Von Peter Weißenberg
In der unteren Mittelklasse ist das Angebot an (teil-)elektrisch angetriebenen SUV noch überschaubar: Mini Countryman, Hyundai Kona oder Renault Captur finden da ihren Weg von der Steckdose auf die Straße. Was die kleinen Angebote in knuffiger Offroad-Optik vereint: Sie sind praktisch, hochbeinig, modisch – und keinesfalls für raues Gelände geeignet.
"Trail-rated" heißt so eine Anforderung bei Jeep. 60 Grad steile Schotterpisten hoch und runter, durch fast einen halben Meter tiefe Wasserlöcher, über 20 Zentimeter hohe Felsbrocken oder 30 Grad steile Böschungswinkel klettern – nur wer solche Herausforderungen schafft, bekommt von der amerikanischen Fiat-Tochter das Gelände-Siegel. Mit Renegade und Compass sind nun auch erstmals zwei Plug-In-Hybride dieser Größenklasse dabei.
"Die Kombination von echter Geländegängigkeit und elektrischem Antrieb kann sonst niemand bieten", sagt Antonella Bruno. Die neue Europa-Chefin von Jeep ist zu Recht stolz. Beim Test auf dem Fiat-Gelände im norditalienischen Balocco beweisen die kompakten Schwestermodelle in der "Trailhawk"-Ausstattung ihre Fähigkeiten abseits befestigter Wege. Per "Selec-Terrain"-System können Fahrer bis zu fünf verschiedene Betriebsmodi für den Antrieb und das Fahrwerk wählen. Und in der "4WD-Sperre" wird bis 15 km/h im Gelände ein permanenter Allradantrieb aktiviert – an der Hinterachse über den 60-PS-E-Motor. Der Modus "4WD Low" kann dabei mit Hilfe der E-Motoren sogar ein Untersetzungsgetriebe simulieren.
Im Herbst des Modell-Lebens
Solche Aufmerksamkeit durch Matsch- und Fels-Spektakel können die beiden Jeep auch gebrauchen. Denn zum einen erfolgt der Einstieg in die batterieelektrischen Antriebe im FCA-Konzern reichlich spät. Zum anderen sind die Jeeps bereits seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts am Markt – also eigentlich eher im Herbst ihres Modell-Lebens.
Der Renegade 4xe und Compass 4xe können seit wenigen Tagen bestellt werden. Die Preise für den Renegade 4xe starten bei 32.100 Euro netto und für den Compass 4xe bei 35.462 Euro netto, jeweils in der "Limited"-Ausstattung. In den Linien "Trailhawk" oder "S" kostet der Renegade 4xe 35.798 Euro netto, beim Compass 4xe sind es 39.159 Euro netto. Abziehen können Käufer davon noch die Plug-In-Höchstförderung von 6.750 Euro; das bringt die Allradler in sehr attraktive Preiszonen – nicht nur für Offroad-Freaks.
Jeep Renegade 4xe / Compass 4xe - Fahrbericht
BildergalerieDenn die Macher haben ihre Modelle seit der Vorstellung stets verbessert. In zwei großen Überarbeitungen hat FCA schon vor der Elektrifizierung Äußeres, Elektronik, Verarbeitung und Assistenzsysteme deutlich aufgewertet. So sind etwa bei den Plug-ins serienmäßig Abstands-Tempomat, volle Smartphone-Anbindung inklusive Android Auto und Apple-Carplay, 8,4-Zoll-Touchscreen oder Totwinkelwarner an Bord. Und auch die Verarbeitung ist inzwischen routiniert-ordentlich, die Sitze bequemer als früher. Für zwei Reisende mit Kindern und Normalgepäck auch auf der langen Urlaubsfahrt ein gutes Angebot.
Allzu sportlich-eilig sollten die Fahrer dabei indes nicht unterwegs sein. Zum einen wegen der Lenkung, die sehr leichtgängig eher nicht zum Kurvenräubern einlädt. Vor allem aber wegen der dann nervig vielen Tankpausen. Und die haben auch mit dem Antrieb zu tun: Die 11-Kilowattstunden-Akkus unter dem Mittelstrang sorgen allein nämlich nicht einmal für 50 Kilometer Reichweite, der um ein Viertel verkleinerte Tank mit seinen 36,5 Litern ist also beim Kratzen an der Höchstgeschwindigkeit von rund 180 km/h (177 PS-Variante) bzw. knapp 200 km/h (240 PS) ruckzuck leergefahren.
Die paradiesischen zwei Liter Normverbrauch laut Testnorm sind bei diesen – wie allen – Plug-In-Hybriden ohnehin niemals erreichbar. Auf rund 100 Kilometern Testfahrt über Autobahn, Landstraßen und durch Städte genehmigte sich der Renegade-Plug-In zwar weniger als fünf Liter – aber da unterstützte auch noch der zuvor vollgeladene Akku. Ist der leer, erhält er zwar die Allrad-Fähigkeiten, für den Vortrieb muss aber allein der Benziner sorgen. Und dann dürften auch bei zurückhaltender Fahrweise schnell Verbräuche jenseits der sieben Liter fällig sein. Natürlich ist aber für den Kurzstrecken-Pendler mit der Steckdose daheim oder am Arbeitsplatz auch der komplett elektrische Fahrbetrieb möglich. Bei Renegade und Compass sollten Interessenten sich also Gedanken über ihr normales Fahrverhalten und die Lade-Gegebenheiten machen.
Für Pendler ideal
Apropos Laden: Für 390 Euro bietet Jeep auch eine Wallbox an, mit der die Plug-ins an der Haushaltssteckdose oder einem Starkstromanschluss geladen werden können. Das dauert zwischen drei und eineinhalb Stunden – für Pendler also ideal. Unterwegs ist Aufladen mit bis zu 7,2 kW drin; das Kabel dafür kostet extra.
Als Einsteiger in die batterieelektrische Welt helfen einem die Jeeps auch beim Dazulernen: In der Mittelkonsole können sie dazu drei Fahrmodi wählen: Electric, Hybrid- oder e-Save. Der Letzte erhält den Ladezustand der Batterie bestmöglich, etwa um in Bereichen mit Zufahrtsbeschränkungen noch Saft für den vollelektrischen Betrieb aufzubewahren. Und per Eco-Coaching kann sich der Fahrer auch zum sparsamen Betrieb anleiten lassen.
Auch FCA selbst ist ja auf dem Markt noch ein Newcomer beim elektrischen Fahren. Nach Renegade und Compass soll es da aber nun schnell vorangehen: Ende des Jahres folgt mit dem neuen Fiat 500 der erste vollelektrische Pkw. Anfang Herbst läuft auch die Produktion des leichten Nutzfahrzeugs Ducato mit E-Antrieb an. Und Anfang 2021 verspricht Bruno eine "richtige Welle an neuen elektrisch angetriebenen Fahrzeugen in allen Segmenten".
Es könnte sogar noch flotter gehen: Denn durch die Fusion von FCA mit PSA haben die Italiener bald auch Zugriff auf die Plattformen von Peugeot, Citroën und Opel. Und dort sind bereits eine ganze Palette von Batterie-Fahrzeugen im Einsatz. Nur "trail-rated" ist keins davon.