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Markenhändler: 100.000 Kilometer zur Inspektion

01.04.2022 06:00 Uhr | Lesezeit: 5 min
Aiways U5
Der mit 1,8 Tonnen Gewicht vergleichsweise leichte Aiways U5 sieht gefällig aus und fällt dennoch etwas auf.
© Foto: Michael Blumenstein

Markenhändler? Inspektionen? Braucht es nicht. Beim Aiways U5 wird die erste Wartung nach 100.000 km fällig. Die macht ATU. Gekauft wird der U5 bei Euronics. Wir haben das mal durchexerziert.

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Die Zeiten ändern sich. So könnten aktuell viele Artikel beginnen. Leider. Was für den einen ideal erscheint, ist für die andere miserabel. Was als gute Idee gemeint ist, endet manches Mal im Fiasko. Werden in der alten Automobilwelt immer mehr Hersteller "zusammengeführt" und dadurch die technische und oft auch visuelle Vielfalt dezimiert, kommen aus der neuen Automobilwelt unbekannte Anbieter hinzu. Neue Welt? Nein, das ist nicht mehr die USA. China macht sich stark und sendet CO2-freie-Mobilität gen Westen.

2017 gegründet - jetzt fährt er

Aiways ist einer der Neuen, 2017 in Shanghai gegründet, haben sie bereits drei Jahre später den U5 auf der Straße. Dass sich die Entwicklungszeiten immer weiter verkürzen, ist bekannt. Und gesagt wird, dass die etablierten Autobauer aufpassen müssen, sich nicht von Elektronikkonzernen überholen zu lassen - neuestes Beispiel: Honda und Sony. Ihr gemeinsames E-Auto soll in drei Jahren fahren können. Die Schwierigkeit bestünde heute nicht mehr darin, ein gutes Automobil zu bauen - vor allem mit elektrischem Antrieb - als vielmehr die Elektronik dazu zu befähigen, mit sämtlichen Schnittstellen nahtlos zu kommunizieren.

Eine Hauptschnittstelle bleibt der Mensch. Noch ist er derjenige, der das Fahrzeug maßgeblich zum Fortbewegen veranlasst. Auch im Aiways U5, diesem durchaus adrett gezeichneten 4,68-Meter-SUV. Das Design des U5 wirkt gefällig und ist mit einem cw-Wert von 0,29 vergleichsweise windschnittig. Die Türen öffnen weit, nachdem man an den elektrisch ausfahrenden Griffstäben gezogen hat und der Einstieg gelingt elegant. Die Kofferraumklappe hingegen endet geöffnet in einer Höhe, die einem "Durchschnittsdeutschen" sicherlich mal einen Schlag an den Kopf versetzen wird. Der Kofferraum ist schön ausgekleidet und besitzt einen doppelten Ladeboden. Obendrauf passen 432 Liter und wer umklappt, erhält eine komplett ebene Ladefläche, sofern die Sitzflächen zuvor aufgestellt wurden. Bleiben wir beim Platz: Im Fond des Aiways U5 ist der überbordend. Wer hinten sitzt, kann die Beine übereinanderschlagen und in der Ausstattungsversion Premium dabei die Aussicht aus dem Panorama-Schiebedach genießen. Auch vorn geht es luftig zu und die Sitze schmiegen sich an den Körper wie gemütliche Ohrensessel.

Update nötig

Leider harmonieren die Einstellmöglichkeiten von den Sitzen und dem Lenkrad nur eingeschränkt. Das Lenkrad dann auch noch eckig zu gestalten, ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Je nach Position verdeckt der Kranz die Informationen des dreigeteilten Displays. Links gibt es wahlweise sehr kleine Bordcomputer-Infos und die mickrige Warnmeldung, falls die Ladeklappe nicht geschlossen ist, zu lesen. In der Mitte warten die Infos zu Tempo, Reichweite, Gesamtkilometern, Temperatur sowie Uhrzeit und rechts wird deutlich, ob das Radio oder Apple Carplay aktiv ist. Rechts daneben taucht das 12,3-Zoll-Display auf, das träge reagiert und eine Individualisierung nach eigenem Gusto nicht zulässt. Zu allem Überfluss werden über das Touchfeld auch sehr viele Funktionen gesteuert und man verzichtet - à la Tesla - auf Realtasten. So öffnen und schließen beispielsweise Jalousie und Schiebedach via Wischbewegung. Die Lautstärke regelt der Beifahrer erst, nachdem er eine Einweisung erhalten hat und Fingerspitzengefühl beweist. Merkwürdig auch, dass sich Apple Carplay problemlos mittels Stecker aktivieren lässt, Android Auto jedoch eine Zusatz-App benötigt, die selbst bei Nichtgebrauch eine Kachel besetzt wie das Bluetooth-Menü. Die Helligkeit der Displays lässt sich zwar dimmen, nachts ist es dennoch zu hell.

Wer Radio hören möchte, braucht ebenfalls Nehmerqualitäten. Der FM-Empfang ist ähnlich wackelig wie der des nachgerüsteten DAB-Moduls. Da freut man sich über Streamingdienste, deren Musik (auch Radio) zuverlässig über die sauber klingenden Lautsprecher ausgespielt werden kann. Beim Trennen des Mobiltelefons nicht erschrecken, dann setzt unverhofft das FM-Radio ein, auch dann, wenn kein Empfang besteht. Dass man sich bei den verwendeten Beschriftungen ab und an wundert, ist eher erheiternd als nervend - man erahnt die Funktion, die sich dahinter verbirgt, irgendwann. Hier wäre ein Übersetzungsdienstleister seitens Aiways jedoch professioneller gewesen.

Der Rest: sehr fertig

Damit hätten wir die Kritikpunkte am U5 fast alle erwähnt - es hapert an der Software. Erstaunlich fertig wirkt das Erstlingswerk bei den haptischen Qualitäten. Bei der Materialauswahl und Qualitätsanmutung hätte niemand gemeckert, wenn ein VW ID.3 diese Reife an den Tag gelegt hätte. Das fehlende Handschuhfach werden nur Messies beanstanden. Alle anderen finden ausreichend Ablagen im U5 und sei es vorn im Frunk - der Idealplatz fürs AC-Ladekabel. Denn vorne befindet sich auch der Ladeanschluss, hinter der Klappe unter dem linken Scheinwerfer (der gutes Licht spendet). Maximal 90 kW kann via CCS in den U5 gepumpt werden, was auf der Langstrecke ein akzeptabler Wert ist. Schwieriger wird es beim Laden im Büro oder zuhause. Denn dort schafft der U5 maximal 6,6 kW - in der Theorie. In der Praxis endet der Ladeschub an den handelsüblichen dreiphasigen Wallboxen und an den Öffentlichen bei knapp 4 kW, was den Ladevorgang der entleerten 63 kWh-Batterie auf nicht mehr zeitgemäße Werte ausdehnt. Aiways hat für die zweite Jahreshälfte ein 11-kW-Update angekündigt. Das Lösen des AC-Ladekabels von der Wallbox gelingt nach zeitgleichem Schlüsseldruck der "Schließen-" und "Kofferraumtaste" für mindestens zwei Sekunden - das muss man wissen.

Wer innerstädtisch mit dem U5 unterwegs ist, wird mit einem Stromverbrauch von knapp 20 kWh auskommen - zumindest bei winterlichen Temperaturen. Auf der Langstrecke gönnt er sich bei Tempo 125 und wenig Heizleistung rund 26 kWh und reiht sich in die Riege der E-SUV mehr oder weniger generisch ein. Geboten werden 204 PS und 310 Newtonmeter. Der Aiways holt diese aus einem Bosch-Motor und treibt forsch die Vorderräder an. Das führt nicht selten zu Antriebseinflüssen in der Lenkung und Schlupf beim hastigen (Zwischen-)Spurt - selbst im entspannten Eco-Modus. Die Lenkung gibt kaum Rückmeldung. Zu leichtgängig, zu gefühllos. Das kann das Fahrwerk des knapp 1,8 Tonnen leichten U5 deutlich besser. Es spricht meist geschmeidig an und ist eher auf der Komfortschiene zuhause, was generell zu E-Autos besser passt als die fast unisono gewollte Pseudo-Sportlichkeit.

Euronics und ATU

Neuen Schwung bringt der U5 in die klassischen Auto-Disziplinen also nicht. Neu ist hingegen der Vertriebsweg. Denn Aiways spart sich eine eigene, teure Struktur und holt Profis an Bord, die sich sowohl bei der Soft- als auch bei der Hardware auskennen. Wer einen U5 kaufen möchte, landet unweigerlich beim nächstgelegenen Euronics-Händler. Euronics? Ja, die Elektronikfachmärkte. Rund 1.200 gibt es laut Dominik Depre, der zusammen mit Alexander Gruber Inhaber des Euronics-Standorts in Markt Indersdorf, westlich von München, ist. Depre ist unser Mann, um zu erfahren, wie der Aiways-Verkauf im Elektronikfachmarkt abläuft. "50 Euronics-Händler sind deutschlandweit als Aiways-Partner autorisiert", sagt der Unternehmer nicht ohne Stolz. Denn nicht alle, die sich bewerben, werden auch akzeptiert. U5-Interessenten werden über die Aiways-Website zum nächstgelegenen Euronics-Partner gelotst. "Unser Terminkalender ist dort einsehbar und man kann direkt den Wunschtermin buchen. Bei uns bediene ich die Kunden immer selbst. 1,5 Stunden sind als Standard vorgesehen. Ich nehme mir gern mehr Zeit", sagt Depre und lässt dabei den Spaß am Thema durchschimmern. Einen Testwagen hat er im Hof, Probefahrten gehen auf seine Kappe.

Bei der Gelegenheit zeigt Depre den potenziellen Kunden auch direkt die Wallbox, die er gleich mit anbieten kann."Mein Kollege, Alexander Gruber, hat einen Sachkundenachweis erworben und darf Wallboxen als Elektrofachkraft installieren." Und auch ans öffentliche Laden wurde gedacht: "Wer unterwegs laden möchte, bekommt bei uns eine Ladekarte im Euronics-Design mit Maingau im Hintergrund", sagt Depre zufrieden. Nicht ganz zufrieden ist er mit der Tatsache, dass es keine Leasingangebote gibt. Kaufen ist noch die einzige Option. Das Geld fließt bei Depre erst, wenn das Auslösen der Online-Bestellung erfolgt ist. Dann gibt es eine Vermittlungsgebühr. "Die Auslieferung erfolgt wieder über uns. Der DAD (Deutscher Automobil Dienst) kümmert sich um die Zulassung und wir bereiten das Fahrzeug für die Übergabe vor." Echte B2B-Kundenbetreuer gibt es bei Aiways noch nicht. Eine Flotte von mehreren Fahrzeugen fehlt ebenfalls noch. Das Aiways-Vertriebsteam, das, wie Aiways Europe, in München sitzt, weiß um das Potenzial bei den Fuhrparks und will diese kurzfristig aktiv "angehen".

Lange nichts, dann wenig

Einen Riesenvorteil, den der U5 seinen Besitzern bietet, sind die eigentlich nicht vorhandenen Inspektionen. 100.000 Kilometer lautet der Wert, bei dem die erste Inspektion erfolgen soll. Das liegt für viele Nutzer fünf Jahre in der Zukunft. Sollte zuvor ein Werkstattaufenthalt - etwa für den Reifenwechsel oder Software-Updates - nötig sein, kümmert sich als Partner die Werkstattkette ATU um die Details.

Einst mit Privatkundenfokus gestartet, baut ATU das B2B-Geschäft stetig aus. Wir schauen uns das nun in Parsdorf an, ein paar Kilometer östlich von München. Hier steht seit eineinhalb Jahren die neueste der deutschlandweit 531 ATU-Filialen. Und hier erwarten uns unter anderem Georg Thoma, Direktor Flotte Deutschland und Österreich, und Andreas Pompe, Key Account Manager Region Süd & International, und führen uns durch den weitläufigen Verkaufsraum sowie in die neue Business-Ecke, in der Kunden, die auf Ihr Auto warten, die Zeit sinnvoll nutzen können. Die Filiale in Parsdorf zeigt, wohin der Weg bei ATU gehen soll. "Die Fuhrparklandschaft hat sich stark gewandelt. Flotten mittelständischer Unternehmen wachsen aktuell weit überproportional im Bereich der Elektromobilität", attestieren Thoma und Pompe unisono. So unterstreichen die Weidener, dass seit 2018 mehr als 100.000 Elektro- und Hybridfahrzeuge in den ATU-Filialen betreut wurden.

Ein weiterer Beweis der Kompetenz sei das Vertrauen von Herstellern wie Aiways, die auf ATU setzen. Bei ATU werden derzeit etwa zehn Prozent des Umsatzes mit den Flottenkunden erwirtschaftet und der B2B-Bereich legt weiter zu. Die benötigten Teile für Reparaturen kommen übrigens aus dem Aiways-Zentrallager in der Nähe von Amsterdam, um kurze Lieferzeiten zu gewährleisten.

Das Beispiel Aiways zeigt in der Theorie, dass wir die letzten 100 Jahre vielleicht etwas zu eindimensional gedacht haben. Vernünftige Auto zu bauen, ist keine Kunst mehr. Schlechte Autos gibt es auch keine mehr. Vielmehr bekommt man fast immer das, was man bezahlt. Hier etwas teurer und feiner, dort etwas einfacher und funktionaler. Die klassischen Autohäuser funktionieren oft nach altem Muster und einige Kunden entwickeln sich schneller als das Autohaus selbst. Wenn der Flottenkunde den richtigen Service bekommt, ist ihm der Empfang im "Autopalast" nicht mehr so wichtig. Euronics und ATU sind vielleicht nicht für jeden das, was er sich bei einem Kauf eines 30.000-Euro-Produktes zuerst vorstellt. Für Einige ist es aber alles, was sie wirlich nur benötigen. Vor allem, wenn 100.000 Kilometer lang kein Kontakt zum Autohaus nötigt ist - im Idealfall.

Von Autoflotte getestet

+Platz
Materialien
Sitze

-Sitzposition
Software
Öffnungshöhe der Heckklappe

Aiways U5 Premium

Preis: 35.300 Euro (abzgl. Förderung)150 kW/204 PS | 310 Nm | 160 km/h 7,7 s | WLTP: 17 kWh/100 kmReichweite: 400 km | 63 kWhDC: 90 kW | AC: 6,6 kWh (einphasig) 4.680 x 1.865 x 1.700 mm 432 - 1.550 LiterHK: 17 | VK: 23 | TK: 21Wartung: 100.000 kmGarantie: 5 Jahre/150.000 km Akku: 8 Jahre/160.000 kmAlle Preise netto zzgl. Umsatzsteuer

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