-- Anzeige --

Aerodynamik: "Günstiger als eine große Batterie"

17.02.2025 12:32 Uhr | Lesezeit: 3 min
Audi Aerodynamik
Aerodynamiktest bei Audi
© Foto: Audi

Mit der E-Mobilität verschieben sich Prioritäten im Automobilbau. Die Aerodynamik rückt in den Fokus. Die Herausforderung ist komplex und beeinflusst Akustik und Thermomanagement.

-- Anzeige --

Bei manchen Automobilherstellern wurden die Aerodynamiker gerne als "Rosentechniker" belächelt. Statt immer mehr an PS aus den Motoren herauszukitzeln, kümmern sich die Windkanal-Spezialisten um das Durchschneiden der Luft.

Mit den Stromern ändern sich auch die Prioritäten. Im WLTP-Zyklus macht der Luftwiderstand 40 Prozent des Verbrauchs aus und 34 Prozent der Energie der Batterie werden dazu verwendet, den Luftwiderstand zu überwinden. Beim Verbrennungsmotor sind es dagegen nur zehn Prozent.

Mehr zum Thema

Der Elektroantrieb ist sehr effizient, daher wird ein größerer Anteil für die Fortbewegung aufgewendet. Daran erkennt man, dass bei der Elektromobilität die Karten neu gemischt werden. Hinter der Tüftelei im Windkanal stehen auch knallharte wirtschaftliche Interessen. "Aerodynamik ist günstiger als eine große Batterie", stellt Moni Islam, Leiter der Aerodynamik- und Aeroakustikentwicklung bei Audi, klar.

Eigentlich sollte man meinen, dass ein E-Auto von Natur aus auf Windschlüpfigkeit ausgelegt ist. Während bei einem Auto mit Verbrennungsmotor der Unterboden aufgrund des Triebwerks, der Auspuffanlage und unter Umständen einer Kardanwelle zerklüftet ist, hat ein BEV aufgrund der Batterie, die Teil der Karosseriestruktur ist, in der Regel einen glatten Unterboden. Dass dieser Umstand einem niedrigen cw-Wert zuträglich ist, liegt auf der Hand.

Aerodynamik: Neue Anforderung

Doch ganz so einfach ist es nicht. Die Elektromobilität hat im Windkanal mit anderen Herausforderungen zu kämpfen. "BEV haben größere Reifen, um das Gewicht zu tragen. Das ist für uns Aerodynamiker ein wichtiges Thema", erklärt Moni Islam. Dazu kommen die aufwendigen Kühlmaßnahmen, die viel anspruchsvoller sind als beim Verbrenner. Um diese komplexe Aufgabe zu lösen, setzen die Windkünstler auf steuerbare aktive Kühlsysteme, zum Beispiel die sich öffnenden und schließenden Lamellen der Frontschürze, die es vereinzelt auch bei Verbrennern bereits gab.

Eine effiziente Kühlung ermöglicht dann die Verwendung von aerodynamisch optimierten Felgen, die meistens geschlossener sind als die bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Die Software, die das Thermomanagement für die Kühlung der Bremsen und des Antriebs steuert, ist sehr komplex, da sie in allen Betriebspunkten eine ausreichende Kühlung gewährleisten muss. Nur wenn das der Fall ist, können auch die aerodynamischen Air Curtains, die die Luft "sauber" um die Vorderräder leiten, voll ausgenutzt werden. "Das Thermomanagement und die Aerodynamik müssen schon bei der Entwicklung einer Plattform berücksichtigt werden", sagt Moni Islam. Andererseits lässt ein effizientes Thermomanagement den Designern mehr Spielraum.

Bei den beliebten SUV kommen noch weitere Faktoren hinzu. Jeder Zentimeter, den das Auto höher steht, macht etwa drei Kilometer Reichweite aus. "Und das ist nur die Trimmlage", verdeutlicht der Experte. Dazu kommen aerodynamisch ungünstige Faktoren, wie die großen Reifen, die ausgestellten Radhäuser und vor allem das kastenförmige Design der Stelzen-Stromer. Schon beim bloßen Hinsehen erkennt man, dass diese Silhouette weit von der Stromlinienform eines Fisches entfernt ist.

Umso wichtiger ist es, dass die Aerodynamiker bei solchen Autos alle Register ziehen, um den cw-Wert unter die magische Grenze von 0,30 zu drücken. 0,23 lautet der Aero-Bestwert des VW ID.7 als Limousine, 0,21 "schafft" der Hyundai Ioniq 6. Meister des Fachs ist jedoch der Lucid Air mit 0,197. Was die Karosserie bewirken kann, zeigt der ID.7 Tourer (Kombi). Aufgrund der ungünstigen Heckform, an der Verwirbelungen entstehen, die das Fahrzeug sozusagen bremsen, steigt der cw-Wert auf 0,25. Und wer beispielsweise das "Sportmodell" ID.7 GTX Tourer mit 21 Zoll großen Optionsrädern ordert, wird abermals bestraft und landet bei einem cw-Wert von knapp 0,27.

Ja, die großen Schlappen kosten letztendlich Reichweite, wie Dirk Wiese, Aerodynamiker bei VW, beim Fahrtermin des großen Elektro-Kombis uns wissen lässt.

Aerodynamik: Das Heck ist entscheidend

Um den cw-Wert von 0,21 beim neuen Audi A6 e-tron Sportback mit einer Maximal-Reichweite von mehr als 750 Kilometern zu erreichen, sind zahlreiche Maßnahmen nötig. Die digitalen Außenspiegel bringen sieben Kilometer Reichweite netto (der Stromverbrauch der Displays ist berücksichtigt). An diesem Teil entzündete sich ein Disput zwischen Aerodynamikern und Designern. Die windschlüpfigste Lösung wäre, den Kameraspiegel nach hinten abzusenken, was optisch eine Katastrophe ist. Der Kompromiss besteht in einer kleinen Stufe an der Unterseite der Verkleidung.

Dass die Windkanalspezialisten nicht immer ihren Willen bekommen, sieht man an dem kleinen Heckspoiler des S6 e-tron Sportback, der für den nötigen Abtrieb sorgt, ohne den cw-Wert maßgeblich zu verschlechtern. Das Heck ist ohnehin der neuralgische Punkt eines jeden Autos. "Der Schlüssel zur Aerodynamik ist der Nachlauf", betont Islam. Je kompakter beziehungsweise schmaler die Luftströme von oben und unten zusammenlaufen, desto windschlüpfiger ist das Vehikel.

Vergleicht man den Audi A6 e-tron Sportback mit seiner nach hinten stark abflachenden Dachlinie und den A6 e-tron Avant, erkennt man, wie sehr sich die Luftströmungslinien beziehungsweise deren Verlauf unterscheiden. Versenkbare Türgriffe, wie sie derzeit in Mode sind, sehen die Experten eher als Design-Gag an. Messbar aerodynamischer werden die Fahrzeuge damit nicht.

Aerodynamik: Auf den Unterboden kommt es an

Die Klaviatur, auf der die Aero-Experten spielen, ist umfangreich. Was die Aufgabe so anspruchsvoll macht, ist die Tatsache, dass sich jede Maßnahme auf andere Bereiche des Autos auswirkt. Das gilt vor allem für den Unterboden, der zunehmend zur wichtigen Spielwiese der Aerodynamiker wird und mit spannenden Kniffen gespickt ist. Vor den Vorderrädern befindet sich ein Anstromkörper, der das Rad quasi in die Länge zieht, indem er den Luftstrom so beruhigt, dass die Pneus geschmeidiger umströmt werden. Das setzt sich am Heck fort.

Vor den Hinterrädern befindet sich ebenfalls ein kleiner Spoiler und beim Sportback beruhigt eine vier Millimeter hohe Abrisskante die Luft vor der Hinterachse. Beim Avant fehlt dieses Bauteil, weil es die Anströmung des kleinen Spoilers am Ende des Diffusors stören würde. Dieser Diffusorspoiler ist aber wichtig, da er dafür sorgt, dass die Luftströmung zu der des Daches passt. Wie sensibel das Aero-System ist und wie groß der Einfluss der einzelnen Teile ist, zeigt sich daran, dass beim Avant der vordere Anstromkörper anders geformt ist als beim Sportback.

Ein wichtiger Aspekt, den die Windmeister ebenfalls auf der Rechnung haben müssen, ist die Akustik. Da das Geräusch des Verbrennungsmotors wegfällt, fallen die des Windes deutlich mehr auf. Ein Elektroauto sollte leise sein, auch und vor allem im Innenraum. Natürlich bringen Computersimulationen viel, aber das Tüfteln im Windkanal ist nach wie vor extrem wichtig. Schließlich geht es um Millimeter, und jedes zusätzliche Teil am Auto macht die Produktion komplexer und teurer. Wie wichtig die Praxistests nach wie vor sind, zeigt die Tatsache, dass die Aerodynamiker die Größe der Anbauteile am Audi A6 e-tron nach den Wintertests noch einmal ändern mussten, da sich bei den Probefahrten herausgestellt hatte, dass sich Schneeklumpen in den Spoilern gefangen hatten.

-- Anzeige --
-- Anzeige --

HASHTAG


#Aerodynamik

-- Anzeige --

MEISTGELESEN


-- Anzeige --

STELLENANGEBOTE


-- Anzeige --

KOMMENTARE


SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

-- Anzeige --

WEITERLESEN




NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


Autoflotte ist die monatlich erscheinende Fachzeitschrift für den Flottenmarkt im deutschsprachigen Raum. Zielgruppe in diesem wachsenden Markt sind die Fuhrpark-Entscheider in Unternehmen, Behörden und anderen Organisationen mit mehr als zehn PKW/Kombi und/oder Transportern. Vorstände, Geschäftsführer, Führungskräfte und weitere Entscheider greifen auf Autoflotte zurück, um Kostensenkungspotenziale auszumachen, intelligente Problemlösungen kennen zu lernen und sich über technische und nichttechnische Innovationen zu informieren.