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Fahrbericht: Der neue Opel Astra könnte am Golf vorbeiziehen

15.02.2022 09:00 Uhr | Lesezeit: 4 min
Autoflotte-Chefredakteur Michael Blumenstein steuert den neuen Opel Astra.
© Foto: Dani Heyne

86 Jahre hat es gedauert, bis der Opel Astra den Stecker bekam. Herausgekommen ist ein Plug-in-Hybrid mit Weiterempfehlungsqualitäten, aber auch Astra Diesel und Benziner passen.

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Der erste Opel Astra der Nach-GM-Ära trifft offensichtlich den Design-Zeitgeist. Selten zog ein Kompaktklasse-Opel so viele Blicke auf sich – in den vergangenen 20 Jahren sicherlich nicht. Das Team um Mark Adams, der das Aussehen aller Opel verantwortet, hat offensichtlich seinen Job gut gemacht.

Alles andere ist Geschmackssache. Geschmacksache ist, ob die schwarze Vizor-Front des Astra, wie Opel das neue Gesicht nennt, einen schwarzen Blitz benötigt (die Dunkelheit verschluckt ihn). Geschmacksache bleibt, ob ein schwarz lackiertes Dach die Silhouette modernisiert oder mittlerweile schon wieder angestaubt wirkt, beides Elemente der „sportlichen“ GS-Line.  Geschmacksache bleibt, ob die senkrecht stehende dritte Bremsleuchte gefällt. Diese haben alle. Und sie sticht ins Auge der Hinterherfahrenden – zumindest beim Bremsen. Geschmacksache bleibt ebenfalls, ob eine Haifischflosse als Antenne noch cool wirkt. Mit Ihr bringt es der 4,37 Meter lange Astra auf eine Höhe von 1,47 – ohne sie ist er drei Zentimeter niedriger.

Opel Astra glänzt, toucht, individualisiert

Innen bleibt es Geschmacksache, ob das neue hochglanzschwarz-umrahmte „Pure Panel“ mit zwei mindestens 10-Zoll-Displays auf Dauer so sauber und kratzerfrei sein wird, wie bei unserem Erstkontakt. Keine Geschmacksache ist indes, dass es „hervorragend“ spiegelt. Keine Geschmackssache bleibt, dass die vorhandenen Tasten im Lenkrad und drum herum das Bedienen des Astra deutlich vereinfachen. Auch ist die Menüstruktur des Infotainmentsystems einigermaßen geglückt, allerdings sind die Touchfelder auch hier zu klein, um sie während der Fahrt stets zielsicher treffen zu können. Die Fülle an abrufbaren Informationen und Individualisierungsmaßnahmen übersteigt auch im neuen Astra das Maß an Möglichkeiten, was ein Mensch einfach verarbeiten kann. So bleiben sicherlich viele Fahrzeuge nur rudimentär individualisiert.


Opel Astra L (Fahrbericht)

Opel Astra L (Fahrbericht) Bildergalerie

Keine Geschmacksache bleibt, dass die AGR-Sitze nach wie vor zum klassenbesten Gestühl gehören. Wenngleich sie nun – sofern kein Bestandteil des Ausstattungslevels – mindestens 665 Euro kosten. Für uns als "Dienstwagenmenschen" kommen einzig und alleine der Business Edition und der Business Elegance in die engere Wahl. Alle anderen kosten ausstattungsbereinigt (und beim Versteuern) immer mehr. Apropos Preis: Der Astra bleibt sich treu und das gilt auch für den Preis. Als Plug-in-Hybrid mit 180 kombinierten Pferdestärken startet er als Edition bei etwas mehr als 30.000 Euro netto – vor Abzug der Förderungen. Um es vorwegzunehmen: Er ist somit nach Abzug der Förderungen günstiger als der 1.5 Diesel mit 130 PS und Achtgang-Automatik. Der startet als Business Edition bei 27.731 Euro. Dafür gibt es in allen Astra eine saubere Verarbeitung und einen guten Materialmix, was man auch beim Drücken der echten Tasten spürt. Das können mittlerweile aber die meisten Hersteller. Zumindest die, bei denen es noch Tasten gibt.

Opel Astra: breiter als alle

So finden auch die meisten Körper in den Opel-Sitzen eine hervorragende Position. Langbeiner stört der breite Mitteltunnel. Opel meinte es gut und hat eine kleine Aussparung fürs rechte Knie vorgesehen. Bringt leider nichts, wenn diese in Höhe der Wade anliegt. Auch im Fond ist das Platzangebot keineswegs überbordend, da kann ein sechs Zentimeter schmalerer (ja, richtig gelesen) Seat Leon, der zugegebenermaßen zu den sehr geräumigen Kollegen gehört, deutlich mehr.


Opel Astra (Plug-in)-Hybrid GS-Line

  • Preis ab: 33.891 € netto R4/1.598 | 110 kW/150 PS | 250 Nm | 7,6 s  | 225 km/h |
  • 8-Gang-AT | Elektromotor: 81 kW/110 PS |
  • Systemleistung 133 kW/180 PS | Batteriekapazität: 12,4 kWh |
  • Reichweite: 60 WLTP-Kilometer
  • Ladezeit 1,8 kW (Schuko): ca. 7 Std | Wallbox 3,7 kW: ca. 4 Std. |
  • Verbrauch: 1,1 Liter Superbenzin + 12,4 kWh auf den ersten 100 Kilometern/26 g/km
  • 4.374 x 1.860 x 1.472 mm | 352 – 1.268 l
  • Wartung: jährlich/30.000 km


Ins Heck wiederum passt viel. Zumindest bei den klassischen Verbrennern. Wer Plug-in sagt, sagt auch Tschüss zu 70 Litern Gepäckraum, die jedoch primär in der unteren Etage verloren gehen. Da aber würde sich das Ladekabel gut verstecken lassen. So fliegt es wahllos im Kofferraum rum, der es mit einer Maximalbreite von 1,02 Metern gut meint – der fahrzeugbreite von 1,86 Metern sei Dank. Die Heckklappe öffnet sich sehr einfach und schnell gänzlich ohne Elektro-Schnickschnack. Sie besteht aus Kunststoff, der laut Opel nötig war, um die scharf gezeichneten Rückleuchten dort platzieren zu können. Vorne leuchtet der Astra mit LED. Gegen Aufpreis von 1.092 Euro gibt es das neue Matrixlicht mit 86 Segmenten pro Scheinwerfer. Schade, dass Opel dieses sinnvolle Extra den Kunden des Business Edition verwehrt. Ebenso verwunderlich, dass kabelloses Handyladen in dieser Linie 126 Euro extra kostet. Gut hingegen Apple Car Play und Android Auto funktionieren kabellos – immer.

Sahne-Fahrwerk

Immer ist auch das Fahrwerk ein klassisches Standardfahrwerk ohne Adaptivregelung. Ein Manko? Nein. Opel hat beim letzten Astra erstmals wieder kein Adaptivfahrwerk angeboten und beweist beim Astra L abermals Kernkompetenz. Gerade der knapp 1,7 Tonnen schwere Plug-in-Hybrid zaubert jedem „Auto-Menschen“ am Steuer ein Grinsen ins Gesicht, ohne die Komfortfraktion zu enttäuschen. Kein nachschwingendes Heck, kein Stuckern, kein Gepoltere. Eine sanfte Ansprache der Federelemente endet in einer punktgenauen Straffheit, die fast jeden zufriedenstellen wird. Und das sogar mit 18-Zoll-Maximalbereifung.

Etwas „trockener“ verhält sich der Astra mit dem leichten Benziner an Bord. Der 1.2 Turbo bringt es auf 1.332 Kilogramm, was ihn trotz vermeintlich ärmlicher 130 PS zum flotten Begleiter und Kurvenräuber macht. Ähnlich agiert auch der Diesel, der etwas kopflastiger unterwegs ist und sich in den acht Gängen der Automatik manches Mal verhaspelt. Auch er leistet 130 PS, drückt von unten mit ordentlichen 300 Newtonmeter los. 360 stehen übrigens beim Plug-in im Datenblatt und sind im Gasfuß zu spüren. Die Kombination aus 1.6 Turbo und Strom mimt den Sportler, der auf der Kurzstrecke aber auch Asket sein kann. 60 Kilometer soll er stromern, innerstädtisch noch ein paar mehr. Wer den leeren Akku an der Wallbox füllt, steht rund vier Stunden, um den 12,4-kWh-Akku mit schwachen 3,7 kW wieder zum Leben zu erwecken. Schön ist beim Teilzeitstromer, dass er sehr leise ist – wie der gesamte Astra. Dafür haben sich die Ingenieure um den stellvertretenden Chefingenieur Thomas Stüber auch besonders gestreckt. Die Frontscheibe ist immer laminiert, die Seitenscheiben zudem bei den höheren Ausstattungen. Schade, dass keine Heizfolie zum Wärmen der Windschutzscheibe verwendet wurde, die Heizdrähte wirken anachronistisch und irritierend. Leise bleibt der Astra aber auch bei der Richtgeschwindigkeit und pfeilt mit einem Cw-Wert von 0,27 durch den Wind.

Opel Astra-e kommt

So gewappnet sollten die Voraussetzungen für einen Erfolg in die richtigen Bahnen geleitet worden sein. Zumal 2023 noch der komplett elektrifizierte Astra an den Start geht. Wann genau, mag bei Opel niemand sagen. Zu unsicher ist die Lage mit den Chips, was sich also offenbar noch ins nächste Jahr ziehen dürfte. Opel zielt als Hauptkonkurrent noch immer auf den VW Golf. Doch Obacht, was der Golf an Marktanteil im flottenrelevanten Bereich im vergangenen Jahr verloren hat, haben die Wolfsburger mit dem ID.3 hinzugewonnen. Ob sich also mit dem kommenden Astra-e das Blatt bei den Verkäufen erstmals zugunsten des Rüsselsheimers wenden wird, wird sich irgendwann 2023 erahnen lassen.

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