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Studie: Wann beginnt die Mobilität ohne eigenes Auto?

18.01.2025 02:41 Uhr | Lesezeit: 3 min
Ladepark E-Autos mit einem Auto von oben
© Foto: GettyImages

Wir sprachen mit Harald Proff, Partner bei Deloitte Consulting Germany und Global Sector Lead Automotive, über die Ideen von Mobility-as-a-Service, deren Chancen und Risiken bei der Umsetzung.

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Herr Proff, in Zeiten der Unordnung geben Trendbewegungen gern den Takt vor. Nach dem Motto, wenn andere das auch machen, dann muss es wichtig sein. Wie trendig sehen Sie aktuell das Spektrum der Mobility-as-a-Service-Welt?

Harald Proff: Nachdem der Hype 2019 um Mobility-as-a-Service (MaaS) auch aufgrund der Covid-19-Beschränkungen abgeflacht ist, sehen wir jetzt, dass MaaS wieder an Bedeutung gewinnt, da es eine integrierte Lösung für urbane Mobilität bietet. Das zeigt unter anderem eine von uns durchgeführte Verbraucherbefragung: Fast die Hälfte der 27.000 weltweit Befragten stellten den Autobesitz in Frage. Das deutet auf eine latente Nachfrage hin, die vom Markt aktuell nicht bedient wird. Zudem wird MaaS in den kommenden Jahren eine entscheidende Rolle spielen, um die Dekarbonisierungsziele der Städte und Länder zu erreichen, indem es umweltfreundlichere Transportlösungen fördert und die Abhängigkeit von privaten Fahrzeugen reduziert.

Können Sie kurz umreißen, wie Sie den erwähnten Index zusammen mit der Universität Duisburg-Essen entwickelt haben?

H. Proff: An der Index-Entwicklung waren neben Deloitte zwei Lehrstühle der Universität Duisburg-Essen und Locos Lab beteiligt. Zur Bewertung des Status quo und der Entwicklung von MaaS-Ökosystemen haben wir ein konzeptionelles Modell des Ökosystemdesigns verwendet. Wir haben fünf Schlüsselkomponenten und 23 Variablen entwickelt, welche auf den Aufbau von MaaS-Ökosystemen hindeuten. Unser KI-basiertes Tool griff auf eine globale Nachrichten-Datenbank sowie auf Jahres- und Analystenberichte zu und scannte nach geeigneten Datenpunkten. Insgesamt fanden wir 51.551 passende Textausschnitte. Mithilfe modernster KI-Modelle konnten die Artikel auf unsere Schlüsselkomponenten und Variablen filtern und diese analysieren. Die Ergebnisse fanden wir durch Validierungsinterviews mit MaaS-Managern aus den analysierten Städten bestätigt.

Der MaaS-Index zwischen 2015 und 2023.
Der MaaS-Index zwischen 2015 und 2023.
© Foto: Deloitte & Universität Duisburg-Essen

Wie kann ich diesen Graphen lesen?

H. Proff: In den letzten acht Jahren haben die Aktivitäten im Bereich MaaS intern fast stagniert, während sie extern eine Hype- und De-Hype-Kurve durchlaufen haben. Zwischen 2015 und 2023 gab es keinen wesentlichen Fortschritt, was auf die Notwendigkeit eines Neustarts in der Herangehensweise an diese Ökosysteme hinweist.

Phase 1: 2015-2019 zeigte ein wachsendes Interesse am MaaS-Konzept mit dem Höhepunkt 2019, bevor die Covid-19-Pandemie begann. Trotz des steigenden Interesses und der Anzahl der Angebote gab es keine Fortschritte in der internen Dimension.

Phase 2: 2020-2022 erlebte einen Rückgang des externen Hypes, da die Mobilitätsbranche weltweit durch die Pandemie und geopolitische Herausforderungen erschüttert wurde. Die Nachfrage nach Mobilität und das Interesse am Thema gingen zurück, und MaaS-Ökosysteme wurden pragmatischer betrachtet. Die Aufbauaktivitäten erholten sich relativ, angetrieben durch die Geschwindigkeit der Implementierung, da sich die Akteure in einem schwierigen Markt konsolidierten.

Phase 3: 2023-heute zeigt, dass das externe Interesse an MaaS dank neuer technologischer Entwicklungen und Umweltvorgaben wieder steigt. Dieser positive Trend steht jedoch im Gegensatz zum Rückgang der internen Scores. Auch nach einer Konsolidierungsphase konnten die verbleibenden Akteure noch keine reifen Ökosysteme etablieren, die in der Lage sind, sich an die sich ändernde Nachfrage anzupassen und nachhaltige Rentabilität zu erreichen.

Ein Neustart kann helfen, die Ökosysteme in die gewünschte Richtung zu lenken, indem sowohl das externe Interesse als auch die internen Maßnahmen zur Entwicklung tragfähiger, reifer Ökosysteme verbessert werden. Dies ist die Richtung, in die die Akteure streben sollten.

Sie haben den Index im vergangenen November auf der Leitmesse „Smart City Expo“ in Barcelona vorgestellt. In welchen Ländern oder in welchen Regionen in der Welt ist man am weitesten mit der Umsetzung der Mobility-as-a-Service-Ideen?

H. Proff: Die Umsetzung von MaaS-Initiativen ist in Asien-Pazifik am weitesten fortgeschritten. Hier finden wir eine hohe Urbanisierung und staatliche Investitionen in Smart-City-Projekte, welche die Einführung von MaaS fördern. Auch in Europa gibt es bedeutende Fortschritte, insbesondere in den Großstädten und Ländern mit starker digitaler Infrastruktur und Umweltbewusstsein. Bei der Analyse haben wir uns auf englische und deutsche Quellen konzentriert, da dies die einzigen Sprachen waren, die wir validieren konnten, wohl wissend, dass dies zu einer gewissen Verzerrung der Ergebnisse in den verschiedenen Regionen führen kann.

Harald Proff ist Partner bei Deloitte Consulting Germany und Global Sector Lead Automotive.
Harald Proff ist Partner bei Deloitte Consulting Germany und Global Sector Lead Automotive.
© Foto: Deloitte

Welche Elemente der Mobility-as-a-Service-Welt sind hier in Deutschland heute schon zu finden und welche werden künftig am sichtbarsten im Alltag der Bürger werden?

H. Proff: In Deutschland sind bereits verschiedene Elemente von MaaS vorhanden, beispielsweise Carsharing, Mikromobilität und öffentliche Verkehrsmittel, die über digitale Plattformen zugänglich sind. Zukünftig wird idealerweise eine Plattform alle Transportmodi integrieren, sowohl private als auch öffentliche, um ein nahtloses Mobilitätserlebnis zu bieten und somit den größten Mehrwert für Kunden.

Wenn sich die deutsche Autoindustrie momentan um die Umstellung ihrer Werke und Produktlinien kümmern muss, wie sehr verzögert dies dann den Einsatz von weiteren Mobility-as-a-Service-Produkten in Deutschland?

H. Proff: Die deutsche Autoindustrie steht vor der Herausforderung, ihre Werke und Produktlinien zu elektrifizieren, was ein wesentlicher Schritt zur Dekarbonisierung ist. Der zweite Weg, um die CO2-Emissionen weiter zu senken, ist die Umstellung auf Alternativen zum Privatauto. Dies bedeutet, dass die Autohersteller neue nutzungsbasierte Geschäftsmodelle entwickeln müssen, um über einen längeren Zeitraum mehr Wert aus weniger Fahrzeugen zu schöpfen. Hier kommt unter anderem MaaS ins Spiel, da es eine Möglichkeit bietet, diese neuen Geschäftsmodelle zu integrieren und die Nutzung von Fahrzeugen effizienter zu gestalten.

Wer sind die Treiber auf dem Markt für MaaS? Müssen diese immer eng an den Autoherstellern sein oder können diese auch aus anderen Wirtschaftszweigen stammen, wie es gerade die Elektromobilität vormacht?

H. Proff: Die Treiber auf dem MaaS-Markt sind nicht nur Autohersteller, sondern auch Technologieunternehmen und öffentliche Verkehrsanbieter. Eine der größten Herausforderungen stellen die öffentlich-privaten Partnerschaften dar, da Städte und Unternehmen sehr unterschiedlich arbeiten und verschiedene Ziele verfolgen. Dennoch müssen sie zusammenkommen, um MaaS wirklich attraktiv zu machen. Diese Zusammenarbeit ist entscheidend, um die Integration aller Mobilitätsdienste zu ermöglichen. Um MaaS erfolgreich umzusetzen, ist eine enge Kooperation zwischen verschiedenen Sektoren notwendig, die dann gemeinsam in einem Ökosystem agieren.


Bei der Umstellung aufs E-Auto sind zwei Dinge die wesentlichen Treiber in Deutschland. Die Versteuerungsvorteile für E-Dienstwagen und die CSRD-Vorgaben für Unternehmen, die auch in den Fuhrpark durchschlagen. Welche rechtlichen Vorgaben könnten Schwung in den MaaS-Markt bringen?

H. Proff: Eine Regulatorik, die den Datenaustausch und die Interoperabilität zwischen verschiedenen Mobilitätsdiensten fördert, könnte den MaaS-Markt vorantreiben. Unsere KI-basierte Studie zeigt, dass fehlender Datenaustausch eine wesentliche Ursache für den geringen Fortschritt bei der Implementierung von MaaS-Lösungen weltweit ist. Auch Anreize für die Nutzung von geteilten Mobilitätslösungen anstelle von privaten Fahrzeugen könnten eine Rolle spielen, vor allem als Mobilitätsbudgets in Unternehmen.

Der Index beschreibt die mediale Stimmungslage, wie real werden aber ihrer Meinung nach in den nächsten fünf Jahren die MaaS in Deutschland sein? Wo werde ich als normaler Bürger diese sehen und nutzen können?

H. Proff: In den nächsten fünf Jahren wird MaaS in Deutschland zunehmend real und greifbar werden. Wir werden MaaS-Dienste vor allem in urbanen Gebieten sehen, wo die Integration von öffentlichen Verkehrsmitteln, Carsharing, und anderen Mobilitätsdiensten am weitesten fortgeschritten ist. Um eine breite Akzeptanz zu erreichen, müssen diese Dienste verfügbar und benutzerfreundlich sein. Die Entwicklung wird stark von der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren abhängen, um ein effizientes Mobilitätserlebnis zu bieten.

Werden die ersten MaaS-Nutzer ähnlich wie bei neuen Techniken die „Early Adopter“ werden oder wird es recht schnell ein Markt werden, auf dem sich alle Bürger gleichermaßen bedienen werden?

H. Proff: Die ersten Nutzer von MaaS sind bereits heute die Early Adopter, ähnlich wie bei anderen neuen Technologien. Diese Gruppe ist oft technikaffin, umweltbewusst und offen für neue Mobilitätslösungen. Damit MaaS-Angebote profitabel werden, müssen jedoch mehr Menschen sie nutzen. Erst wenn die breite Masse auf MaaS aufmerksam wird und genügend Traffic auf den Plattformen generiert wird, können diese Systeme nachhaltig Einnahmen erzielen. Dabei spielen Firmenkunden eine wichtige Rolle, da sie mithilfe von Mobilitätsbudgets sehr schnell viel Traffic auf die Plattformen bringen können. Dies ist entscheidend, um die notwendige Skalierung und Rentabilität der MaaS-Dienste zu erreichen.  

Welche Grenzen setzt hierbei der Datenschutz in der EU? Ist dies aus Nutzersicht ein Vorteil?

H. Proff: Der Datenschutz in der EU setzt klare Grenzen für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten, was die Implementierung von MaaS-Diensten verlangsamen kann. Aus Unternehmenssicht wäre es vorteilhaft den Datenschutz so anzupassen, dass der sichere Austausch zwischen Ökosystem-Partnern erleichtert wird. Auch aus Nutzersicht sollten Lösungen gefunden werden, mit welchen der Schutz sensibler Daten einher geht mit einer beschleunigten klimaschonenden Mobilität, ohne diese auszubremsen.

Herr Proff, herzlichen Dank für das Gespräch.

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