_ Herr Künne, Volkswagen Leasing konnte im letzten Jahr 517.000 Leasing-Neuverträge abschließen und damit 78.000 mehr als im Vorjahr. Was sind die Gründe für dieses Wachstum?
Der Flottenmarkt, der mit zehn und mehr Fahrzeugen einen Großteil unseres Geschäfts ausmacht, wuchs um etwas mehr als neun Prozent. Dieses Wachstum haben wir mit unserer Basis, nämlich den Fahrzeugen unserer Konzernmarken, durchgängig mitgenommen oder sogar übertroffen. Denn die Volkswagen-Konzernmarken und wir sind mittlerweile so eng mit unseren Angebotspaletten und auch im Vertrieb verbunden, sodass wir unsere Marktanteile weiter ausbauen konnten. Insgesamt sind wir im Großkundengeschäft mit zehn und mehr Einheiten im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent gewachsen.
_ Wie hat sich Ihr Wachstum auf die einzelnen Konzernmarken verteilt?
Wenn wir auf die Penetrationsraten blicken, sind diese über die Marken relativ gleichmäßig verteilt. Aktuell haben wir über alle unsere Finanzierungsmodelle hinweg einen Schnitt von fast 60 Prozent, das sind etwa vier bis fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Ich denke, damit haben wir einen absoluten Topwert erreicht. Wir sind jetzt auf einer Ebene angekommen, wo sich die Wachstumsraten nur noch im geringeren einstelligen Bereich bewegen werden.
_ Wie hat sich dabei die Nachfrage nach Full-Service-Leistungen entwickelt?
Wenn man sich unser Dienstleistungsgeschäft anschaut, haben wir im Wartungsbereich 30 Prozent zugelegt. Das heißt, wir haben ausgehend von 2013 ein Drittel mehr Penetration erreicht. Von 100 Leasingverträgen haben wir jetzt knapp 60 bis 65, die mit Dienstleistungen abgeschlossen werden. Vor fünf oder sechs Jahren waren wir noch bei knapp 30 bis 35.
_ Was bedeutet das in absoluten Zahlen?
Im Bereich Wartung und Verschleiß haben wir allein im Gewerbe- und Großkundensegment einen Zugang von 267.000 Verträgen verzeichnet. Das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr, wir haben jetzt knapp 690.000 Wartungs- und Verschleißverträge im Bestand. Beim Thema Reifen und Reifendienstleistungen lag das Plus bei 20 Prozent. Dort haben wir 62.000 Verträge abgeschlossen und liegen im Bestand bei knapp 156.000.
_ Was sind hier aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren?
Erst einmal liegt das an unserer strategischen Ausrichtung, das Dienstleistungsgeschäft mit einer hohen Anschlussquote im Markt zu platzieren. Und wir haben die Kommunikation verändert. Unsere Kampagnen beschränken sich ausschließlich auf das Dienstleistungsgeschäft.
Im letzten Jahr haben wir gerade das Wartungsthema besonders stark fokussiert. Außerdem haben wir zusätzlich 23 Außendienstmitarbeiter neu aufgebaut, die unsere Servicepartner beraten und ihnen zudem Systemunterstützung an die Hand gegeben. Hinzu kommt, dass wir unsere Zusammenarbeit mit den großen Partnern innerhalb der Handelsorganisation nochmal wesentlich verstärkt und die Vertriebsaktivitäten auch auf ein anderes Bonusmodell umgestellt haben. Wir sagen ganz klar: Unser gemeinsames Ziel ist es, das After-Sales-Geschäft, das Werkstattgeschäft über derartige Verträge letztlich auch auf qualitativ hohem Niveau innerhalb der Konzernorganisation zu halten. Außerdem haben wir von Beginn an nicht an der Preisschraube gedreht, sondern diese Werte konstant fortgeführt.
_ Wie viele der neuen Verträge konnten Sie im letzten Jahr von Wettbewerbern erobern?
Wir führen keine Statistiken darüber, wo ein Kunde herkommt. Aber ich denke, sechs bis sieben Prozent ist die Größenordnung, die wir vom Wettbewerb abwerben konnten.
_ Welche Rolle spielen die Small Commercials für Sie?
Die Small Commercials zählen wir zu den Einzelkunden. 2014 lagen wir im Zugang bei knapp 126.000 Verträgen von Small Commercials. Im Großkundengeschäft inklusive Autovermieter hatten wir 216.000 Verträge im Zugang. Small Commercials sind für uns also ebenfalls eine relevante Größe.
_ Welchen Trend sehen Sie für Volkswagen Leasing im ersten Quartal 2015? Konnten Sie da an die Erfolge des Jahres 2014 anknüpfen?
Aktuell liegen wir in den Auftrags- und Bestelleingängen zwölf bis 13 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Im Dienstleistungsbereich sind es noch etwas mehr. Ich denke, das wird sich so auch weiter stabilisieren. Ich erwarte für 2015 keine Steigerungsraten von 15 oder 16 Prozent, aber ich denke, dass wir durchaus Chancen haben, das Vorjahr zu überbieten.
_ Erwarten Sie für den weiteren Verlauf des Jahres besondere Herausforderungen?
Der Anlauf ist gut, die wirtschaftlichen Prognosen sind zufriedenstellend und wir haben einen offenen Auftragsbestand an noch auszuliefernden Fahrzeugen. Etwa zwei, drei Monate haben wir noch im Vorlauf, sodass wir relativ stabil in die Zukunft blicken können. Ich denke also, dass wir im Kerngeschäft Automobil und bei uns im Finanzierungsbereich zuversichtlich sein können. Herausforderungen gibt es sicherlich in anderen Bereichen. Zum Beispiel: An welchen zukünftigen Geschäftsmodellen müssen wir arbeiten? Dazu gehört beispielsweise die Frage, wie wir mit der Pkw-Maut umgehen. Für Flottenbetreiber wird das ein großes Thema werden. Denn auch darauf wird unsere Kundschaft eine Antwort erwarten. Man diskutiert jetzt ja wieder die Nutzung vorhandener Techniken, die wir aus dem Lkw-Geschäft kennen. Das heißt, auch da müssen wir schauen, an welchem Schnittpunkt wir ansetzen können, um unseren Kunden eine adäquate Lösung zu bieten. Wir glauben aber, dass wir auch in diesem Bereich ganz gut gewappnet sind, weil wir das Thema bereits aus dem Lkw-Bereich von unserer MAN Service Card kennen.
_ Neue Mobilitätsformen liegen im Trend. Wie beurteilen Sie das Thema Carsharing mit Blick auf Gewerbekunden?
Privates Carsharing in Deutschland wirtschaftlich erfolgreich zu gestalten, scheitert im Moment immer noch am fehlenden Bedarf der Kundschaft. Deshalb legen wir unseren Fokus klar auf Corporate-Carsharing-Modelle. Dort können Sie die Auslastungen vernünftig kalkulieren, sodass diese Modelle wirtschaftlich sinnvoll werden, und können mit bedarfsgerecht spezifizierten Fahrzeugen arbeiten. Einen ersten Schritt in diese Richtung gehen wir mit unserem Carpool-Management. Träger oder Nutzer der Fahrzeuge und Eigentümer ist die jeweilige Firma. Denkbar sind perspektivisch auch kombinierte Nutzermodelle für Mitarbeiter im privaten Bereich wie auch im Firmenbereich. Wir bieten die Verwaltung an, aber auch den kompletten Betrieb. Aktuell führen wir dazu mit einzelnen Kunden erste Gespräche. Langfristig ist es unser Ziel, an unterschiedlichen Standorten fünf bis acht verschiedene Corporate-Carsharing-Flotten zusammenzuhaben. Diese dann untereinander zu vernetzen könnte dann auch der Ertragsbringer für das private Carsharing sein.
_ Unter dem Motto "The Key to Mobility" möchten Sie Ihren Kunden künftig verschiedenste Mobilitätslösungen aus einer Hand anbieten. Ende letzten Jahres sind Sie mit Ihrer neuen Charge-and-Fuel-Card und einer entsprechenden App gestartet. Was war Ihre Motivation?
Die meisten verstehen unter der Chargeand-Fuel-Card erst einmal eine Tankkarte. Aber zwischen dem Tanken und dem Stromladen existieren immense Unterschiede. Eine Ladesäule erkennen Sie nicht auf den ersten Blick, die müssen Sie erst einmal finden. Und wenn Sie an die Ladesäule fahren, wissen Sie nicht, ob schon jemand am Stecker ist. An der Tankstelle geht das schnell, da warten Sie einfach. An der Ladesäule funktioniert das nicht. Und es gibt kein einheitliches Abrechnungssystem. Das waren für uns die Ansätze, in das Thema einzusteigen. Wir haben uns gesagt: Wir müssen das Laden so komfortabel machen wie normales Tanken.
_ Wie sind Sie dann vorgegangen?
Wir haben aus den vorhandenen 3.000 bis 4.000 Ladesäulen in Deutschland etwa 1.300 identifiziert, die unsere Qualitätsmerkmale erfüllen. Diese sind wir abgefahren, haben sie fotografiert und ihre Geo-Daten aufgenommen, damit sie per App leicht auffindbar sind. Und wir haben eine einheitliche Abrechnungsplattform geschaffen. Dazu wurden die verschiedenen Systeme der mit uns kooperierenden Ladesäulenbetreiber verbunden, wodurch wir auch deutschlandweit einen einheitlichen Preis darstellen können, der vergleichbar ist mit dem, den Sie zuhause für Ihre Stromkilowattstunde bezahlen.
Die Abrechnung für Kraftstoff und Strom erfolgt dann zusammen monatlich. Künftig wollen wir das Angebot weiter ausbauen, als Plattform, über die der Kunde monatlich seine gesamten Mobilitätskosten bis hin zu Parkgebühren abwickeln, abrechnen und kontrollieren kann.
_ Welche Rolle spielt die Charge-and-Fuel-Card bislang im Gewerbe- und Flottenmarkt?
Im Flottenmarkt ist sie noch nicht relevant. Da Plug-in-Hybride aber zukünftig eine deutlich größere Rolle spielen werden, wird sich das ändern. Denn die Kombination aus Strombetrieb im Nahverkehr und Benzinbetrieb im Überlandverkehr ist wirtschaftlich sinnvoll. Das gilt auch für Fuhrparkbetreiber und Firmenkunden, denn diese Fahrzeuge werden über einen vernünftigen Restwert verfügen. Die Mischkalkulation ist hier stimmig. Das ist auch ein Grund für unsere Charge-and-Fuel-Card: Mit einer Abrechnungsplattform für Kraftstoff wie für Strom gibt es für die Nutzer keine Unterschiede mehr, sie können eine Karte übergreifend in ihr Fuhrparkkonzept einbringen.
_ Herr Künne, vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Christian Frederik Merten
Zur Person
Gerhard Künne
_ Seit 25 Jahren im Volkswagen-Konzern, verantwortete Künne nach Vertriebsstationen im Einzel- und Großkundengeschäft bis 1995 die Cross-Border-Leasing-Geschäfte. Es folgten Stationen im Strategischen Marketing und Sonderprojekte bei Volkswagen Financial Services, 1997 Berufung zum Geschäftsführer der Volkswagen Leasing Polska. Nach weiteren Tätigkeiten übernahm er 2005 die Leitung Fleet Management Services der Volkswagen Leasing. Ende 2009 wurde er Geschäftsführer der Volkswagen Leasing. Seit Herbst 2012 ist Gerhard Künne Sprecher der Geschäftsführung des Braunschweiger Unternehmens.
- Ausgabe 05/2015 Seite 38 (464.9 KB, PDF)