Von Michael Specht/SP-X
Gut 450.000 mit Autogas betriebene Fahrzeuge sind in Deutschland unterwegs. Und im Zuge der derzeitigen Diesel-Diskussionen scheinen Autofahrer vermehrt diesen Kraftstoff ins Kalkül zu ziehen. Im ersten Halbjahr stieg laut DVFG (Deutscher Verband Flüssiggas) die Zahl der neu zugelassenen Autogas-Fahrzeuge um 38,2 Prozent an, was in absoluten Zahlen allerdings nur einem Anstieg von 1.557 auf 2.154 entspricht.
Steht Autogas (LPG) gerade vor einem Comeback? LPG ( Liquefied Petroleum Gas) gilt als der Alternativkraftstoff Nummer eins. Dies sagt zumindest Rainer Scharr, Vorsitzender des DVFG. Tendenz: steigend. Experten rechnen damit, dass die Skepsis gegenüber dem Dieselantrieb vorerst bleiben wird und dem Autogas in die Hände spielt. Recht positiv sieht Shell die Sache. Das Mineralölunternehmen schreibt in einer ihrer Studien, dass innerhalb der nächsten 20 Jahre ein Anstieg auf 1,0 bis 1,5 Millionen Flüssiggas-Fahrzeuge stattfinden könnte.
Was macht Autogas reizvoll? Es kostet derzeit etwa 55 Euro-Cent pro Liter und verbrennt deutlich sauberer als Benzin oder Diesel. Es entsteht kein Ruß. Stickoxide sinken gegenüber einem Benziner um 20 und im Vergleich zu einem Dieselmotor um über 95 Prozent. Eventuelle Fahrverbote in den Innenstädten, wie sie Dieselautos betreffen könnten, sollten damit für den Autogas-Fahrer nicht mehr relevant sein. "Flüssiggas ist aus ökonomischen und ökologischen Erwägungen heraus sehr interessant", sagt auch Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Managment (CAM) in Bergisch Gladbach. "Mit einer Umrüstung lassen sich die Vorteile ohne teuren Neukauf auch für das eigene Fahrzeug schnell und unkompliziert realisieren", so Bratzel.
Weiterer Vorteil: Das Tankstellennetz ist deutlich besser ausgebaut als bei Erdgas. Derzeit existieren rund 6.700 Zapfsäulen in Deutschland (Erdgas: nur etwa 1.000). Fahrten ins Ausland stellen somit kein Problem dar. Vor allem im östlichen Europa ist LPG weit verbreitet. Europaweit kann an mehr als 40.000 Stationen Autogas gezapft werden. Und Bedenken, mit einem LPG-Auto aufgrund eventueller Leckagen an den Gasleitungen nicht mehr in Tiefgaragen parken zu dürfen, sind seit über 20 Jahren durch eine neue Verordnung aus der Welt. An Stammtischen halten sich diese "Brand-Thesen" leider immer noch hartnäckig. "Autogasbehälter sind mindestens ebenso sicher wie ein Benzintank. Zudem sorgen diverse Abschaltventile dafür, dass das Gas nicht unkontrolliert entweichen kann", sagt Patrick Pöppl, Sachverständiger beim TÜV Süd in München.
Höherer Verbrauch als bei Benzin
Doch es gibt auch Nachteile. Aufgrund der geringeren spezifischen Dichte und entsprechend des geringeren Energieinhalts gegenüber Benzin steigt der Verbrauch um 15 bis 20 Prozent an, was den Kostenvorteil etwas verringert. Hinzu kommt eine leicht reduzierte Reichweite, da nach dem Umbau der Gastank meist in der Reserveradmulde (Radmuldentank) Platz finden muss und entsprechend wenige Liter (je nach Fahrzeuggröße 40 bis 60 Liter) hineinpassen. Aber zur Not bleibt ja noch der normale Benzintank.
Ein weiteres Manko: Die Auswahl an Neufahrzeugen mit LPG-Antrieb ist sehr begrenzt. Es sind hauptsächlich Ford, Opel und Dacia, die Autogas-Modelle in ihrem Portfolio haben. Volkswagen hatte einmal Autogas-Modelle, ist aber mittlerweile ausgestiegen. Die Wolfsburger setzen stattdessen auf Erdgas (CNG = Compressed Natural Gas). "Erdgas kann in hoch verdichteten Benzin-Direkteinspritzern genutzt werden und verbrennt gegenüber Benzin mit zirka 25 Prozent weniger CO2-Ausstoß", so ein VW-Unternehmenssprecher.
Für den Autogas-Interessenten bleibt somit meist nur die nachträgliche Umrüstung durch zertifizierte Händler. Der Umbau kann so gut wie an allen älteren Benzinern vorgenommen werden, egal, ob Drei-, Vier-, Fünf-, Sechs- oder Achtzylinder, sagen zumindest die Werkstätten. "Wir haben viele Kunden mit amerikanischen Fahrzeugen", so ein Mitarbeiter des Hamburger Umrüsters A&R (Aarland-Rosenkranz), "und selbst Besitzer einer Mercedes S-Klasse lassen bei uns auf Autogas umrüsten." Die Preise für Umbauten reichen von 1.200 bis 2.600 Euro. Da stellt sich natürlich sofort die Frage: Lohnt sich ein solcher Umbau überhaupt?
Investitionen schnell wieder drin?
Generell gilt: Wer viel fährt, hat die Investitionen schnell wieder drin. Bei 14.000 Kilometern pro Jahr spart das LPG-Auto rund 650 Euro (siehe z.B. autogasrechner.de), der Umbau wäre selbst bei einer Investition von 2.500 Euro also nach weniger als vier Jahren wieder eingefahren. Deutlich länger zieht sich das beim Erdgas hin, weil hier die Umbaukosten, unter anderem wegen der aufwändigen Hochdrucktanks, erheblich teurer sind.
Sollte während der Fahrt einmal der LPG-Vorrat zur Neige gehen, braucht man keine Angst zu haben, liegen zu bleiben. Das System schaltet automatisch auf den herkömmlichen Benzinbetrieb um. Der Fahrer erhält nur ein akustisches oder optisches Signal und bestätigt den Umschaltprozess mit einem Druck auf den betreffenden Schalter. Grundsätzlich gilt: Nach der Umrüstung behält der Wagen die gleiche Abgaseinstufung wie zuvor. Aus Euro 4 wird also nicht Euro 5 oder 6, selbst wenn, absolut gesehen, der Motor weniger Schadstoffe ausstößt. Wer also sein älteres Auto (ohne grüne Feinstaub-Plakette hinter der Winterschutzscheibe) auf LPG-Betrieb umbauen lässt, darf auch zukünftig nicht in kommunalen Umweltzonen unterwegs sein.
Theoretisch wäre es sogar möglich, Dieselmotoren auf Autogas umzurüsten, was besonders für gewerbliche Kunden (Lieferdienste, Handwerker etc.) interessant sein könnte, die auch zukünftig in Innenstädten fahren müssen. Allerdings ist es technisch nicht zu realisieren, die Dieselverbrennung komplett zu stoppen. Stattdessen kommt es zu einer gleichzeitigen Nutzung von Diesel und LPG. Der Fachmann spricht von Diesel-Blend-Verfahren. Laut EKO Gas ergibt sich dabei eine Einsparung beim Diesel von zirka 40 Prozent. Nachteile: Die Umrüstung ist mit rund 4.000 Euro erheblich teurer als beim Benziner. Und da, wie Autogas, auch der Dieselkraftstoff bereits steuerlich subventioniert ist, wird die Amortisationszeit länger. EKO Gas kommt daher zu dem Fazit, dass eine Umrüstung erst ab einem Leicht-Lkw (zum Beispiel Mercedes Sprinter, VW Crafter) wirtschaftlich sinnvoll sein kann.