Von Benjamin Bessinger/SP-X
Das war für die Ingenieure offenbar eine ganz schön schwere Geburt und für die Fans eine ordentliche Geduldsprobe: Seit fast vier Jahren stimmt Honda die Schnellfahrer dieser Welt mit minimalen Evolutionsstufen zwischen Studie und (Vor)Serie auf das Comeback des NSX an. Doch jetzt hat das Warten ein Ende: Zwar hakt es in der Manufaktur in Ohio, wo maximal acht Autos am Tag gebaut werden können, offenbar noch ein bisschen, so dass der offizielle Fertigungsbeginn in den Frühjahr verschoben wurde. Aber spätestens im Sommer soll es dann wirklich losgehen, verspricht Chefingenieur Ted Klaus und lädt wie zum Beweis zur ersten Testfahrt mit den finalen Prototypen.
573 PS stark, wahrscheinlich über 300 km/h schnell und ganz sicher über 150.000 Euro teuer – auf dem Papier passt der im Windkanal geschliffene Tiefflieger perfekt in das übliche Koordinatensystem der Vollgas-Fraktion. Doch Projektleiter Klaus will sich nur bedingt mit Konkurrenten wie der V10-Version des Audi R8, dem Porsche 911 Turbo, dem Ferrari 458 oder dem McLaren 650S messen. Er nennt den NSX den Sportwagen einer neuen Zeit und sieht in eher in einer Linie mit Futuristen wie dem Porsche 918 oder dem BMW i8. Denn genau wie die beiden deutschen Hightech-Sportler setzt auch der NSX auf elektrische Unterstützung, wenn es ums Beschleunigen und vor allem um das Kurvenfahren geht: Ohne Plug-In Akku, aber dafür mit gleich drei Elektromotoren will er nicht mit brachialer Gewalt, sondern mit ingeniöser Finesse das Lustzentrum der Fahrer kitzeln.
Explosive Kraftentfaltung
Wahrscheinlich hätte schon der neue, 3,5 Liter große V6-Motor allemal das Zeug zum Porsche-Killer. Nicht umsonst kommt das im Nacken unter Glas montierte Kraftpaket allein auf 500 PS und ein maximales Drehmoment von 550 Nm. Aber mit brachialem Vortrieb war es den Japanern nicht getan. Deshalb koppeln sie den Benziner hinten mit einem ersten E-Motor, der beim Anfahren als Booster dient und so die Erinnerung an das Turboloch tilgt: Noch ehe man überhaupt ans Losfahren denkt, schießt der NSX schon Richtung Horizont, so explosiv entfaltet sich die Kraft, wenn die 47 PS starke E-Maschine ihre zusätzlichen 148 Nm vom ersten Wimpernschlag an in die Waagschale wirft. Und wenn sie nicht gebraucht wird, dient sie beim Bremsen als Generator, lädt den Akku im Mitteltunnel und speist damit auch die beiden vorderen Motoren.
Die sind zwar deutlich schwächer und kommen nur auf jeweils 36 PS und 73 Nm, sind dafür aber an jeweils ein Rad gekoppelt und lassen sich einzeln ansteuern. Wo andere beim Torque Vectoring einzelne Räder einbremsen müssen, gibt der NSX damit zusätzlich Gas und kommt so noch schneller ums Eck. Lenken wird förmlich zum Gedankenspiel, die Flunder lässt sich fast mit dem kleinen Finger entlang der Ideallinie führen und man fühlt sich so schnell wie weiland Ayrton Senna, der den ersten NSX mit entwickelt hat. Aber genau darum ging es Projektleiter Klaus ja: "Dieses Auto soll vom Fahrer keine Umstellung verlangen, sondern ihn einfach nur schneller machen", umschreibt er die Mission, für die er keinen Aufwand gescheut und manche Kröte gefressen hat.
Selbst das Mehrgewicht der Elektrotechnik ficht ihn nicht an. Erstens wiegt der NSX trotzdem nur magere 1.725 Kilo, sagt Klaus, und zweitens ist Gewicht auch in einem Sportwagen kein Schaden, wenn man es richtig verteilt. Nicht ohne Grund habe der NSX den niedrigsten Schwerpunkt in seiner Klasse.
Fahrverhalten hat Priorität
Ja, natürlich drückt das Hybridkonzept auch den Verbrauch. "Aber diese Überlegung hat allenfalls eine Nebenrolle gespielt", sagt Klaus in ungewöhnlicher Offenheit. Und auch, dass der NSX einen Straßenzug lang elektrisch fahren und der Chefentwickler seine Tochter auf diese Weise im Prototypen zur Schule bringen kann, ohne böse Anrufe von den Lehren zu erhalten, ist ihm kaum mehr als eine Randbemerkung wert. "Uns ging es dabei allein um das Fahrverhalten. Denn das ist es, was einen NSX seit je her ausmacht."
Dieses Fahrverhalten auf ein Datenblatt zu packen, fällt Chief Engineer Klaus sichtlich schwer: "Denn Zahlen können gar nicht ausdrücken, wie sich das anfühlt", sagt der Projektleiter, wenn man ihn nach konkretem Werten fragt. In der Theorie klingt das erst einmal ein bisschen albern. Aber in der Praxis muss man dem Entwickler recht geben: Wer einmal am Steuer gesessen hat, der gibt einen feuchten Kehricht auf Sprintwerte und Spitzentempo. Der kann den Fahrspaß am Pegelstand der Glückshormone ablesen. Und wenn man nach ein paar Runden ziemlich berauscht aus dem NSX aussteigt, ist man selbst für die vielen Verspätungen nicht mehr böse. Denn das Warten hat sich gelohnt.