_ Deutschlandweit gibt es etwas über 900 Möglichkeiten, an der Tankstelle auch seine Erdgastanks aufzufrischen. Davon machten die drei Fuhrparks häufig Gebrauch, denn die Flotten aus Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen tourten jeweils zwei Wochen mit dem Seat Leon ST 1.4 TGI Style - einem Iberer mit Kombimaßen und Doppeltank (Benzin und Erdgas). Für die Langstrecken besonders bequem ist das aus dem Konzernbaukasten stammende Direktschaltgetriebe (DSG) mit seinen sieben Schaltstufen.
Den 110 PS starken bivalenten Spanier nahmen folgende drei Flottenleiter in ihren Alltag auf: Jürgen Wanat, Mitglied des Landesvorstandes und Fuhrparkverantwortlicher der Johanniter-Unfall-Hilfe Bayern aus Unterschleißheim nahe München, Marco Petznick, Fuhrpark-Management Administration bei Mainova in Frankfurt, sowie der Fuhrparkleiter Jörg Schorn.
Antrieb Motor
Jürgen Wanat (Johanniter): "Ein Übergang vom Erdgas- zum Benzinantrieb ist nicht spürbar. Mit beiden Tanks kommt man auf knapp 1.000 Kilometer Reichweite, wenn es sein muss, ein super Wert!"
Marco Petznick (Mainova): "Drehfreudiger, kraftvoller Motor mit 1,4 Litern Hubraum und ruhigem Lauf."
Jörg Schorn: "Der Motor hat einen sehr guten Eindruck hinterlassen, er lief relativ ruhig, insbesondere bei Gasbetrieb, mit Benzin wurde er etwas ruckliger, was aber nicht unangenehm auffiel. Die Kombination arbeitet recht gut, ist aber eher für den Kurzstrecken- und den Stadtbereich geeignet. Bei Überlandfahrten kommt man aufgrund der begrenzten Reichweite leider zu schnell in den Betrieb mit Benzin und dann wird es teurer."
Getriebe
J. Wanat (Johanniter): "Das Sieben-Gang-DSG, bekannt aus anderen Konzernprodukten, schaltet sauber und einwandfrei."
M. Petznick (Mainova): "Gut abgestimmtes DSG mit ausreichender Elastizität, um allen Fahrsituationen Genüge zu tun. Für sportliches Fahren sorgt das Umschalten der Automatik auf den Sportmodus."
J. Schorn: "Das DSG hat sehr gut funktioniert. Auch im normalen Betrieb ohne die Einstellung 'S' zu benutzen, beschleunigte der Wagen sehr gut aus dem Stand heraus oder bei Überholmanövern. Man hatte eigentlich nie das Gefühl, dass Getriebe und Motor nicht passten."
Innenraum
J. Wanat (Johanniter): "Ein schmuckes Fahrzeug. Beim Blick in den Innenraum fallen die Sitze mit der Sitzfläche aus Alcantara positiv auf, die sich auch durch hohen Sitzkomfort und Seitenhalt auszeichnen. Der gut zugängliche Kofferraum ist für durchschnittliche Aufgaben vollkommen ausreichend."
M. Petznick (Mainova): "Nüchterne aufgeräumte Hartplastik. Das Fahrzeug ist intuitiv bedienbar, hat keinen unnötigen Schnickschnack. Ablagemöglichkeiten sind ausreichend vorhanden, aber mit Handy, Kaffeebecher und Wasserflasche fast komplett belegt. Eine Kleinstablage für Münzen fehlt. Minimaler Verlust an Laderaum durch die Erdgastanks, die gerne größer sein dürften (siehe VW Caddy). Positiv ist die Entriegelung der Rückbanklehnen vom Kofferraum aus. Separate Anzeige von Erdgas und Benzintank anstatt von kombinierter Anzeige."
J. Schorn: "Das Platzangebot ist absolut okay für einen Wagen dieser Klasse. Hinten hat man ordentlich Bein- und Kopffreiheit. Der Kofferraum ist völlig in Ordnung. Will man ein Auto mit Gasantrieb fahren, muss man in Kauf nehmen, dass unter der Abdeckung im Kofferraum keine Staufläche für Dinge wie ein Ersatzrad vorhanden ist. Das Cockpit macht einen guten, aufgeräumten Eindruck. Bedienteile sind nach kurzer Eingewöhnung und Learning-by-Doing gut händelbar."
Komfort
M. Petznick (Mainova): "Die Sitze waren auf langer Strecke zu hart. Es fehlte an Unterstützung für die Oberschenkel. Das Abrollverhalten und die Federung waren so gut, dass sie für die meisten Situationen den besten Kompromiss darstellten."
J. Schorn: "Bis auf die Vordersitze ist der Komfort des Fahzeuges sehr gut. Die sportliche Abstimmung des Testfahrzeuges überzeugte durch einen guten Federungskomfort, der Unebenheiten des Fahrbahnbelags nicht ungefiltert an die Insassen weitergab, sondern den Passagieren das Gefühl gab, gut aufgehoben zu sein. Die Sitze sind etwas einfach gewesen und bei einem Fahrzeugpreis von rund 35.000 Euro sollte man sowohl für den Fahrer- als auch für den Beifahrersitz zumindest eine elektronische Lordosenstütze erwarten können. Im Fahrersitz war ein mechanischer Kippmechanismus integriert, der eine Lordosenstütze darstellen sollte, welcher im Beifahrersitz gänzlich fehlte. Hier besteht meines Erachtens Nachholbedarf."
Optik
M. Petznick (Mainova): "Für einen Kombi hat der Leon ein sportlich, schnittiges Design. Als Gesamtpaket ist er schön anzusehen."
J. Schorn: "Der Leon setzt die mit dem Ibiza 2009 eingeläutete neue Designpolitik mit der unterbrochenen Seitenlinie fort. Das Fahrzeug sieht optisch sportlich schick aus und setzt sich erfreulich vom Markencousin VW Golf etwas ab."
Verarbeitung
J. Wanat (Johanniter): "Die Bedienelemente liegen ergonomisch griffgünstig."
M. Petznick (Mainova): "Es war kein Knarzen zu hören. Insgesant eine qualitativ gute Verarbeitung."
J. Schorn: "Die Verarbeitung ist gut, auch wenn hier nicht ganz der Konzernstandard gehalten wird. Man muss gegenüber den anderen Marken wie VW und Audi doch den einen oder anderen Abstrich machen bei der Qualität der Materialien."
Sonderausstattung
J. Wanat (Johanniter): "Etwas mühsam ist nach wie vor die Suche nach einer Erdgastankstelle. Die Tankstellensuche im Navi funktioniert zwar gut, aber im Testzeitraum ist es mir zweimal passiert, dass die angegebenen Tankstellen nicht mehr existierten oder den Gasverkauf aufgegeben hatten. Begeistert hat mich das Abstandsradar in Verbindung mit dem Tempomaten. Eine segensreiche Einrichtung für Autobahnvielfahrer. Ein kleiner Wermutstropfen ist, dass der Tempomat nur bis 160 km/h regelt, aber vielleicht liest das hier ein Seat-Ingenieur und erbarmt sich."
M. Petznick (Mainova): "Toll waren die LED-Lichter und die Automatik. Hilfreich waren das Navi mit der Ansicht der Erdgastankstellen sowie die Einparkhilfe."
J. Schorn: "Einparkhilfe und Tempomat mit Distance Control waren hilfreich. Dieses Austattungsdetail durfte ich bisher nur in der gehobenenen Mittelklasse erfahren. Allerdings muss man gegenüber den Wettbewerbern (BMW, Daimler) bei der Distance Control einen kleinen Abstrich machen - sobald das Fahrzeug steht, verlangt es unmissverständlich nach der Bremse. Folgte man dieser Aufforderung nicht, fuhr das Fahrzeug wieder an (auch wenn nur langsam). Dies habe ich bisher so nicht kennengelernt. Der Spurhalteassistent ist auch sehr sinnvoll, da er einen beim Verlassen der Spur deutlich warnt und erst bei ziemlich eindeutigen Lenkbewegungen durch den Fahrer die Spur verlässt. Darüber hinaus wird versucht, das Fahrzeug durch automatisierte Lenkbewegungen des Systems in der Spur zu halten. Das ist allerdings auch ein Zeichen, dass der Fahrer dringend eine Pause machen sollte. Generell finde ich es wichtig, dass der Fahrer die wichtigsten Funktionen über das Lenkrad bedienen kann."
Fahrverhalten
J. Wanat (Johanniter): "Das Fahrverhalten würde ich als top und problemlos beschreiben. 110 PS sind erst einmal nicht die Welt, aber das Auto macht Freude dank gutem Durchzug und guter Beschleunigung. Im oberen Drehzahlbereich wird der Motor allerdings etwas brummig und wirkt zäh. Hohe Drehzahlen sind jedoch zum Abrufen einer angemessenen Leistung gar nicht erforderlich. Der Verbrauch ist natürlich immer abhängig vom individuellen Fahrstil, aber mit 4,7 Kilogramm Erdgasverbrauch auf 100 Kilometer ist man schon sehr flott unterwegs."
M. Petznick (Mainova): "Ein komfortables Fahrverhalten mit guter Straßenlage. Der Leon liegt sportlich in den Kurven und verfügt über eine direkte Lenkung."
J. Schorn: "Das Fahrzeug ließ sich bequem steuern, war sehr agil und hing gut am Gas. Kurven ließen sich flott fahren. Der Geradeauslauf war gut und wurde vom Spurhalteassistenten entsprechend unterstützt."
Konkurrenz/Eigener Fuhrpark
J. Wanat (Johanniter): "Der Motor ist brummig und zäh im oberen Drehzahlbereich. Als Einsatzfahrzeug passt der Leon nicht zu uns, als User-Chooser-Fahrzeug würde er aber passen. Vergleichen würde ich ihn mit dem Ford Focus oder dem Hyundai i40. Der Aufpreis für die bivalente Erdgasversion ist moderat und wird sich schnell amortisieren. Insgesamt ein sehr gelungenes Fahrzeug mit guter Qualitätsanmutung als Alternative zu Golf, Focus und Co. mit vielen Individualisierungsmöglichkeiten."
M. Petznick (Mainova): "Der Kombi wäre für unseren Fuhrpark eine Alternative, da er optisch ansprechend ist und ein qualitativ gutes Gesamtpaket darstellt. Dennoch ist das CNG-Tankvolumen zu gering und der Normverbrauch von 3,5 kg/100 km war trotz überwiegender Autobahnfahrten unerreichbar. Der Konkurrent zu VW Golf Variant und Skoda Octavia Combi ist ein gutes Allzweckfahrzeug für den Serviceeinsatz und für Vertriebsaufgaben mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis und einem sportlichen Design."
J. Schorn: "Die Kombination aus Erdgas und Benzin ist für unseren Fuhrpark nicht praktikabel, da die Abdeckung mit Erdgastankstellen deutschlandweit sehr unterschiedlich ist und im Testumfeld sich auf eine Tankstelle alle zehn Kilometer beschränkte. Wir haben derzeit zwei Seat Leon mit Dieselantrieb im Fuhrpark, die eine hohe Laufleistung haben und deutschlandweit im Einsatz sind. Will man preiswert mit Erdgas fahren, ist man gezwungen, alle 260 Kilometer eine Tankstelle aufzusuchen. Fährt man mit Benzin, wird es ungleich teurer. Beides ist dem Zweck, Arbeitsmittel für die IT oder den Außendienst zu sein, nicht zuträglich. Der einzige wirkliche Schwachpunkt waren die Vordersitze. Sonst muss man festhalten, dass Seat mit dem Leon in der Kompaktklasse ein Fahrzeug entwickelt hat, das im Vergleich zum Wettbewerb (auch innerhalb des Konzerns) sportlicher anmutet und wahrscheinlich eher junge Nutzer ansprechen wird. Den Leon ST würde ich mir gegebenenfalls auch als Privatfahrzeug anschaffen, dann allerdings mit einer Diesel-Motorisierung anstatt der Erdgas-Benzin-Kombination."
Protokoll: rs
Urteil der Redaktion
Unsere Eindrücke von den zwei Testwochen mit dem Leon ST
_ Wie fährt sich ein Seat? Im Grunde wie ein VW. Gleicher Motor, gleiches Getriebe, gleiche Innen-Optik. Der kosteneffiziente Baukasten lässt die Marken des Konzerns näherrücken, was auch die drei Fuhrparkleiter wohlwollend bestätigen. Auch wenn natürlich noch nicht alles am Iberer auf dem Niveau des Branchenprimus ist, wie Flottenchef Jörg Schorn feststellt und dabei auf die Innenmaterialen abzielt. Jürgen Wanat lobt indes sowohl den adaptiven Abstandswarner als auch den Spurhalteassistenten. Dieser Segen für Vielfahrer entstammt natürlich aus dem Konzern-Baukasten wie das 1.4-TGI-Aggregat, das auch im Golf Variant und im Skoda Octavia Combi für emissionsarmes Vorankommen sorgt. Was bei sportlicher Fahrweise, wie in unserem Test, bedeutet, dass alle 250 Kilometer das Navi nach einer Erdgassäule Ausschau halten sollte.Das Netz der gut 900 Anlaufstellen in Deutschland ist in der Routenplanung sehr gut abgebildet. Allein nicht jede Zapfsäule gibt ohne weiteres das Erdgas frei. Nicht nur unsere Tester, sondern auch die Redakteure standen bisweilen vor recht entlegenen CNG-Tanken, die nach einer speziellen Zugangskarte (meist jene der hiesigen Stadtwerke) verlangten. Ein bekanntes Problem für alle Stromer-Fahrer. Im bivalenten Iberer muss man indes weiß Gott keine Angst vor dem Stehenbleiben haben, wenn das letzte Gas aus den Tanks verschwunden ist. Der 50-Liter-Benzin-Tank springt sofort ein und sorgt für gut 700 Kilometer Ruhe. Manuell kann man indes nicht zwischen den Energiearten wählen. Beruhigen kann dies Dieselfans indes wenig, denn die Tankrechnung fußt nun auf Super- und nicht auf Diesel-Basis.Bei moderater Fahrweise reichen die gut 15 Kilogramm (kg) Erdgas für etwas über 300 Kilometer, also ungefähr von Frankfurt nach Münster. So pendelt sich der Verbrauch bei 4,6 kg ein. Wer nur auf der Autobahn unterwegs und dem sportlichen Design eine ebensolche Fahrweise verpasst, der muss bereits nach der Strecke Stuttgart - München auf Benzin umstellen. Bei gut fünf Kilogramm pro 100 Kilometer kommt man so nur noch gut 270 Kilometer weit. Der Schnitt lag bei 4,8 kg Erdgas und 6,7 Liter Super pro 100 Kilometer. rs
Interview
Fragen an Marcus Hoffmann, Leiter Flotten und Remarketing Flotten bei Seat Deutschland
_ Wie sehen die Verkaufszahlen in diesem Jahr für den Seat Leon ST aus? Und wie oft wurde dabei die Erdgas-Variante geordert?Marcus Hoffmann: Insgesamt sind in diesem Jahr (bis 31. Juli) bundesweit 13.490 Seat Leon ST und davon 53 mit der Erdgas-Motorvariante 1.4 TGI Start&Stop (110 PS) verkauft worden._ Das sportliche Design, die nützlichen Helfer an Bord und das DSG-Getriebe wurden von allen Testern gelobt. Ist Seat damit die jugendliche Alternative zu den Kombis des VW-Konzerns?M. Hoffmann: Seat gilt insgesamt als sehr junge Marke. Doch gerade die Kombivariante vom Leon ist ein wahres Seat-Aushängeschild und spricht insbesondere junge, aktive Menschen an. Sie vereint Top-Performance auf einzigartige Weise mit Stil und Nutzwert. Für Job, Familie oder Hobby - mit seinen 1.470 Liter Gepäckraum ist der Leon ST vielseitig einsetzbar._ Die Materialauswahl und den Sitzkomfort monierten indes die drei Testflotten. Gibt es hier Paketlösungen, die speziell auf höherwertige Sitze und Innenstoffe abgestimmt sind?M. Hoffmann: Von unseren Kunden erhalten wir durchweg postives Feedback bezüglich der Materialauswahl und -verarbeitung. Alle Sitze bieten eine gute Ergonomie, insbesondere fürVielfahrer unter anderem durch eine Lordosenstütze und die vielen weiteren individuellen Verstellmöglichkeiten. Neben unseren Stoff-Ausführungen bieten wir auch Ausstattungsoptionen in Alcantara und Leder an. Letzteres findet sich dann auch auf höchstem Niveau verabeitet am Lenkrad, auf dem Schaltknauf und auf weiteren Applikationen._ Wird sich beim Thema Erdgas und eventuell auch Autogas - das ein weitaus dichteres Tankstellennetz in Deutschland bietet als CNG - bei Seat etwas tun oder bleibt es beim bisherigen Angebot?M. Hoffmann: Autogas spielt derzeit keine große Rolle bei Seat. Unsere Erdgasmotoren basieren auf der fortschrittlichsten Technologie und zeichnen sich durch besondere Effizienz aus. Mit dem Design neuer Modelle werden auch die Motoren stetig weiterentwickelt.Interview: rs
- Ausgabe 10/2016 Seite 52 (947.5 KB, PDF)