Von Michael Gebhardt/sp-x
Fast vierzig Jahre reicht die Ahnenreihe des neuen Ferrari 488 Spider zurück. 1977 begründete der 308 GTS, mit dem Magnum auf Hawaii Verbrechern nachstellte, die Ära der offenen V8-Flitzer aus Maranello. Anders als seine frei saugenden Vorgänger setzt der neue auf einen Turbo-Motor. Das aus dem California T bekannte Aggregat entwickelt jetzt satte 492 kW / 670 PS und sitzt nicht wie im Einstiegs-Ferrari vorne, sondern ganz klassisch hinter dem Fahrer – der dafür mindestens 191.905 Euro netto auf den Tisch legen muss.
Gegenüber dem im Frühjahr 2015 präsentierten Coupé 488 GTB, das eher als reines Fahrerauto gedacht ist, sind im offenen GTS – der im gleichen machohaft-kantigen Aluminium-Blechkleid auftritt – Gäste ausdrücklich erwünscht. Das ändert aber nichts daran, dass man sich auf dem rechten Platz wie schmückendes Beiwerk fühlt: alles im Cockpit ist auf den Fahrer ausgerichtet. Der große Drehzahlmesser im Kombiinstrument wird, für den Sozius nicht einsehbar, von zwei Bildschirmen flankiert. Links der Bordcomputer mit allerlei technischen Infos wie Reifentemperatur, Turbodruck und irgendwo auch Geschwindigkeit, die aber wie eine Randnotiz wirkt; rechts das Navigations- und Infotainmentsystem. War man beim Kauf großzügig, bekommt Nebenmann immerhin ein zweizeiliges Display über dem Handschuhfach, das ihm Tempo, Kilometerstand und Drehzahl mitteilt. Auch die Bedienung obliegt weitgehend allein dem Fahrer. Die Tasten und Schalter sind rund um das Instrumentenpanel angeordnet oder direkt auf dem Lenkrad. Ferrari verzichtet auf Lenkstockhebel und packt Blinker, Fernlicht und Scheibenwischer ebenso aufs Volant, wie den Fahrmodus-Schalter und den roten Motor-Startknopf.
Tempo 100 locker im zweiten Gang
Letzterer erweckt den 3,9 Liter großen Achtzylinder mit einem akustischen Willkommens-Grußzum Leben. 100 Pferdestärken mehr als im Vorgänger stecken in dem um 0,6 Liter geschrumpften Triebwerk, dazu kommen massige 760 Newtonmeter Drehmoment, die den Vorsprung zum 458 noch weiter vergrößern; der musste mit 540 Newtonmetern auskommen, die erst bei 6.000 Touren zur Gänze bereitstanden. Der neue wirft schon bei 3.000 Umdrehungen seine ganze Kraft in die Waagschale, beziehungsweise auf die Hinterachse. Das fühlt sich so brachial an, wie es klingt! Geschaltet wird über fest stehende Paddel hinter dem Lenkrad, rote Leuchtpunkte auf dem Volant zeigen den optimalen Zeitpunkt dafür an – und diese Anzeige ist keinesfalls aufs Spritsparen getrimmt; Tempo 100 lässt sich locker im zweiten Gang erreichen. Allerdings steht auch im siebten noch ausreichend Kraft für spontane Zwischensprints bereit. Wer sich damit gar nicht beschäftigen will, kann auch das Doppelkupplungsgetriebe die Arbeit alleine machen lassen.
Die neueste Generation des Turbo-V8 kommt unter anderem mit kugelgelagerten Turbinenrädern aus Aluminium-Titan. In Summe sorgen die Verbesserungen für ein um 21 Prozent gegenüber dem California verkürztes Ansprechverhalten. Auf 0,8 Sekunden beziffert Ferrari die Reaktionszeit, der Sauger im 458 kam auf ein Zehntel weniger. Das dürfte nur die allerwenigsten Fahrer bemerken, im Gegenteil: Wer es nicht besser weiß, vermutet hier alles, aber keinen aufgeladenen Motor. Es reicht, mit den Zehen des rechten Fußes zu spielen, schon gibt der V8 seinen Pferdchen die Sporen; gleichmäßig wie ein Schweizer Uhrwerk entfaltet sich die Kraft bis zur Maximaldrehzahl von Turbo-untypischen 8.000 Touren. Wie das Coupé, reißt auch der Spider nach drei Sekunden die Hunderter-Marke; beim Sprint auf 200 Sachen braucht er mit 8,7 Sekunden aber vier Zehntel länger - vor allem die 50 Kilogramm Mehrgewicht machen sich auf der Stoppuhr bemerkbar. Fahrer und Beifahrer werden den Unterschied nicht merken, und wenn sie sich wieder aus den Ritzen der Sitze befreit haben, dürfte der Ferrari schon bei über 325 km/h angelangt sein.
Ausgefeilte Aerodynamik
Auch was die Querbeschleunigung anbelangt, steht der Spider dem Coupé in nichts nach. Mit voller Wucht wirft der offene Italiener seine perfekt austarierten anderthalb Tonnen in die Kurve und folgt jeder noch so kleinen Lenkbewegung wie ein Hund dem Leberwurstbrot. Die ausgefeilte Aerodynamik sorgt für den bestmöglichen Abtrieb und neueste Stabilitäts-Technik überwacht die Kraftverteilung an der Hinterachse. Sie erlaubt sogar leichte Driftwinkel, ehe mahnend eingegriffen wird. Der Normverbrauch von 11,4 Litern ist bei dieser Gangart natürlich nicht realisierbar, der knapp 80 Liter große Tank lässt sich auf nur gut 150 Kilometern problemlos halbleer fahren. Selbst das aber wird durch die atemberaubende Klangkulisse entschuldigt, die ungestört in den Innenraum dringt. Nach 14 Sekunden ist das Hardtop im Heck verschwunden und selbst bei geschlossenem Dach lässt sich das gläserne Windschott hinter den Sitzen versenken, um den Motorsound ungefiltert genießen zu können.
Von tief grummelnd bis laut brüllen reicht das Timbre des 488, ohne aber in das martialische Kreischen mancher Vorgänger zu verfallen. Überhaupt haben die Entwickler ihrem Macho Manieren beigebracht, denn bei aller knallharten Sportlichkeit, die er an den Tag legt, weißer sich auch wie ein Gentleman zu benehmen. Wer vom Race-Modus in die hier vorsichtshalber Sport genannte Normalstellung wechselt, bekommt einen entspannten Cruiser, der sich im unteren Drehzahlbereich –wo mehr als genug Leistung bereit steht – dank geschlossener Abgasklappen akustisch äußerst zurückhält und auch schlechte italienische Landstraßen gutmütig verarbeitet; auch bei den Dämpfern versucht Ferrari übrigens mit aller Gewalt das Softie-Image zu vermeiden und nennt die weichere Abstimmung lieber Schlechtwege-Modus statt Komfortbetrieb. Mit dieser Gelassenheit, distanziert sich der Ferrari 488 ganz klar von seinen auf Krawall getrimmten Artgenossen vom Schlage eines Lamborghini Aventador, und eifert vielmehr dem Multitalent Porsche 911 Turbo S nach – allerdings mit deutlich höherem Nachguck-Potenzial.