_ Im verhandelten Fall des Landgerichts (LG) Köln (Urteil vom 29.3.2016, Az. 36 O 65/15) hatte der Geschädigte den Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallgegners aufgrund eines Verkehrsunfalles in Anspruch genommen, den dieser an einer Ampel beim rückwärtigen Ausparken verursachte. Die Haftung war unstreitig, allerdings hatte der Versicherer eine Vielzahl an Kürzungen vorgenommen, die sich insgesamt auf 7.333,15 Euro beliefen und sich aus restlichen Reparaturkosten bei konkreter Abrechnung laut Rechnung, Nutzungsausfallkosten und einem merkantilen Minderwert zusammensetzen.
Bei den Reparaturkosten kam der übliche Einwand, dass diese nicht in voller Höhe erforderlich waren (hier: Austausch des Lenkgetriebes). Der Nutzungsausfallschaden wurde nicht gezahlt, da die Reparaturdauer objektiv zu lang war; die Wertminderung wurde bestritten.
Die Entscheidung
Das Gericht hat sämtliche Kosten in voller Höhe zugesprochen und folgende sechs treffende amtliche Leitsätze herausgearbeitet:
- Maßgeblich für die Höhe des vom Schädiger zu ersetzenden Schadens sind die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten, wenn der Geschädigte insoweit seine Obliegenheiten zu Schadenminderung berücksichtigt hat.
- Dies ist der Fall, wenn der Geschädigte ein Privatgutachten vor Reparatur einholt, er darf sodann auf das Ergebnis des Gutachtens auch hinsichtlich des Reparaturweges vertrauen.
- Nutzungsausfallschaden ist für die gesamte Zeit der reparaturbedingten Nichtverfügbarkeit eines Fahrzeugs zu erstatten.
- Diese Dauer beginnt mit dem Unfall, wenn das Fahrzeug ab diesem Zeitpunkt nicht mehr verkehrssicher ist.
- Ob die Reparaturdauer objektiv zu lang ist, ist unerheblich, da der zeitliche Ablauf einer Reparatur nicht in der Hand des Geschädigten liegt.
- Im Verfahren entstandene Sachverständigenkosten können einer Partei vollumfänglich auferlegt werden, wenn die Partei mit dem diesbezüglichen Vortrag vollständig unterliegt. Dies gilt auch, wenn im Übrigen eine verhältnismäßige Teilung der Kosten vorgenommen wird.
Fazit: Blickwinkel des Geschädigten
Die letzten Monate zeigen, dass selbst bei konkreter Abrechnung eines Reparaturschadens, das heißt nach Vorlage einer Reparaturrechnung, vermehrt Kürzungen seitens des Versicherers vorgenommen werden.
Da im Rahmen der Schadensersatzpflicht gemäß § 249 BGB die erforderlichen Kosten zu erstatten sind, ist das Merkmal der Erforderlichkeit Dreh- und Angelpunkt der Streitigkeiten.
Gerade nach konkreter Abrechnung jedoch ist es zumeist unzulässig, Kürzungen aufgrund der Behauptung, bestimmte Positionen seien nicht erforderlich, vorzunehmen. Dies hat den Hintergrund, dass der Blickwinkel des Geschädigten zu beachten ist.
Nach überwiegender Ansicht sind dem Geschädigten selbst solche Mehrkosten zu ersetzen, die ohne sein Verschulden durch (gegebenenfalls) unsachgemäße Maßnahmen der Reparaturwerkstatt entstehen. Der Schädiger trägt das"Werkstatt- und Prognoserisiko", falls den Geschädigten nicht ausnahmsweise hinsichtlich der gewählten Fachwerkstatt ein Auswahlverschulden trifft. Hierbei sind auch die begrenzten Kenntnisund Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten in den Blick zu nehmen.
Kein Einfluss nach Reparaturauftrag
Sobald der Geschädigte das verunfallte Auto der Reparaturwerkstatt zwecks Reparatur übergeben hat, hat er letztlich keinen Einfluss mehr darauf, ob und inwieweit sodann unnötige oder überteuerte Maßnahmen vorgenommen werden. Dies darf nicht zu seinen Lasten gehen, da er ansonsten einen Teil seiner aufgewendeten Kosten nicht ersetzt bekommen würde (vgl. AG Düsseldorf, Urteil vom 21.11.2014, Az. 37 C 11789/11).
Ebenso verhält es sich mit der Reparaturdauer im Hinblick auf die Mietwagenkosten beziehungsweise den Nutzungsausfallschaden. Wenn die tatsächliche Reparatur länger dauert als die laut Gutachten kalkulierte, hat der Versicherer diese Kosten zu tragen, sofern hierzu kein Mitverschulden des Geschädigten beigetragen hat.
Inka Pichler-Gieser Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verkehrsrecht, Partnerin der Kanzlei Kasten & Pichler in Wiesbaden
- Ausgabe 07/2016 Seite 77 (94.7 KB, PDF)