_ Wer Eigentümer eines VW-Dieselfahrzeuges ist, muss in diesen Tagen einiges an Leidensfähigkeit besitzen. Er muss nach wie vor mit einer teilweisen Ungewissheit über den Beginn (und Ausgang) der angepriesenen Nachbesserungen des VW-Konzerns leben. Er muss die Ungleichbehandlung amerikanischer und deutscher VW-Kunden ertragen; er muss sich mit den unterschiedlichsten Versprechungen und Anpreisungen diverser Rechtsanwaltskanzleien auseinandersetzen, um sich dann selbst eine Meinung zu bilden. Und er muss sich, was fast noch am schlimmsten ist, mit einer beginnenden Rechtsprechung auseinandersetzen, die weniger an eine Rechtsprechung im eigentlichen Sinne erinnert als vielmehr an einen repräsentativen Meinungsdurchschnitt der Bevölkerung.
Der durchschnittliche Kunde sieht sich dabei derzeit zahlreichen anwaltlichen Verheißungen ausgesetzt. Da ist die Rede von Ansprüchen gegen den Verkäufer (zumeist ein Vertragshändler) aus Anfechtung des Kaufvertrags wegen vermeintlicher Arglist, resultierend angeblich aus dem Verhalten des Herstellers und unterstellter Zurechnung beim Händler. Oder Ansprüchen aus dem Kaufvertrag im Hinblick auf Gewährleistung/ Sachmängel mit der Frage, ob erst eine Aufforderung zur Nachbesserung nötig ist (obwohl VW doch diese gerade angeboten hat, nur unter Umständen nicht zeitnah genug) oder ob auch ein sofortiger Rücktritt vom Kaufvertrag möglich ist. Und dann gleich auch noch die behauptete mögliche Lösung einer Nachlieferung - ein neues Fahrzeug, gleich ob das alte neu oder gebraucht war.
Rechtsprechung bislang wenig hilfreich
Bei all diesen mehr oder weniger nachvollziehbaren und vielleicht auch verständlichen Lösungsansätzen, deren Durchsetzbarkeit in einzelnen Punkten jedoch zumindest fraglich erscheint, ist die Rechtsprechung bislang wenig hilfreich. Es ist dem einzelnen VW-Kunden, zumeist ein juristischer Laie, schlicht nicht zu vermitteln, warum es erste Urteile von Landgerichten gibt, die geradezu diametral voneinander abweichen. Einem Juristen kann man diese Entwicklung mit dem "gewollten Wesen des Rechts" erläutern, einem durchschnittlichen Endverbraucher, von dem der Bundesgerichtshof am Ende der Instanzenkette ja stets und gerne auszugehen pflegt, dagegen nicht.
Derzeit sind aufgrund der bislang einzigartigen Sachlage im Hinblick auf das Kaufrecht einige rechtliche Fragestellungen immer noch klärungsbedürftig: etwa ob ein Mangel vorliegt, die Nacherfüllungsfrist angemessen und die Pflichtverletzung für einen Rücktritt vom Kaufvertrag erheblich ist.
Einige Beispiele
Landgericht Münster, Entscheidung vom 14.3.2016, Az. 11 O 341/15
Der Käufer verlangte nach Bekanntwerden des VW-Abgasskandals vom Verkäufer Mangelbeseitigung binnen einer Frist von 14 Tagen. Als der VW-Vertragshändler dem nicht nachkam, erklärte er den Rücktritt vom Kaufvertrag und klagte in der Folge auf dessen Rückabwicklung, hilfsweise Nacherfüllung. Der Verkäufer bestritt, dass ein Mangel vorliege, allenfalls liege ein unerheblicher Mangel vor, da das Fahrzeug sicher und in seiner Fahrtauglichkeit nicht eingeschränkt sei.
Das Gericht ging davon aus, dass ein Mangel vorliegt, weil die zu erwartende Beschaffenheit fehlte. Ein Durchschnittskäufer eines Neufahrzeuges könne davon ausgehen, "... dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nicht nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandlauf erkannt und über entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise, insbesondere der Stickoxidausstoß, reduziert wird."
Ein Rücktritt komme aber bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Nacherfüllungsfrist mit zwei Wochen nicht angemessen sei. Unter Berücksichtigung objektiver Maßstäbe sei es angesichts der großen Anzahl betroffener Fahrzeuge dem VW-Konzern und damit den Vertragshändlern zuzugestehen, eine Problemlösung zu entwickeln und eine Strategie zur Umsetzung derselben zu entwerfen.
Nachdem auch die Fahrtauglichkeit in keiner Weise betroffen sei, der Kläger das Fahrzeug vollumfänglich und ohne Nachteile nutzen könne, sei es für ihn unerheblich, wann das angekündigte Softwareupdate zur Beseitigung der unzulässigen Abschalteinrichtung aufgespielt werde.
Die zu kurz bemessene Nacherfüllungsfrist sei damit unwirksam, das Nacherfüllungsverlangen setze damit eine angemessene Frist zumindest nicht unter einem Zeitraum von vier Monaten in Gang, die zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung noch nicht abgelaufen war.
Weiter verwies das Gericht darauf, dass ein Rücktritt an der Unerheblichkeit der Pflichtverletzung scheitere, weil die Mangelbeseitigung mit einem finanziellen Aufwand von 100 Euro pro Fahrzeug möglich sei. Die Klage auf Rücktritt wurde daher abgewiesen, nur im Hilfsantrag bezüglich der Mangelbeseitigung durch Nachbesserung hatte der Kläger Erfolg.
Landgericht Bochum, Entscheidung vom 16.3.2016, Az. I-2 O 425/15
In diesem Fall machte der Käufer kurz nach Bekanntwerden der Manipulationsvorwürfe sofort den Rücktritt vom Kaufvertrag geltend, weil die unzulässige Abschalteinrichtung vorlag. Ein Nacherfüllungsverlangen sei ihm unzumutbar wegen des unzureichenden Kommunikationsverhaltens des Verkäufers, einem freien Kfz-Händler. Der Verkäufer bestritt, dass ein Mangel vorliege; zudem arbeite der Hersteller an einer Softwarelösung, die Kosten von voraussichtlich deutlich weniger als 100 Euro verursachen würde.
Auch hier ging das Gericht von einem Sachmangel aus, weil eine technische Vorrichtung dafür sorgt, dass im Prüfstandbetrieb eine Abgasreinigung vorgetäuscht wird, die im Alltagsbetrieb schon grundsätzlich nicht stattfindet. Ein Rücktritt käme aber nicht in Betracht, weil die Pflichtverletzung des Verkäufers unerheblich sei. Der Mangel sei mit einem Kostenaufwand von zirka 100 Euro behebbar, womit der Beseitigungsaufwand unter der Bagatellgrenze liegen würde.
Weiter sei im Rahmen der Pflichtverletzung zu beachten, dass das Fahrzeug uneingeschränkt nachteilslos verwendet werden könne. Der Verkäufer sei bezüglich der Nachbesserungsmaßnahmen vom Angebot des Herstellers abhängig und könne erst dann handeln, wenn geeignete Mittel vom Hersteller zur Verfügung gestellt würden. Des Weiteren sei dem Käufer auch die Durchführung der Nachbesserung zuzumuten; eine Informationspflichtverletzung des Verkäufers - als unterstellte vertragliche Nebenpflicht - sei nicht erkennbar.
Landgericht München, Entscheidung vom 14.4.2016, Az. 23 O 23033/15
Auch hier ging es um die Frage der Rückabwicklung. Der Verkäufer ist ein Seat- Vertragshändler. Er ist über Beteiligungen mit der Volkswagen AG verbunden. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, der Käufer habe den Kaufvertrag wirksam angefochten wegen arglistiger Täuschung des Verkäufers. Dieser hatte selbst eingeräumt, dass seine Angaben zum Schadstoffausstoß objektiv unrichtig gewesen seien. Jedenfalls für die Stickoxidwerte (NOx ) steht fest, dass sie durch eine Software im Vergleich zwischen Prüfstandlauf und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden. Arglist erfordert dabei wenigstens bedingten Vorsatz, jedoch keine Absicht oder Schädigungsvorsatz.
Dem Verkäufer ist dabei nach Überzeugung des Gerichts das Wissen der Volkswagen AG zuzurechnen. Der Verkäufer muss sich aus Gründen des Rechtsscheins als 100-prozentige Konzerntochter behandeln und das Wissen der Volkswagen AG zurechnen lassen. Er hat durch sein Auftreten besonderes Vertrauen als Konzerntochter in Anspruch genommen.
Der Anfechtung steht auch nicht das Ausmaß des Mangels entgegen. Unabhängig davon, dass der Mangel nicht unerheblich ist, kommt es für die Anfechtung nur auf die Täuschung und deren Ursächlichkeit bei der Willensbildung an. Im Übrigen wäre es vom Verkäufer treuwidrig, zunächst die Schadstoffemissionen des Fahrzeuges als besonderes Verkaufsargument heranzuziehen und dann der Anfechtung entgegenzuhalten, dass die ihm zurechenbare gezielte Manipulation der gemessenen Schadstoffwerte unerheblich wäre. Als Folge der Anfechtung hat der Käufer zunächst Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeuges unter Abzug des von ihm gezogenen Gebrauchsvorteils.
Für die getroffene Entscheidung rechtlich unnötig und daher völlig unverständlich ist allerdings, warum das Gericht zudem nach dem Motto "und wir hätten gerne ungefragt noch unsere weitere Meinung dargelegt" auch noch Ausführungen zur vermeintlichen Möglichkeit der Nachbesserungen und der Angemessenheit der Fristsetzung gemacht hat. "Es ist bereits zweifelhaft, ob eine erfolgreiche Nachbesserung überhaupt möglich ist. ... Jedenfalls ist aber eine Frist von über einem halben Jahr nach der freien Überzeugung des Gerichts auf keinen Fall mehr angemessen. Eine Nachbesserungsfrist von mehr als sechs Monaten oder hier fast einem Jahr ... ist aber mit der gesetzgeberischen Grundentscheidung zur Kaufgewährleistung im Allgemeinen und dem Verbraucherkauf im Besonderen auch unter Berücksichtigung der hier vorliegenden besonderen Umstände nicht mehr vereinbar."
Ähnlich fiel eine Entscheidung des LG München vom 17.5.2016 (Az. 23 O 23033/15) aus. Es ging um einen Seat Ibiza Style 1,6 L. Auch hier wurde der Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung erfolgreich angefochten.
Das Gericht führte darüber hinaus aus, der erhöhte Schadstoffausstoß sei ein erheblicher Sachmangel. Es sei zweifelhaft, ob dessen Behebung ohne gleichzeitige Einbußen beim Kraftstoffverbrauch oder der Motorleistung überhaupt möglich sei.
Eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels sei inzwischen verstrichen. Eine Frist von inzwischen über einem halben Jahr sei "auf keinen Fall mehr angemessen". Die Besonderheit: Das beklagte Autohaus ist nach Auffassung des Gerichts hundertprozentige Konzerntochter, das sich das Wissen über die manipulierten Abgaswerte seitens VW zurechnen lassen müsse.
Landgericht Braunschweig, Entscheidung vom 24.5.2016, Az. 8 O 129/16
Der Käufer hatte den Austausch seines Audi oder die Beseitigung der mangelhaften Abgaswerte gefordert. Er begründete seine Klage mit der Neuwagengarantie der Audi AG. Das fehlerhafte Emissionsverhalten des Pkw stelle einen Mangel dar. Der beklagte Servicepartner verwies unter anderem darauf, dass die Ansprüche aus der Neuwagengarantie nicht gegen ihn, sondern den Hersteller geltend gemacht werden müssten.
Das Gericht hat die Klage abgewiesen und einen Anspruch aus der Garantievereinbarung abgelehnt, weil diese nur den Hersteller, die VW-Tochter Audi, verpflichte. Dies ergebe sich aus der Auslegung der Garantievereinbarung, in der ausdrücklich die Audi AG genannt sei.
Landgericht Passau, Entscheidung vom 30.3.2016, Az. 4 O 131/16; LG Baden- Baden, Entscheidung vom 4.5.2016, Az. 2 O 73/16; LG Essen, Entscheidung vom 18.5.2016, Az. 18 O 68/16
In diesem Fall ging es um drei Deckungsklagen gegen ein und denselben Rechtsschutzversicherer. Die Deckungsklagen zielten jeweils auf Deckung sowohl gegenüber dem Verkäufer auf Mängelbeseitigung respektive Gewährleistung als auch gegenüber der Volkswagen AG aus Schadensersatz wegen arglistiger Täuschung.
Der Rechtsschutzversicherer stützte seine Ablehnung im Wesentlichen nur auf die Mutwilligkeit des Versicherungsnehmers (da dieser die Nachbesserung nicht abwarten wollte). Dem folgte das Gericht nicht, da der Mangel für den Käufer nicht zumutbar sei und die Behauptung des Rechtsschutzversicherers, der Mangel bedürfe nur geringer Reparaturkosten, nicht haltbar sei. Somit liege auch keine Mutwilligkeit als Ablehnungsgrund für eine Deckungszusage vor.
Es wurde festgestellt, dass der Versicherer verpflichtet ist, die Kosten der außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtsverfolgung hinsichtlich der Gewährleistung des Klägers gegenüber dem Verkäufer und der Volkswagen AG zu tragen. Hierbei dürfte es sich aber aufgrund der besonderen Konstellationen bei der Erwiderung des Rechtsschutzversicherers im Klageverfahren nicht um Entscheidungen handeln, die zu generellen Aussagen über die Eintrittspflicht der Rechtsschutzversicherungen im Allgemeinen geeignet sind.
Landgericht Frankenthal, Entscheidung vom 12.5.2016, Az. 8 O 208/15
Gegenstand des Verfahrens war die Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages. Es ging um ein gebrauchtes Fahrzeug mit letztlich deutlich über 100.000 Kilometer Laufleistung. Das Gericht verneinte einen wirksamen Rücktritt des Käufers.
Ein vom VW-Abgasskandal betroffenes Fahrzeug, bei dem eine Software eine Testsituation erkennt und (nur) dann die Emission von Stickoxiden reduziert, während im normalen Betrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb sind, ist mangelhaft. Ein Rücktritt wegen dieses - grundsätzlich behebbaren - Mangels scheitert zwar nicht an § 323 Abs. 5 BGB; denn mangels Verfügbarkeit ist derzeit (zum Zeitpunkt der Entscheidung) eine Mangelbeseitigung unmöglich, sodass nicht von einem nur geringfügigen Mangel ausgegangen werden kann.
Jedoch setzt ein wirksamer Rücktritt voraus, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Dabei ist eine Frist von vier oder sechs Wochen keinesfalls angemessen. Vielmehr muss der Käufer dem Verkäufer die Möglichkeit geben, das - derzeit uneingeschränkt nutzbare - Fahrzeug bei der mit dem Kraftfahrt-Bundesamt abgestimmten Rückrufaktion in einen mangelfreien Zustand zu versetzen, mag das Fahrzeug auch erst Ende 2016 "an der Reihe" sein.
Zu einem sofortigen Rücktritt vom Kaufvertrag ist der Käufer auch mit Blick auf ein möglicherweise arglistiges Verhalten von Angehörigen des Volkswagen-Konzerns nicht berechtigt. Denn dieses Verhalten kann dem Verkäufer selbst dann nicht zugerechnet werden, wenn es sich bei ihm um einen Vertragshändler handelt. Bei dem Verkäufer handelt es sich um einen rechtlich selbstständigen Vertragshändler, der Produkte aus dem VW-Konzern vertreibt. Der Hinweis auf der Homepage des Verkäufers auf seine Eigenschaft als Audi-Zweigniederlassung belegt nach Auffassung des Gerichts nicht eine derart "enge Verflechtung" des Verkäufers mit dem VW-Konzern, die eine Repräsentantenhaftung nach § 31 BGB begründen würde.
Ähnlich sah es auch LG Frankenthal schon am 5.4.2016 (Az. 7 O 488/15). Es ging um einen VW Golf Plus Trendline 2.0 TDI. Das klägerische Vorbringen begründete weder arglistige Täuschung noch Vorliegen eines Mangels.
Landgericht Düsseldorf, Entscheidung vom 28.6.2016, Az. 6 O 413/15
Das Gericht lehnte einen sofortigen Rücktritt vom Kaufvertrag ab. Der Käufer hatte dem Verkäufer keine Frist gesetzt, um den Mangel zu beheben. Außerdem sei fraglich, ob ein so schwerer Mangel vorliege, dass eine Rückgabe überhaupt gerechtfertigt sei. Schließlich könne der Käufer seinen Wagen praktisch ohne Einschränkungen nutzen. Zudem liege keine arglistige Täuschung vor: Es sei nicht erkennbar, dass der Händler, der ihm den Wagen vor vier Jahren verkauft habe, von den Manipulationen des Herstellers wusste.
Landgericht Lüneburg, Entscheidung vom 2.6.2016, Az. 4 O 3/16
Die Richter haben im VW Abgasskandal einen Händler dazu verurteilt, einen VW Passat gegen (teilweise) Rückzahlung des Kaufpreises zurückzunehmen. Das streitbefangene Fahrzeug weist nach Ansicht des Gerichts einen Sachmangel auf, da jedenfalls die Stickoxidwerte negativ von den vereinbarten Schadstoffwerten abweichen. Schwerpunkt der Entscheidung ist die angenommene individuelle Beschaffenheitsvereinbarung des Fahrzeugs.
Interessant ist dabei, dass das Gericht hinsichtlich des Sachmangels allein auf die (vereinbarten) Laborwerte abstellte, weil bekanntlich die Emissionswerte allein unter Laborbedingungen und nicht unter realen Bedingungen ermittelt würden.
Zur Nachbesserung stellte das Gericht fest, dass es keiner längeren Fristsetzung als zwei Monate bedurfte. Auch die Erheblichkeit des Mangels wurde bestätigt, was nicht verwundert, weil die Erheblichkeitsgrenze beim Rücktritt wegen der individuellen Beschaffenheitsvereinbarung unproblematisch ist.
Zusätzlich verwies das Landgericht auf die tatsächliche Unmöglichkeit zur Nachbesserung zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung. An dieser Stelle wirkt sich dann natürlich aus, welche Nachbesserungsfrist das Gericht zuvor als angemessen angesetzt hat. Setzt man diese kurz an, gelangt man zur Unmöglichkeit. Dies zeigt, dass hier in der Rechtsprechung beide Annahmen vertretbar sind, was nicht gerade zur Rechtssicherheit beiträgt, und letztlich nur obergerichtliche Entscheidungen Klarheit schaffen können.
LG Ellwangen, Entscheidung vom 10.6.2016, Az. 5 O 385/15
Hier ging es um einen VW Polo. Nach Ansicht des Gerichts besteht kein Anspruch wegen arglistiger Täuschung durch Händler und/ oder die Volkswagen AG. Auch deren Haftung gemäß § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung ist nicht gegeben. Besonderheit: Es ist bislang die erste Entscheidung zu einem möglichen Anspruch auf Schadensersatz; allerdings ablehnend.
Hervorzuheben ist noch, dass zum Beweissicherungsantrag nun auch eine ablehnende Entscheidung vorliegt. Das LG Siegen (Urteil vom 28.4.2016, Az. 2 OH 1/16) hatte diesen im Fall eines VW Tiguan als unzulässig abgelehnt. Dessen Besitzer hatte beantragt, dass das Gericht einen Kfz-Sachverständigen beauftragt, ein Gutachten zu folgendem Thema einzuholen: "Der Volkswagen Tiguan mit der Fahrgestell-Nr. XXX weist einen die Abgassteuerung beeinflussenden Mangel auf (Manipulationssoftware), welcher nicht ohne erhöhten Kraftstoffverbrauch oder geringere Motorleistung behebbar ist."
Ziel des Rechtsstreits verdeutlichen
Trotz alledem kann auf der Grundlage sich derzeit noch widersprechender Rechtsprechung mit gutem Gewissen festgehalten werden, dass bei noch ausreichend langer Sachmängelhaftungszeit und/oder erklärtem Verzicht auf die Verjährungseinrede seitens des Verkäufers kein akuter Handlungsbedarf besteht und eine gerichtliche Auseinandersetzung mit einigen Risiken verbunden ist. Betroffene VW-Kunden sollten daher bei der anwaltlichen Beratung sehr deutlich machen, was ihr Ziel der Vertretung sein soll. Nicht jeder Vertrag muss rückabgewickelt werden. Die Fahrzeuge sind uneingeschränkt nutzbar und es gibt noch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Nachbesserungen fehlschlagen.
Es ist derzeit schlicht nicht erforderlich, dass manche Kanzleien für ihre Mandanten fast ausnahmslos den kostenintensiven Rücktritt bevorzugen. Es sind genug Verfahren vor Gerichten anhängig, sodass in Fällen ohne Fristnot durchaus noch abgewartet werden kann.
- Ausgabe 08/2016 Seite 58 (307.7 KB, PDF)