Wir erreichen Francine Gervazio per Onlineschalte im Berliner Büro von Avrios und wollen mit ihr über das Metathema Digitalisierung sprechen. Die CEO kommt gerade direkt aus Zürich geflogen – dem internationalen Hauptquartier des Flottendienstleisters. Gervazio wuchs in Brasilien auf, machte sich auf den Weg in die USA und erhielt ein Stipendium für einen MBA am Babson College. In der Geschäftswelt angekommen, gehörte sie zu den Mitgründern des US-amerikanischen B2B-Logistik-Start-ups Cargo42. Anfang 2018 ging es für die Managerin zu Avrios in die Schweiz.
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Seit Mai 2021 ist sie CEO. Zuvor war sie verantwortlich als Chief Revenue Officer für den Vertrieb und als Vice President für die Kundenzufriedenheit. Die Welt der Zahlen kennt sie demnach ebenso gut wie die Eigenheiten von B2B-Beziehungen, welche das People-Business tragen. Ihr Herz schlägt für die Menschen, wie sie verrät, gleichzeitig betont sie, dass beide Seiten natürlich zusammengehören, um erfolgreich sein zu können, oder wie sie es kurz zusammenfasst: "Ich liebe Zahlen als Basis, aber ich kann nicht agieren, ohne direkt mit Menschen zu kommunizieren."
Zu kommunizieren gab es unter der Auswirkung der Pandemie eine ganze Menge – nur eben vermehrt über digitale Wege. Hier haben viele im Geschäftsleben ihre Scheu schnell abgelegt, auch weil sie es mussten. Für einen Dienstleister wie Avrios, der auf Cloud-Technologie aufbaut, war dieser gesellschaftliche Wandel ein Segen, wie es auch im Gespräch rüberkommt. Das Managen einer Flotte, was durch die ständigen Unwägbarkeiten der wirtschaftlichen Wellenbewegung innerhalb der Krisenjahre intensiver wurde, verlangte nach akkuraten Zahlen, validen Prognosen und dem Überblick, welche Aufgabe aktuell am dringlichsten ist.
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BildergalerieAvrios: "Liefermängel beherrscht Tagesgeschäft"
"In der ersten Phase der Pandemie galt es, die überwiegend stehenden Flotten der Kunden zu managen, mittlerweile beherrscht der Liefermangel an Fahrzeugen aber das Tagesgeschäft der Fuhrparkmanager." Diese Lieferengpässe und Verzögerungen werden laut Gervazio auch in den nächsten Jahren andauern und die überwiegend (85 Prozent) in der DACH-Region ansässigen Avrios-Kunden beschäftigen.
Als Heilmittel gilt fortan die Digitalisierung. Hier sieht die CEO die Flotten im deutschsprachigen Raum als voranschreitend, auch wenn es eher digitale Schritte als wahre Sprünge sind, so ihre Analyse. Dies hat zu einem gewissen Grad mit den Arbeitsweisen der Flottenmanager zu tun, wie Gervazio beobachtet. "Regelmäßige Anrufe sind für den Fuhrparkleiter Alltag."
Der Flottenchef ist halt immer noch Stratege und operativer Mitarbeiter in einer Person, was einen konzentrierten Wandel verlangsamen kann. Dennoch bleibt auch künftig die Kommunikation mit den Dienstwagenfahrern das Kernelement seiner Arbeit, ist die Avrios-Chefin überzeugt, denn "etwa 70 Prozent der Tätigkeit eines Fuhrparkleiters haben mit den Anliegen der Dienstwagenfahrer zu tun."
Was hier helfen kann, sei zum einen eine Fahrer-App, die Antworten auf gleiche und wiederkehrende Fragen der Nutzer gibt und zum anderen das Outsourcing von Prozessen, wie dem Terminmanagement rund um den Dienstwagen, wie Reifen, Service etc. Wenn dies Mode wäre, hätte es auch Einfluss auf die Kundenbeziehung von Avrios. "Heute ist der Fuhrparkleiter zu 95 Prozent unser Ansprechpartner. In Zukunft werden Prozesse zunehmend digitalisiert, sodass die Dienstwagenfahrer mühelos und über verkürzte Kommunikationswege über uns Hilfe erhalten können, ohne den Fuhrparkleiter in die Details miteinbeziehen zu müssen."
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BildergalerieAvrios bietet Webinare an
Das würde heißen, mit gut 140.000 Fahrern, die aktuell auf der Plattform zu finden sind, in den Dialog zu treten. Kleiner Funfact am Rande, der häufigste Name eines Ansprechpartners ist laut der Avrios-Datenbank übrigens Thomas Müller. Bleibt die Frage, ob alle Fuhrparkleiter oder Dienstwagenfahrer mit diesem Namen so kommunikativ sind wie „Radio Müller”, aber das müssen sie auch nicht, da man die Dinge aus dem Fuhrparkalltag auch über Webinare und Weiterbildungen lernen kann. Avrios bietet regelmäßig kostenlose Onlineseminare und Webinare an. Wissen ist das eine, eine einfache Software ist das andere. "Hier wollen wir eine einfach zu verstehende Lösung anbieten, die man ohne große Anleitung intuitiv bedienen kann, so als sei man bei Facebook unterwegs", gibt Gervazio zu verstehen.
Die Motivation, bestehende Prozesse im Umgang mit der eigenen Flotte infrage zu stellen und zu ändern, liegt laut dem Fuhrparkdienstleister ein Stück weit in der zunehmend digitalen Welt begründet, die unabhängig vom Flottenmanagement in Bits und Bytes denkt und fester Teil des Alltags ist. Diese Dringlichkeit wird über kurz oder lang auch im Tagesgeschäft der Fuhrparkleiter auftauchen – und nicht mehr verschwinden. Es stellt sich also die Frage: Wann beginnt die Digitalisierung ihrer Flotte?
In der Regel wählen die Fuhrparks zunächst einen Teilbereich ihrer Arbeit aus, um mit Avrios erstmals zusammenzuarbeiten. Dabei passiert sehr oft Folgendes, wie die CEO beschreibt: „Sobald Fuhrparks beginnen, einzelne Prozesse neu zu gestalten, öffnet sich die Tür für weitere digitale Hilfe von außen sehr schnell.” Ein Gemeinschaftssinn entsteht, der die Basis ist für das gemeinsame Wachsen in der Zukunft. Das Kernprodukt ist dabei die datenbasierte Fuhrparksteuerung.
"Der erste Schritt ist, sich von Excel zu lösen und Prozesse in die Cloud zu bringen. Darauf aufbauend, kommen dann – wenn gewünscht – Zusatzelemente, wie die Führerscheinkontrolle oder das Schadenmanagement, hinzu.” Was es hierbei parallel an Kosten zu sparen gibt, zeichnet die CEO anhand der TCO-Betrachtung nach. „Etwa zehn Prozent der Kosten eines Fahrzeugs entfallen auf die administrativen Kosten. Es ist für Unternehmen ein großer finanzieller Hebel, diese Kosten durch effizientere und papierlose Prozesse zu senken.”
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BildergalerieAvrios setzt auf die Cloud
Rational betrachtet ist dies ein einfacher – da effektiver – Schritt. Aber so denken längst nicht alle. Die Mehrzahl der Fuhrparkbetreiber entscheidet immer noch auf Basis des eigenen Systems – und sei es das Bauchgefühl, lautet die Analyse der Avrios-Chefin. Man tut sich hierzulande immer noch schwer, Bewährtes infrage zu stellen. Warum auch? Wer dann doch den nötigen ersten Schritt geht, freut sich laut Gervazio in erster Linie darüber, dass alle nötigen Daten nun an einem Platz zu finden sind – nämlich in der Cloud. Erst dann loben die Avrios-Nutzer die Einsparungen an Zeit und Geld. Das Gefühl ist hier also ein sehr wichtiger Kompass in Richtung Fortschritt.
Wer diesen Weg beginnt, bleibt in der Regel auch am Ball, wie die CEO herausstellt: „Unsere Kunden halten uns über Jahre hinweg die Treue. Dies zeigt uns, dass wir uns mit stetigen Updates, neuen Features und Innovationen den Kundenbedürfnissen anpassen und sie begeistern können. Daraus lernen wir, dass unsere Kunden durchaus bereit sind, zusätzliches Geld in die Hand zu nehmen, um noch mehr von der Software zu profitieren und daher selbst mithelfen, Perfektion zu erzielen.“
Fortschritte sieht Gervazio übrigens auch in der Rolle der Frauen in der Branche. Frauen sind im Vergleich zu ihrer südamerikanischen Heimat in Deutschland im Berufsleben präsent und voll akzeptiert. Das lässt sich auch am fast paritätischen Anteil von männlichen und weiblichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen (48 Prozent von gut 60 insgesamt) bei Avrios ablesen. Wobei Frauen zwei weitere Dinge ebenso lieben wie die Männer: Autos und Geschwindigkeit, sagt die CEO und lacht dabei so ansteckend wie an vielen Stellen der Videoschalte.