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Sommerzeit ... Reisezeit ... Unfallzeit

01.07.2016 06:00 Uhr
Sommerzeit ... Reisezeit ... Unfallzeit

Jährlich fahren Millionen Deutsche mit ihrem Wagen dienstlich oder privat ins Ausland. Viele Tausend erleiden dort Verkehrsunfälle mit Sach- oder Personenschäden. Was ist dann zu tun?

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_ Bei Sachschäden gilt es als erste rechtliche Maßnahme, den nach einheitlichem Muster mehrsprachigen "Europäischen Unfallbericht" (sollte in jedem Auto vorhanden sein) gemeinsam mit dem Unfallgegner auszufüllen. Dabei geht es nicht um die Schuldfrage, sondern um die im Ausland zumeist schwierige Beweissicherung. Zumindest bei reinen Sachschäden am Fahrzeug wird in den meisten europäischen Ländern kein polizeiliches Protokoll erstellt. Auch Angaben zu den Versicherungen sind in einigen Ländern, insbesondere Italien und Frankreich, schwer zu erhalten.

Bei alldem sind einschlägige Kenntnisse des nationalen Haftungsrechts für den in Deutschland (zunächst nur) beratenden Rechtsanwalt unerlässlich. Allein die Frage nach dem Ersatz für Mietwagenkosten oder die Übernahme von Gutachterkosten sind abweichend vom deutschen Recht von Land zu Land unterschiedlich und kompliziert. Im Deliktsrecht (Schadensersatzrecht) gibt es in Europa noch keine Harmonisierung. Noch komplizierter wird es bei Personenschäden. Hier sollte der deutsche Rechtsanwalt vor der Übernahme des Mandats - trotz der Anwendbarkeit der 4. und 5. Kraftfahrzeughaftpflicht-(KH-)Richtlinie und damit der Möglichkeit einer Regulierung von Deutschland aus - sich sehr genau fragen, ob er die Unfallabwicklung nicht besser einem ausländischen Kollegen überlassen sollte. Ganz abgesehen davon, dass auf der Grundlage des ausländischen Rechts entschieden wird, ist vielfach bereits eine einfache Akteneinsicht ohne Vertreter am Unfallrespektive Gerichtsort schlicht unmöglich. Nicht vor Ort zugelassene Rechtsanwälte erhalten keine Akteneinsicht, von möglichen sprachlichen Problemen ganz zu schweigen.

Französische Gerichte können in der Regel mit deutschen medizinischen Gutachten nichts anfangen, da in Frankreich der Schmerzensgeldanspruch nach einem Punktesystem errechnet wird, das wiederum deutschen Gutachtern und Anwälten fremd ist.

Hinzu kommt noch die unterschiedliche Abwicklung bei der Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten. Selbst in vielen EU-Mitgliedsländern sind außergerichtliche Anwaltskosten keine unbedingt von der Gegenseite zu erstattende Schadenposition. Daher gilt beim Auslandsunfall umso mehr der Grundsatz: "Augen auf bei der Wahl des Anwalts".

Abwicklung von Deutschland aus

Einfacher geworden ist die Regulierung von Deutschland aus zumindest seit 2003 mit der 4. KH-Richtlinie. Die Abwicklung von Auslandsunfällen von Deutschland aus ist seitdem gegenüber einem in Deutschland ansässigen Schadenrepräsentanten der jeweiligen ausländischen Kfz-Versicherung möglich. Dies gilt für alle EU-Staaten und für die Länder des Europäischen Wirtschaftsraums/EWR (Island, Liechtenstein, Norwegen und seit 1.10.2014 weitestgehend auch für die Schweiz). Voraussetzung ist, dass der Geschädigte seinen Wohnsitz in einem EU- oder EWR-Land hat und das Fahrzeug, das den Verkehrsunfall verursacht hat, ebenso in einem dieser Länder versichert ist und dort auch seinen überwiegenden Standort hat.

In diesem Fall muss der Geschädigte nicht mehr wie früher seinen Schaden bei einer Versicherung im Ausland geltend machen. Aber, was immer noch von deutschen Rechtsanwälten manchmal übersehen wird: Maßgeblich ist immer noch das materielle Recht des Unfalllandes. Und dies bedeutet, dass der tätig werdende deutsche Anwalt dieses kennen sollte, ebenso das dortige Prozessrecht.

Drei-Monats-Frist

Der sogenannte Schadenregulierungsbeauftragte hat nach der 4. KH-Richtlinie eine Schlüsselposition bei der Abwicklung. Er muss innerhalb von drei Monaten, nachdem der Geschädigte seinen Schadensersatzanspruch ihm gegenüber geltend gemacht hat, ein Entschädigungsangebot vorlegen. Anderenfalls muss er den Anspruch begründet zurückweisen. Vorteil für den deutschen Geschädigten: Dies alles kann in deutscher Sprache geschehen.

Unterbleibt ein Angebot oder eine fundierte Ablehnung innerhalb der Drei- Monats-Frist, sieht die Richtlinie Sanktionen vor. Neben Zinsen drohen beispielsweise in Tschechien 1.000 Euro und in Spanien sogar bis zu 150.000 Euro. Zudem kann sich der Geschädigte jeweils an die nationale Entschädigungsstelle wenden. Die Aufgaben dieser Entschädigungsstelle übernimmt in Deutschland der bekannte Verein Verkehrsopferhilfe. Dieser ist letztlich zuständig, wenn entweder kein Schadenregulierungsbeauftragter benannt wurde, innerhalb der Drei-Monats-Frist keine begründete Antwort erfolgte oder der zuständige Versicherer nicht bekannt gegeben wird beziehungsweise die ausländische Versicherung nicht pflichtgemäß regulierend tätig wird.

Im Streitfall ist durch diese Beauftragtenkonstellation für den Geschädigten die Möglichkeit eröffnet, die Kfz-Haftpflichtversicherung des Schädigerfahrzeugs am Wohnsitz des Geschädigten direkt zu verklagen (Geschädigtenwohnsitz-Gerichtsstand).

Zentralruf der Autoversicherer

Was aber, wenn bei alledem eine Versicherung des Unfallgegners nicht oder nur schwer zu ermitteln ist? Dafür gibt es als wichtigen Anlaufpunkt die Versicherungsauskunftsstelle. Der Geschädigte kann sich am besten in Deutschland an den Zentralruf der Autoversicherer (GV) kostenfrei wenden. Dort kann er folgende Daten abrufen:

- die Kfz-Haftpflichtversicherung des Schädigerfahrzeugs

- den Schadenregulierungsbeauftragten dieser Versicherung in Deutschland

- die Nummer der Versicherungspolice

- nötigenfalls die Nummer der grünen Versicherungskarte oder die Grenzversicherungsnummer

- Namen und Anschrift des Kfz-Halters oder -Eigentümers; u. U. auch Name und Anschrift des üblichen Fahrers.

Dies alles soll es dem Geschädigten erleichtern, seine berechtigten Ansprüche geltend zu machen. Dabei hat sich in der Praxis durchgesetzt, dass - wenn überhaupt - von Deutschland aus Blechschäden reguliert werden, Personenschäden dagegen am besten durch deutschsprachige Rechtsanwälte vor Ort reguliert werden sollten. Die meisten (Rechtsschutz-)Versicherer verfügen über entsprechende Kontaktadressen im Ausland - zumeist auch deutschsprachige.

Beispiel Italien

In den meisten europäischen Nachbarländern müssen deutsche Rechtsanwälte Besonderheiten beachten. So auch exemplarisch im beliebten Reiseland Italien. Beim Sachschaden werden dort Kosten eines Sachverständigengutachtens bei reparablen Schäden in der Regel nicht ersetzt. Hier helfen Rechnungen und Fotos. Und bei Personenschaden wird das damit verbundene Schmerzensgeld mittels Tabellen errechnet und steht auch Hinterbliebenen zu.

Der Geschädigte ist gut beraten, insbesondere bei Unfällen mit Verletzten, zur Schadensabwicklung einen deutschsprachigen italienischen Rechtsanwalt vor Ort zu Rate zu ziehen. Meist bekommt dieser zumindest einen Teil seines Honorars von der Kfz-Versicherung des Unfallgegners erstattet, sodass der Geschädigte häufig nur anteilig die außergerichtlichen Kosten übernehmen muss. Aber besser ist für alle Auslandsfälle, sich vor Reiseantritt die Frage nach einer geeigneten Rechtsschutzversicherung zu stellen. Auslandsfahrten ohne eine solche bedeuten - oft aus Unkenntnis - ein Sparen am falschen Ende. Dies allein deshalb, weil zum Beispiel in Italien das Anwaltshonorar derzeit frei bestimmbar ist. Beratungsangelegenheiten werden verstärkt mit einem Stundenhonorar berechnet. Die jeweilige Vergütung sollte unbedingt vorab mit dem Rechtsanwalt verhandelt werden - und nicht im Nachhinein.

Hinzu kommen Kosten für Reisen des Rechtsanwalts (auch zur Akteneinsicht), Telefonate, Fotokopien, Stempelmarken usw.

Bei Unfallabwicklungen sind außergerichtliche Anwaltskosten grundsätzlich vom Gegner zu erstatten. Dies kann in Form eines gewissen Prozentsatzes der letztlich durchgesetzten Forderung geschehen. In der Regel sind zehn Prozent üblich, nicht selten aber auch bis zu 30 Prozent.

Noch komplizierter wird es bei prozessualen Kosten des Rechtsanwalts. Da hier nur die "unbedingt notwendigen" Anwaltskosten der obsiegenden Partei zu erstatten sind, kann der siegende Geschädigte unter Umständen auf einem erheblichen Teil seiner Auslagen sitzen bleiben.

Sachverständigenkosten in Italien

Die Sachverständigenkosten werden in Italien grundsätzlich von der gegnerischen Versicherung übernommen, auch wenn diese das zumeist entschieden abstreiten wird oder generell die Reparaturkostenrechnung verlangt wird, was in der Regel unstatthaft ist. Selbst eine fiktive Abrechnung ist möglich, wenn auch mit zum Teil deutlichen Kürzungen - was übrigens erst recht für Kostenvoranschläge gilt.

Mietwagenkostenersatz gibt es nur dann, wenn das Fahrzeug zur Berufsausübung benötigt wird oder bei Personen mit körperlicher Behinderung. Eine weitere Besonderheit zeigt sich beim Schmerzensgeld: Es wird unterschieden zwischen dem"danno morale" und"danno biologico": Beim moralischen Schaden geht es um die Beeinträchtigung durch Schmerzen, Schock oder seelische Belastung des Geschädigten; beim biologischen Schaden um den Gesundheitsschaden als solchen.

Darüber hinaus gibt es noch den "danno estetico" (ästhetischer Schaden) und den "danno esistenziale" (sonstiger Schaden).

Beispiel Österreich

Aber auch in anderen Ländern sieht es nicht einfacher aus. So sollte insbesondere bei Schäden in Österreich für die Regulierung von Personenschäden ein mit den Besonderheiten des einschlägigen Rechts vertrauter Anwalt eingeschaltet werden. Denn beim Schmerzensgeldanspruch ist es unbedingt erforderlich, die österreichische Tagessatzpraxis sowie die neuere Rechtsprechung zur Bemessung der Höhe des Anspruchs zu kennen.

Und auch bei Sachschadenregulierung im Nachbarland lauern Fallstricke wie die Nichtgewährung einer pauschalierten Nutzugsentschädigung während der Reparaturzeit, der bei Nichtreparatur von den Versicherungenangebotenen "Reparaturkostenablöse" (ähnlich der fiktiven Abrechnung in Deutschland) oder der oft verlangten Begutachtung des verunfallten Fahrzeugs durch die (gegnerische) österreichische Versicherung. Nicht zu vergessen ist auch noch die als"Blaulichtsteuer" bekannte Gebühr für die Schadensaufnahme durch die Polizei.

Dies alles möge drei Ratschläge verdeutlichen. Erstens: Auslandsschäden nicht ohne Rechtsanwalt in "Eigenregie" durchführen, solange der Geschädigte nicht über einschlägige Erfahrungen verfügt. Zweitens: Spätestens bei Personenschäden einen Rechtsanwalt des Unfalllandes zu Rate ziehen (trotz der Möglichkeiten der 4. und 5. KH-Richtlinie) oder wenigstens einen in Deutschland mit der Rechtsordnung des Unfalllandes bestens vertrauten Rechtsanwalt beauftragen. Und drittens: Keine Auslandsfahrten ohne Rechtsschutzversicherung, um sich im Schadenfall schnellstmöglich durch diese einen erfahrenen Rechtsanwalt vor Ort benennen zu lassen und um das eigene Kostenrisiko zu minimieren.

Dr. Michael Ludovisy Rechtsanwalt und Rechtsexperte von Autoflotte

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