Um das geplante System mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen, müsse es Gesetzesänderungen geben, machte eine Sprecherin am Freitag in Brüssel deutlich: "Wir hoffen, dass die notwendigen Änderungen an deutschen Gesetzen zu gegebener Zeit beschlossen werden können."Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur geht es konkret um das Infrastrukturabgabegesetz und um das Kraftfahrzeugsteuergesetz.

Nach Angaben aus EU-Kreisen sehen die bislang getroffenen Absprachen vor, dass das deutsche Mautgesetz in einigen Punkten geändert wird. Dabei gehe es unter anderem darum, günstigere Kurzzeit-Tarife für Pendler und Touristen aus dem EU-Ausland einzuführen, hieß es. Zudem solle die 1:1-Kompensation für deutsche Autofahrer bei der Kfz-Steuer angepasst werden. Die neuen Pläne sehen demnach vor, die versprochene Steuerentlastung an den Schadstoffausstoß zu koppeln. Die Halter besonders umweltfreundlicher Fahrzeuge könnten demnach das 1,2-fache der von ihnen gezahlten Maut als Steuererleichterung erhalten.

Die EU-Kommission hat bisher moniert, dass die vorgesehene 1:1-Entlastung für deutsche Autofahrer gleichbedeutend mit der Diskriminierung von EU-Ausländern sei. Dobrindt wies die Vorwürfe damals zurück und betonte: "Unser Maut-Modell entspricht den EU-Regeln." Für die Zugeständnisse könnte die EU-Kommission auf das angekündigte EuGH-Verfahren verzichten. An den letzten Texten für die Einigung werde derzeit gearbeitet, hieß es in Brüssel. 

Das Maut-Paket ist eigentlich längst beschlossen. Das Modell sieht vor, dass inländische Autobesitzer auf Autobahnen und Bundesstraßen eine "Infrastrukturabgabe" zahlen sollen, Pkw-Fahrer aus dem Ausland auf Autobahnen. Nach Abzug der Systemkosten sollen jährlich 500 Millionen Euro hereinkommen.

ADAC fordert Garantien

Unter anderem der ADAC dringt auf die Einhaltung der Zusagen für deutsche Autofahrer. Sollte eine Maut tatsächlich Realität werden, müsse es verbindliche Garantien geben, forderte ein ADAC-Sprecher am Donnerstagabend: "Keine Mehrbelastung für deutsche Autofahrer, keine Ungerechtigkeiten zwischen den europäischen Autofahrern und jede Mehreinnahme muss zweckgebunden in die Zukunft der Mobilität investiert werden." Nach den Vorgaben des Koalitionsvertrags von Union und SPD sollen deutsche Autofahrer nicht draufzahlen müssen.

Auch die Grünen reagierten skeptisch. Entweder werde das Modell vor dem Europäischen Gerichtshof scheitern oder deutsche Autofahrer würden draufzahlen, weil es keine 1:1-Kompensation für sie geben werde, sagte der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der "Berliner Zeitung" (Freitag). "Damit wäre das zentrale Versprechen von Union und SPD gebrochen", so Hofreiter. Er forderte Dobrindt auf, sich nicht schon wieder mit dem populistischen Thema Maut zu beschäftigen, sondern mit wichtigeren Dingen wie der Aufklärung des Diesel-Skandals. Falls eine Entlastung bei der Kfz-Steuer an die Umweltfreundlichkeit der Autos gekoppelt wird, wollen die Grünen nicht vor Gericht ziehen. "Es gibt eine Maut für alle mit einer ökologischen Komponente. Das heißt, dann werden wir nicht klagen", sagte Hofreiter am Freitag im ARD-"Morgenmagazin".

Bislang hieß es, dass sowohl In- als auch Ausländer Maut zahlen müssen, doch nur Inländer würden im Gegenzug bei der Kfz-Steuer entlastet - und zwar auf den Cent genau in Höhe der Maut. Der Vorwurf aus Brüssel lautete, das deutsche Maut-Modell benachteilige EU-Ausländer. Dobrindt sagte zu "Bild", er wolle das Verursacherprinzip stärken und versprach einen "echten Systemwechsel von der Steuer- zur Nutzerfinanzierung". Nun wird diskutiert, dass Besitzer besonders umweltfreundlicher Autos sogar etwas mehr Steuer-Entlastung bekommen könnten als sie Maut zahlen. Das könnte als Umweltförderung deklariert werden und damit ein Stück weiter von einer direkten Maut-Kompensation wegrücken.

Österreich weiter kritisch

Österreich sieht die Annäherung zwischen Brüssel und Berlin im Streit um eine Pkw-Maut auf deutschen Straßen kritisch. "Es liegt der Eindruck nahe, dass sich die EU-Kommission auf einen Kuhhandel einlässt, um einem Konflikt mit Deutschland aus dem Weg zu gehen", sagte Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) am Freitag. Die Regierung in Wien werde das deutsche Modell genau prüfen, um zu sehen, ob diskriminierende oder europarechtswidrige Punkte vorliegen. "Wenn Österreicherinnen und Österreicher benachteiligt werden, behalten wir uns weitere Schritte vor", betonte der Minister. Die Regierung hatte bereits in den vergangenen Jahren angekündigt, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, sollte es zu der Maut kommen. Österreichs Kritik richte sich nicht gegen die Einführung eines Maut-Systems an sich, sagte Leichtfried. Es dürfe aber zu keiner Ungleichbehandlung zwischen Deutschen und Ausländern kommen. (dpa)

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