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Reisezeit mit dem Dienstwagen

01.06.2016 06:00 Uhr
Reisezeit mit dem Dienstwagen

Jedes EU-Land hat seine verkehrsrechtlichen Besonderheiten, die zum Teil nicht bekannt sind. Schon bei geringen Verstößen im Ausland drohen empfindliche Geldbußen.

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_ Wie in jedem Jahr zur beginnenden Reisezeit treten Fragen, wie Bußgelder bei Auslandsfahrten geahndet werden, mehr in das Bewusstsein der Autofahrer. Auch Dienstwageninhaber, die ihr Fahrzeug privat nutzen dürfen, verbringen zumeist einige Tage oder gar Wochen im europäischen Ausland.

Oft wird dabei übersehen, dass schon bei geringen Verkehrsverstößen im Ausland empfindliche Geldbußen drohen. Wer auf ausländischen Straßen unterwegs ist, unterliegt dem dortigen Recht respektive den örtlichen Verkehrsregeln, mögen sie dem Einzelnen auch noch so fremd erscheinen.

Allerdings ist die Vollstreckung der verhängten Geldsanktionen in Deutschland zumeist gar nicht so eindeutig - noch nicht.

Beispiel Italien

Wie ungewohnt für deutsche Autofahrer die Verkehrsregeln in häufig bereisten EU-Ländern sein können, zeigt sich unter anderem in Italien.

Nach Klarstellung des Landesamtes für Kfz der Provinz Bozen zum diskutierten Sommerverbot für Winterreifen gilt, dass in Italien ab dem 15. Mai spezielle Winterreifen während der Sommermonate nicht mehr verwendet werden dürfen. Es handelt sich jedoch nicht um ein generelles Verbot, in den Sommermonaten Winterreifen zu benutzen.

In den Sommermonaten (16. Mai bis 14. Oktober) darf nach einer Verordnung des italienischen Transportministeriums mit Winter- oder Ganzjahresreifen dagegen nur dann gefahren werden, wenn diese einen Geschwindigkeitsindex aufweisen, der mindestens dem in der Zulassungsbescheinigung Teil I festgesetzten Geschwindigkeitsindex entspricht.

Mit dem Fahrradträger nach Italien? Kein Problem, aber es muss jede nach hinten (bis maximal drei Zehntel der Fahrzeuglänge) hinausragende Ladung mit einer Warntafel versehen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Ladung weniger als einen Meter übersteht. Das Überstehen der Ladung nach vorne ist immer unzulässig. Es muss eine viereckige, mit reflektierendem Material überzogene Tafel am Ende des vorspringenden Ladungsteils angebracht werden. Die Warntafel muss ständig quer zur Fahrtrichtung verbleiben. Sie muss mindestens 50 x 50 Zentimeter messen und rot-weiß schraffiert sein. Außerdem soll sie aus Blech sein und der Typengenehmigung entsprechen.

Bergstraßen

Was viele Deutsche anscheinend ebenfalls nicht wissen oder nicht wahrhaben wollen: Auf Bergstraßen haben bergwärts fahrende Fahrzeuge grundsätzlich Vorfahrt, es sei denn, es steht eine nahe Ausweichmöglichkeit zur Verfügung.

Eine sinnvolle Regel, die in den meisten Alpenländern gilt. Wer dies nicht weiß oder nicht beachtet, gefährdet nicht selten den Verkehr auf Passstraßen. Vielleicht sollte man sich als Urlauber einmal ins Gedächtnis rufen, dass alle Verkehrsteilnehmer in allen Gastländern die dortigen Regeln zu kennen haben, was schlicht bedeutet, dass man sich neben der Frage der Fahrtroute und der nächsten Übernachtung auch die Regeln des jeweiligen Gastlandes zu vergegenwärtigen hat.

Warnwesten für Radler

Die Regelung zu Warnwesten dürfte bekannt sein. Aber auch, dass bei Fahrten mit dem Fahrrad bei Dunkelheit außerhalb geschlossener Ortschaften Westen Pflicht sind? Oder dass sogar tagsüber für Radler bei Fahrten durch einen Tunnel ebenfalls eine Warnweste vorgeschrieben ist?

Ordnungswidrigkeiten wie Geschwindigkeitsverstöße können in Italien extrem teuer werden. 20 km/h zu schnell bedeuten Geldbußen ab 170 Euro, wobei dies als Mindestbuße tagsüber gilt. Nachts (zwischen 22 und 7 Uhr) liegen die Bußen um zirka ein Drittel höher. Rotlichtverstöße werden ebenso behandelt. Überholverstöße liegen bei 85 Euro, Parkverstöße beginnen bei 40 Euro und der Handy-Verstoß beginnt bei 160 Euro.

"Rabatte" bei Sofortzahlung

Was deutschen Autofahrern völlig fremd ist, sind die im europäischen Ausland oft gewährten "Rabatte" bei Sofortzahlung vor Ort. In Italien zum Beispiel werden 30 Prozent der gesetzlichen Mindestbuße gewährt. Ähnlich verhält es sich, wenn der später zugehende Bußgeldbescheid innerhalb von 60 Tagen beglichen wird. Dies alles gilt aber wiederum nur für Verstöße, für die kein Fahrverbot oder keine Beschlagnahme des Kraftfahrzeugs vorgesehen ist.

Weitere lohnende Beispiele für "Rabatte": Großbritannien: 50 Prozent bei Bezahlung eines Verwarnungsgeldes innerhalb von 14 Tagen, sofern es sich um Verstöße im ruhenden Verkehr oder gegen die City-Maut handelt. Griechenland: 50 Prozent bei Bezahlung des Bußgeldes innerhalb von zehn Tagen, gerechnet ab Zustellung des Bescheides oder bei Ahndung gleich vor Ort. Slowenien: 50 Prozent bei Sofortzahlung oder bei Bescheid innerhalb von acht Tagen nach Erhalt. Spanien: 50 Prozent bei Bezahlung innerhalb von 20 Tagen oder gleich vor Ort.

Wie aber sieht es nun mit der viel diskutierten Vollstreckung der im Ausland verhängten "Geldbußen", besser Geldsanktionen, in Deutschland aus? Zentrale Vorschrift ist § 87 Abs.2 IRG. Danach werden nur von Gerichten oder Verwaltungsbehörden in anderen EU-Staaten rechtskräftig verhängte, strafgerichtlich überprüfbare Geldsanktionen in Deutschland vollstreckt.

Häufig übersehen wird, dass der Begriff der Geldsanktion neben Geldbußen und Geldstrafen auch Verfahrenskosten umfasst. Es werden zwar nur Geldsanktionen ab einem Betrag von mindestens 70 Euro aus Straßenverkehrsverstößen vollstreckt. Nach § 87 Abs. 3 IRG umfasst der Begriff der Geldsanktion aber sowohl das Bußgeld als auch die Verfahrenskosten, sodass der zu vollstreckende Betrag letztlich zuzüglich etwaiger Verfahrenskosten zu verstehen ist. Die Bagatellgrenze ist zum Beispiel auch dann erreicht, wenn die Geldbuße 50 Euro beträgt und die Verfahrenskosten 25 Euro betragen, also zusammen bei 75 Euro liegen.

Geldsanktionenvollstreckung

In Deutschland werden Geldsanktionen aus allen EU-Ländern vollstreckt, die ebenfalls den EU-Rahmenbeschluss zur Geldsanktionenvollstreckung (RBGeld) umgesetzt haben. Bis auf Griechenland haben mittlerweile alle EU-Mitgliedstaaten den RBGeld umgesetzt. Vollstreckt werden nur Geldsanktionen. Im Ausland verhängte Führerscheinmaßnahmen gelten nur im Tatortland. Auch werden Punkte für Zuwiderhandlungen im Ausland in Deutschland nicht ins Register eingetragen.

Es ist jedoch davon auszugehen, dass Inkassobüros (wie etwa Continental Inkasso, Creditrefom etc.) in ihren Zahlungsaufforderungen auf die (für sie eigentlich rechtlich nicht bestehende) Vollstreckungsmöglichkeit nach dem RBGeld verweisen, um Betroffene zu einer zügigen Zahlung zu bewegen. Da hier zum Teil erheblich Druck auf die Betroffenen gemacht wird, auch auf unseriöse Art und Weise, sollte im Zweifel - vor einer Zahlung der Forderung - ein Rechtsanwalt des Vertrauens aufgesucht werden.

Aber Achtung: Neben alldem zuvor Gesagten bleiben im Tatortland selbst rechtskräftige Sanktionsbescheide und Gerichtsentscheidungen weiterhin vollstreckbar. Hier gibt es je nach Land unterschiedliche Verjährungsfristen.

Fährt man erneut im Tatortland mit dem Auto, ohne die letzte Zahlungsaufforderung beglichen zu haben, kann es dort durchaus zu einer Vollstreckung kommen, wenn man etwa bei einer Verkehrskontrolle auffällt. Dann kann sogar unter Umständen das Fahrzeug beschlagnahmt werden.

Als konkretes Beispiel hat jüngst der italienische Gesetzgeber mit Dekret Nr. 37 vom 15.2.2016 (in Kraft getreten zum 27.3.2016) den EU-Rahmenbeschluss zur Vollstreckung von Geldsanktionen (RBGeld) in nationales Recht umgesetzt.

Dies bedeutet schlechte Nachrichten für deutsche Verkehrssünder in Italien. Denn damit können seit Ende März grundsätzlich auch alle nicht vor Ort bezahlten, von italienischen Behörden verhängten Geldsanktionen aus Straßenverkehrszuwiderhandlungen in Deutschland durch das Bundesamt für Justiz vollstreckt werden.

Vollstreckt wird alles ab 70 Euro inklusive Verfahrensgebühren. Die Besonderheit dabei ist, dass es kein sogenanntes Rückwirkungsverbot gibt; zumindest geht das Umsetzungsgesetz darauf nicht näher ein. Die Konsequenz ist, dass auch alle bisher in Italien bestehenden - aber noch nicht verjährten - Forderungen vollstreckt werden können. Dies ist deshalb so bedeutend, weil die Verjährungsfrist für die Vollstreckung in Italien fünf Jahre beträgt.

Für die Vollstreckungen in Italien sind die dortigen Justizbehörden zuständig. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Praxis bei der Vollstreckung entwickeln wird, insbesondere inwieweit und wann es überhaupt zu Vollstreckungshilfeersuchen aus Italien kommen wird. Immerhin haben die Behörden nun die konkreten Möglichkeiten dazu.

Das Gute an dieser Entwicklung ist, dass private Inkassounternehmen hierzu wohl nicht ermächtigt sind.

Für den betroffenen Autofahrer bedeutet dies, dass bei Zuwiderhandlungen aus allen EU-Staaten, die den RBGeld bereits in nationales Recht umgesetzt haben, zukünftig ein grundsätzliches Vollstreckungsrisiko besteht. Dabei sollte bedacht werden, dass als letzte Möglichkeit, die Vollstreckung zu verhindern, nur das Argument des "fehlenden persönlichen Verschuldens" (§ 87b Abs. 3 Nr. 9 IRG) verbleibt - mit fraglichem Ausgang. Dieser Einwand muss jedenfalls durch den Betroffenen sofort nach Erhalt der Vollstreckungsnachricht und der Anhörungsaufforderung gegenüber dem in Deutschland zuständigen Bundesamt für Justiz vorgetragen werden.

Mehr noch als früher sollte heute in diesem Zusammenhang gelten: Im Zweifel unbedingt vorher einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen.

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