Von Benjamin Bessinger
Es ist still auf der Piazza vor dem Audi Forum in Ingolstadt. Denn in Tagen wie diesen bewegt sich nichts auf dem sonst so turbulenten Neuwagen-Umschlagplatz am Stammsitz der Bayern. Doch plötzlich zerreißt ein Grollen die Stille und die wenigen Passanten reißen den Kopf herum – denn aus der Tiefgarage kommt eindrucksvoll und ehrfurchtsgebietend mit bösem Blick und wummerndem Bass ein RS5 und badet sich wohlig in der Aufmerksamkeit. Zwar hat der RS5 zu Corona-Zeiten leichtes Spiel. Doch auch wenn die Welt wieder normal dreht, weiß sich dieses Auto in Szene zu setzen. Erst recht nach der Modellpflege, die in diesen Tagen in den Handel kommt.
Denn für Preise ab 70.168 Euro netto gibt es Coupé und Sportback nun nicht nur mit potentem Antrieb und präzisem Fahrwerk, sondern endlich auch mit einem Design, das dieser Technik würdig ist: Wo der A5 bei aller Eleganz ein wenig angepasst und unterkühlt und deshalb in seiner ganzen Perfektion irgendwie langweilig wirkt, zeugt der breitere und flachere Singleframe-Grill nun von deutlich mehr Kraft, die um jeweils knapp zwei Zentimeter weiter ausgestellten Kotflügel sind so provozierend und protzig wie die aufgerollten Ärmel über dem prallen Bizeps eines Bodybuilders und der neue Diffusor-Einsatz am Heck ist ein Plastik gewordener Mittelfinger, der sich trotzig der Konkurrenz entgegenreckt. Premium goes Punk und die alte Anpassung ist endlich vergessen.
Während Audi dem RS5 kräftig ans Blech gegangen ist, ändert sich am Antrieb nichts. Es bleibt beim 2,9 Liter großen V6-Turbo mit 450 PS und 600 Nm. Mit Blick auf die bestenfalls 510 PS des Mercedes-AMG C 63 und die vermutlich mehr als 500 PS des kommenden M4 ist das wohl eine vertane Chance. Doch einen echten Mangel wird man am Steuer kaum erfahren. Denn wer bei einem Sprintwert von 3,9 Sekunden und einem gegen Aufpreis auf 280 km/h angehobenen Spitzentempo noch im Ruhepuls bleibt, der sollte zum Arzt gehen und nicht ins Autohaus.
Audi RS5 Sportback (2020)
BildergalerieZumal der RS5 nicht nur auf dem Papier schnell ist. Er fühlt sich in der Praxis noch viel schneller an. Im Ort muss man sich deshalb förmlich zur Verkehrsdisziplin zwingen und kaum sieht man das Ortsschild, steigt man aufs Gas wie ein Rennfahrer beim fliegenden Start. Zack, zack, zack – rasend schnell wechselt der Wandler die Gänge und die Landschaft draußen schaltet auf Fast Forward. Und wo man sonst in Kurven und Kehren vielleicht kurz zuckt und den Fuß lupft, lässt sich der RS5 von engen Radien genauso wenig bange machen wie von Bodenwellen oder anderen Nachlässigkeiten im Straßenbau. Der Allrad mit der variablen Kraftverteilung, das Sportdifferential an der Hinterachse, Bremsen, die einem ein unerschütterliches Vertrauen einflößen, eine messerscharfe Lenkung und ein fein ausbalanciertes Fahrwerk, das sich aktiv gegen Wanken und Nicken stemmt, machen den Sportback zu einem leidenschaftlichen Präzisionswerkzeug und beweisen eindrucksvoll, dass Perfektion vielleicht manchmal doch kein Schaden ist.
Neues Infotainment-System
Doch weil der RS5 so gut fährt, verstellt er dabei den Blick auf die wichtigste Neuerung im Innenraum: das modernisierte Infotainment-Systems. Denn egal ob früher am MMI-Rädchen an der Mittelkonsole oder neuerdings mit den Fingerkuppen auf dem deutlich gewachsenen Bildschirm – wer ein RS-Modell gattungsgerecht benutzt, der hangelt sich nicht durch irgendwelche Menüs, sondern lässt die Hände am Lenkrad und die Augen auf der Straße.
Natürlich ist auch der Sport bei Audi eine Familiensache und der RS5 kommt deshalb nicht allein. Neben Coupé und Sportback gibt es auch einen RS4 Avant, der zwar mit der gleichen Technik antritt, aber einen entscheidenden Vorteil bietet – seinen großen Kofferraum. Nicht dass es einem im Sportback an Platz mangeln würde. Aber mit der Heckklappe wird aus dem Verführer plötzlich eine Wahl der Vernunft und eilige Papis sichern sich so die Zustimmung im Familienrat. Dass man dafür bis Tempo 100 zwei Zehntel mehr braucht, kann man da leicht verschmerzen. Erst recht, wenn der Avant auch noch mehr Auto für weniger Geld bietet und knapp 1.800 Euro netto günstiger ist.