Schilder ohne Rechtswirkung
Ein durch Baum- und Buschbewuchs objektiv nicht mehr erkennbares Verkehrszeichen entfaltet keine Rechtswirkungen mehr. So entschied im Fall eines Zone-30-Schildes in zweiter Instanz das Oberlandesgericht Hamm. Das Sichtbarkeitsgebot – und darauf stellte das Gericht ab – gilt für alle Straßenverkehrsschilder.
Ein Taxifahrer überschritt innerorts mit dem von ihm geführten Fahrzeug die durch Verkehrszeichen 274.1 (Beginn einer Tempo-30-Zone) angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit um 40 Stundenkilometer. Gemessen wurde nach Abzug einer Toleranz von drei Prozent eine Geschwindigkeit von 70 Stundenkilometern. Das Verkehrszeichen mit der Geschwindigkeitsbegrenzung war zum Tatzeitpunkt durch Baum- und Buschbewuchs für den Betroffenen nicht erkennbar gewesen.
Entscheidung des Amtsgerichtes
Nach dem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid hat das Amtsgericht den Taxifahrer einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um 40 km/h für schuldig befunden. Dies hatte eine Geldbuße von 200 Euro sowie drei Punkte in Flensburg zur Folge. Ein Fahrverbot wurde nicht verhängt. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass aufgrund der „festgestellten örtlichen Verhältnisse – unter anderem mehrfache Fahrbahnerhöhungen, eine Fahrbahnverengung, die Geltung der Regelung „rechts vor links“ an nahezu allen Einmündungen, neben einer Schule und einem Kindergarten an der I-Straße fast ausschließlich vorhandene Wohnbebauung – der Betroffene hätte erkennen können und müssen, dass er sich in einer Tempo-30-Zone befand.“
Entscheidung des Oberlandesgerichtes Hamm
Hiergegen legte der Betroffene durch seinen Verteidiger Rechtsbeschwerde ein und bekam überwiegend Recht. Das Oberlandesgericht Hamm hielt den Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Umfang von 40 km/h in seinem Urteil vom 30. September 2010 (Az. III-3 RBs 336/09, 3 RBs 336/09) nicht aufrecht. Vielmehr konnte dem Betroffenen lediglich vorgeworfen werden, dass er gegen die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 Stundenkilometern gemäß § 3Abs. 3 Nr. 1 Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoßen und diese um 20 Stundenkilometer überschritten hat.
Hintergrund ist, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht zu erkennen war. Dieser Umstand hatte zur Folge, dass das Verkehrszeichen keine Verbindlichkeit entfaltete. Die Richter befanden: „Für die Wirksamkeit von Verkehrszeichen gilt der Sichtbarkeitsgrundsatz. Nach diesem Grundsatz sind Verkehrszeichen so aufzustellen oder anzubringen, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhalten der nach §1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. Unter diesen Voraussetzungen äußern sie Rechtswirkung gegen jeden von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.03.2008 – 3 C 18.07). Der Verkehrsteilnehmer muss die Anordnung des Verkehrszeichens ohne weitere Überlegung eindeutig erfassen können (…)“.
Auswirkungen für den Fuhrpark
Bei jedem straßenverkehrsrelevanten Fehlverhalten drohen Dienstwagenfahrern ein Verwarnungsgeld, Geldbuße und oftmals „Punkte“ im Verkehrszentralregister oder sogar ein Fahrverbot bis hin zum Verlust der Fahrerlaubnis. Die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit, ein Kraftfahrzeug zu führen, ist allerdings oftmals grundlegende Voraussetzungen für das Arbeitsverhältnis.
Die Erfahrung zeigt, dass Bußgeldbescheide nicht vorschnell akzeptiert werden sollten. Oftmals gibt es formelle Mängel, Fehler in den Messverfahren oder – wie dieser Falls zeigt – das Verkehrsschild hat keine Wirkung entfaltet. Es sollte daher der Tatvorwurf aus allen Winkeln und Aspekten überprüft werden, ob denn die Ordnungswidrigkeit mit all ihren Folgen tatsächlich der rechtlichen Prüfung standhält. Inka Pichler
- Ausgabe 2/2011 Seite 74 (144.8 KB, PDF)