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CarPass: Digitale Fahrzeugakte kommt

14.04.2020 12:02 Uhr
CarPass: Digitale Fahrzeugakte kommt
Wolfram Stein: "Ein gewerblicher Partner kann die eigenen Fahrzeuge aufwerten, indem er eine nachvollziehbare Historie belegt, die dann auch hersteller -und systemunabhängig digital vorliegt."
© Foto: CarPass

Es geht um Daten. Es geht um Sicherheit. Und es geht um Autos. CarPass nennt sich eine unabhängige Datenplattform, die Fahrzeughaltern – also auch Unternehmen – die Möglichkeit bieten will, Herr der Fahrzeugdaten zu bleiben.

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Von Timo Bürger

Neuwagen sind heutzutage Datenerzeuger. Eine digitale Identität, eine digitale Fahrzeugakte für jedes Kraftfahrzeug, ein Kfz-Ausweis für jeden Neuwagen, mithilfe dessen sich die Fahrzeughistorie eindeutig nachverfolgen und belegen lässt, um beispielsweise Tachomanipulation offenzulegen – das ist die Idee hinter dem System CarPass. Vor allem für Gewerbetreibende, Flottenverantwortliche und Werkstätten soll das Gratis-System noch ganz andere Benefits bringen. Ein Gespräch mit Wolfram Stein von CarPass über die Vorzüge dieser Technik – und die Frage, warum die digitale Akte nicht jedem gefällt.

Autoflotte: Autos sind heutzutage fahrende Datensammler und -sender: Was passiert eigentlich mit den Daten, die Autos senden?

Wolfram Stein: Den meisten Haltern ist nicht bewusst, welche Daten die Fahrzeuge produzieren und was die Hersteller damit machen. Oftmals lassen die OEM (die Erstausrüster, Anmerkung der Redaktion) Auftragsdatenverarbeitungen unterschreiben, aber viele Halter wissen gar nicht, was das bedeutet. Die Hersteller nutzen die Daten einfach. Erst seit 2018, dem Jahr der DVSGO, kommt ein wenig Bewegung in dieses Modell. Viele Hersteller bieten eigene Apps an, die faktisch lukrative Geschäftsmodelle sind. Diese wären gefährdet, wenn dem Halter klar wäre, was mit den Daten passiert. Nur dann, wenn Sie der Inhaber der Datenhoheit sind – das kann beispielsweise ein Autohaus oder eine Flotte sein – oder Sie durch ein Mandat vom Halter beauftragt werden, können sie an valide Informationen zu Daten wie beispielsweise Tachostände kommen.

Beispiel Automotive-Aftermarket: Ein Werkstatt-Mitarbeiter schließt ein Diagnosegerät an und gibt die FIN (Fahrzeugidentifizierungsnummer, Anmerkung der Redaktion) ein – das ist die zentrale, eindeutige ID fürs Auto. Dann speichert die Werkstatt in ihrem eigenen System unter der FIN die Daten ab. Die FIN ist aber ein personenbeziehbares Datum, das heißt die Diagnose-Daten aus Ihrem Fahrzeug gehören Ihnen. Die Werkstätten sind aber zum einen gar nicht darauf vorbereitet, Ihnen diese Daten zu geben, zum anderen wäre dies mit Kosten verbunden. Unter Umständen bekommen die Werkstätten selbst noch ein Datenschutzproblem.

Was genau kann Ihr CarPass-System?

W. Stein: Was wir bei CarPass bezwecken: Wir sind eine unabhängige Datenplattform, bei der die Halter eines Fahrzeuges die Möglichkeit bekommen, praktikabel darüber zu entscheiden, welcher Hersteller, welcher Versicherer oder welche Werkstatt wie mit den personenbezogenen Daten umgeht. Wir verstehen uns als unabhängige Instanz, die dem Halter die Möglichkeit bietet, dessen Datensouveränität zu wahren und vor allem auch zu nutzen. Somit schafft CarPass die Möglichkeit eines digitalen Dialogs zwischen Halter und Aftermarket.

Wir sammeln für Sie als Halter die Daten sozusagen als "Abfallprodukt" ein, stellen sie in einem nur Ihnen zugänglichen Bereich zur Verfügung – und Sie entscheiden, wer auf die Daten zugreifen kann. Will ein Hersteller auf Ihre Daten zugreifen – das kann ja sinnvoll sein – muss er eine geringe Transaktionsgebühr zahlen und Sie als Halter erhalten eine Rückvergütung.

Wie sicher ist CarPass?

W. Stein: Unsere Sicherheitsstandards entsprechen denen der Bundesdruckerei und den Anforderungen des BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik). Das ist rechtssicher, und es ist ein Novum: Wir haben gemeinsam mit der Bundesdruckerei als technologischer Entwicklungspartner eine komplett neue Software entwickelt, die so kein anderer Anbieter hat: Wir sind – vereinfacht ausgedrückt – so sicher wie eine Blockchain-Technik (Technik zur fälschungssicheren Übermittlung von Daten, Anmerkung der Redaktion): Allerdings ohne deren Nachteile, denn eine Blockchain-Technik ist unter anderem nicht datenschutzkonform.

Was ist der besondere Benefit für Gewerbekunden?

W. Stein: Für einen gewerblichen Partner ist unser Produkt besonders interessant, weil dieser die Daten aus allen Systemen abfragen kann und nicht nur diejenigen auf den Systemen, die er kennt oder auf die er selbst Zugriff hat. Ein gewerblicher Partner kann die eigenen Fahrzeuge aufwerten, indem er eine nachvollziehbare Historie belegt, die dann auch hersteller -und systemunabhängig digital vorliegt. Diese Informationen können auch übergeben werden. So gesehen kann man das CarPass-System als Gebrauchtwagensiegel nutzen.

Einer der größten Vorteile des CarPass-Systems ist: Als "Single Point of Truth" ist es die einzige Datenquelle, die alle Daten valide verifizierbar übergibt und in der Lage ist, eine End-to-End-Digitalization zu betreiben. Das bedeutet: Sie haben keinen Medienbruch mehr im Umgang mit Fahrzeugdaten. Sie haben stattdessen einen durchgängig komplett digitalen Prozess, der in jedem anderen digitalen Prozess über entsprechende Anbindungen für Autohäuser oder Flotten integrierbar ist. Unser System schafft also die Basisvorrausetzung für das digitale Autohaus.

Wie funktioniert der Identifizierungsprozess der Kunden?

W. Stein: Wir starten demnächst mit einer Identifizierung vor Ort bzw. beim CarPass-Marktpartner. Da können Sie sich bei einem unserer Partner – aktuell etwa 2.000 Autohäuser und Versicherungen bundesweit – identifizieren. Voraussetzung ist, dass der Halter uns sein Mandat zur Einholung seiner Daten gibt. Zukünftig wird dieser Identifizierungsprozess komplett digital abgebildet. Dies wird durch unseren Dienstleister AUTHADA gewährleistet. Der Live-Gang für den Halter oder Endkunden steht kurz bevor.

Mit wie vielen Kunden rechnen Sie?

W. Stein: Der Markt ist einfach zu beschreiben: Es gibt hierzulande 52 Millionen zugelassene Autos, in Europa sind es 325 Millionen Autos. Wir haben in Europa jedes Jahr dreieinhalb Millionen Neuzulassungen, in Europa sind wir bei etwa 18 Millionen. Seit etwa fünf Jahren haben die meisten Autos ein SIM-Karte verbaut und können Daten übertragen. 100 Millionen Autos fahren in Europa und senden Daten – das sind potenzielle Kunden. Natürlich können wir auch ältere Fahrzeuge ohne Connected Car Services aufnehmen.

Wahrscheinlich gefällt nicht jedem in der Autoindustrie Ihr System?

W. Stein: Der Widerstand bei den Autoherstellern ist groß: Das ist der Markt, der sich durch CarPass bedroht sieht. Wenn es plötzlich hieße: "Hol dir deine Autodaten! Verkauf doch deine Daten an einen Hersteller, der soll dich bezahlen!" – dann wären die Geschäfte weniger lukrativ. Wenn Sie wollen, dass Ihre Daten gelöscht werden, muss dies aber passieren. Die Hersteller müssen dann Sorge tragen, dass das erfolgt, also im Zweifel die SIM-Karte deaktivieren oder Ihnen bestätigen, dass die Daten an ein neutrales System wie unseres weitergeleitet werden und nicht vom Hersteller genutzt werden. Es gibt auch verschiedene Konzepte der Hersteller, ein eigenes neutrales System aufzubauen. Allerdings widersprechen diese den geltenden Daten- und Verbraucherschutzgesetzen. Insofern sehen wir uns gut gerüstet. Außerdem bieten wir allen Akteuren im Markt – also auch den Herstellern – die Möglichkeit, das CarPass-System zu nutzen.

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