Sinneswandel hin zur Flotte
Teil eines Fuhrparks werden | Corporate-Carsharing-Projekte gibt es viele. Das Münchner „Shared E-Fleet“-Modell will nichts weniger, als ein Umdenken beim Thema Mobilität in kleinen und mittelgroßen Firmen erreichen.
— Nach Stuttgart nun München: Mit einem Monat Unterschied gegenüber dem Projektstart in Baden-Württemberg teilen sich jetzt auch in der Isarmetropole die Mieter eines Technologieparks (MTZ) einen Fahrzeugpool. Dieser besteht zwar zunächst nur aus einem Trio von BMW-i3-Stromern, was aber nicht heißt, dass das Projekt nicht ambitioniert ist.
Ganz im Gegenteil. Denn die Partner des staatlich finanzierten Versuchsballons, der zunächst auf fünf Monate ausgelegt ist, wollen den Firmen eine neue Definition von Mobilität vermitteln. Dass nun drei E-Fahrzeuge den Anfang machen, dient der Öffentlichkeitswirkung und der technischen Neugierde, ist aber für die Grundidee nicht entscheidend.
Neue Flotten entstehen | „Viel wichtiger ist, dass Unternehmen erstmalig für sich entscheiden, die eigenen Dienstfahrzeuge in einen Pool zu geben und mit anderen zu teilen“, erklärt Norman Natzke. Das Mitglied der Geschäftsleitung bei Carano Software Solutions gehört zu den Vordenkern von Shared E-Fleet. Hinter den Flottenteilern steht das Konsortium mit folgenden Partnern: Carano, Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, Baimos Technologies, Ludwig-Maximilians-Universität München, Marquardt, MGH-Münchner Gewerbehof- und Technologiezentrumsgesellschaft (MTZ), Siemens, STEP Stuttgarter Engineering Park, TWT Science & Innovation. Die Fördergelder stammen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aus dem Programm „IKT für Elektromobilität II – Smart Car – Smart Grid – Smart Traffic“.
Erste Erfahrungen | Dass diese Idee fruchtet, zeigt der parallel agierende Pool in Stuttgart (siehe Autoflotte 7/2014, S. 31). „Dort hat sich ein Hersteller von Windrädern gemeldet, der seine E-Fahrzeuge in die offene Flotte einsteuern will“, berichtet Natzke.
Dies ist allerdings nicht das einzige Feedback, das der surrende Fuhrpark in Baden-Württemberg seit dem Projektstart im Juni hervorrief. Die am Stuttgarter STEP ansässige Deutsche Schiffahrts-Agentur stellte ihren acht Mitarbeitern früher ein eigenes Poolfahrzeug für Dienstfahrten parat.
„Die Handhabung unseres Poolfahrzeugs war unproblematisch, allerdings hatte das Fahrzeug teilweise lange Standzeiten und erforderte einen entsprechenden Wartungsaufwand. Das heißt, es war unrentabel und aufwändig im Unterhalt“, berichtet Michael Schweizer, Manager South Germany. Also stieg man auf Mietwagen um. „Jetzt buchen unsere Mitarbeiter ihre Fahrten im Shared-E-Fleet-Tool, das es auch als App gibt, und sind mit den dortigen vier BMW i3 dienstlich mobil“, erklärt Schweizer. Seinen eigenen Dienstwagen, einen VW Sharan, nutzt Schweizer laut eigener Aussage für Fahrten in Stuttgart mittlerweile kaum noch. Es wird stattdessen losgesurrt.
Start in Bayern | Seit dem 11. August kennt die Buchungsplattform auch die Münchner Adresse, denn in der Startphase haben bereits acht Mieter des MTZ mit 20 registrierten Nutzern Zugang zum BMW-Trio – in Stuttgart teilen sich 60 Mitarbeiter aus 18 Firmen die Elektro-Flitzer. Ein Münchner Tester ist Johannes Gerl, geschäftsführender Gesellschafter von Modelon, der treffend resümiert: „Es macht einfach unglaublich viel Spaß, mit einem Elektroauto unterwegs zu sein.“ Natzke nennt weitere Gründe für den Modellversuch: „Technologieparks sind mit Shared E-Fleet in der Lage, den Parkdruck zu vermindern und somit einen attraktiven Mehrwertdienst zu bieten. Mieter müssen sich weder über die Wartung noch über die Reinigung der Fahrzeuge Gedanken machen und vor allem keine eigene Fahrzeugflotte aufbauen.“
Das Konsortium spricht damit auch jene 94 kleinen und mittleren Unternehmen im MTZ an, die weiterhin Teil des Pilotprojektes werden können, das auch von der Politik – in diesem Fall von der bayerischen Landeshauptstadt – goutiert wird. Der stellvertretende Bürgermeister Josef Schmid (CSU) kam persönlich zum Start ins MTZ und erklärte: „Die Nutzung von Elektrofahrzeugen soll in München einfacher und attraktiver werden, ohne andere Verkehrsteilnehmer spürbar zu benachteiligen. Mit Shared E-Fleet macht die Elektromobilität auf Münchens Straßen wieder einen Schritt nach vorne.“
Mietzeiten überziehen | Bis dahin liegt noch einige Detailarbeit vor der Forschungsgruppe. „Vor allem das Überziehen der Mietzeit hatte ihre Tücken“, blickt Natzke auf die Anfänge in Stuttgart zurück. Da die Hotline nur während der allgemeinen Geschäftszeiten verfügbar ist, kam es vor, dass ein Mieter, der das Auto verspätet zurückgab, kurze Zeit später nicht mehr ins Auto kam, wenn er etwas im Kofferraum vergessen hatte. „Selbst so profane Dinge wie den ständigen Internetempfang, der für das elektronische Fahrtenbuch und die Buchungs-App erforderlich ist, galt es sicherzustellen. Denn wie sich zeigte, gab es an den Ladestationen in der Tiefgarage in Stuttgart keinen Empfang“, sagt Natzke.
Mittlerweile gibt es nicht nur ein WLAN-Netz in der Tiefgarage, sondern auch neue Services. Von solchen Updates profitieren künftig die Anwender in Berlin und Magdeburg. Hier sollen die nächsten E-Flotten entstehen und die Grundidee weitertragen.
| Rocco Swantusch
- Ausgabe 11/2014 Seite 76 (4.7 MB, PDF)