Rücktrittsrelevante Mängel
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass für die Beurteilung der rücktrittsrelevanten Erheblichkeit eines Mangels beim Kauf von Fahrzeugen auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen ist. Da das Kaufrecht, namentlich das Gewährleistungsrecht, auch beim Leasing Anwendung findet, ist die Entscheidung gerade für Fuhrparkbetreiber von besonderer Bedeutung.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in dem Leitsatz seiner Entscheidung vom 15. Juni 2011 (Aktenzeichen VIII ZR 139/09) Folgendes ausgeführt: „Für die Frage, ob das Rücktrittsrecht eines Käufers wegen der Lieferung einer mangelhaften Sache gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen ist, ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen. Ist zu diesem Zeitpunkt die Mangelursache trotz mehrerer vorausgegangener Reparaturversuche nicht bekannt und deswegen nicht absehbar, ob und mit welchem Aufwand der Mangel beseitigt werden kann, wird ein zum Zeitpunkt des Rücktritts erheblicher Mangel nicht zu einem geringfügigen Mangel, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Mangel mit verhältnismäßig geringem Aufwand behoben werden kann.“
Der erfolgreiche Rücktritt vom Kaufvertrag setzt unter anderem eine erhebliche Pflichtverletzung durch den Verkäufer gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB voraus. Ohne Erheblichkeit im Sinne dieser Vorschrift besteht für den Käufer nur ein Anspruch auf Minderung des Kaufpreises der mangelbehafteten Kaufsache.
Aufgrund von Korrosion am Unterboden sowie einer fehlerhaft eingestellten Achsgeometrie hatte der Käufer eines Neuwagens im verhandelten Fall den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, nachdem der Verkäufer trotz mehrmaliger Nachbesserungsversuche die Mängel nicht beseitigen konnte.
Im Gegensatz zur ersten Instanz, die den beklagten Händler zur Rückzahlung des Kaufpreises verurteilt hatte, lehnte das Oberlandesgericht in der Berufungsinstanz einen Rücktritt mangels Erheblichkeit ab, da die nun festgestellten Kosten für die Mangelbeseitigung unter fünf Prozent des Kaufpreises lagen.
Der BGH hat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und entschieden, dass die Frage nach der Erheblichkeit nicht am Ende oder im Verlauf des Prozesses, sondern bezogen auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung beantwortet werden muss.
So ist die Annahme der Vorinstanz, der Mangel der vorderen Achseinstellung sei eine unerhebliche Pflichtverletzung (weil er nur fünf Prozent des Kaufpreises ausmacht) im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB, sodass dem Kläger kein Rücktrittsrecht nach § 437 Nr. 2 BGB zustehe, sondern er sich auf eine Nacherfüllung verweisen lassen müsse, falsch.
Entscheidend: Erhebliche Beeinträchtigung muss vorliegen
Entscheidend ist für den BGH, dass zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeuges nicht nur geringfügig betroffen war. Der Fehler an der vorderen Achseinstellung hatte unter anderem zu einem Sägezahnabrieb an den Reifen und damit zu einer erheblichen Beeinträchtigung bei der Fahrzeugnutzung geführt.
Für die Frage, ob ein Mangel erheblich ist, kommt es dem BGH zufolge also nicht darauf an, dass zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung die fehlerhaft eingestellte Achsgeometrie als Fehlerursache noch nicht feststand und zu diesem Zeitpunkt somit auch noch keine Aussagen über die Kosten der Mangelbeseitigung getroffen werden konnten.
Anderenfalls würden uneffektive Versuche des Verkäufers zur Mangelbeseitigung auf dem Rücken des Käufers ausgetragen, der zudem nicht das Fachwissen des Händlers besitzt, auf ein solches aber bei der Nacherfüllung vertraut.
Der BGH bestätigt mit diesem Urteil seine bisherige Rechtsprechung (vgl. BGH, DAR 2009, 89). In dieser vorangehenden Entscheidung konnte ein Wassereintritt in das Fahrzeuginnere letztlich durch geringen Kostenaufwand beseitigt werden. Auch hier hatte sich die Fehlerursache erst im Verlauf des Rechtsstreites nach Begutachtung durch einen gerichtlich beauftragten Sachverständigen feststellen und schließlich mit geringem Aufwand (circa 200 Euro) beseitigen lassen, nachdem der Verkäufer trotz mehrmaliger Versuche hierzu nicht in der Lage war beziehungsweise er den Wassereintritt nicht an allen Stellen beheben konnte.
Den bis dahin ungeklärten Wassereintritt im Fußraum des Beifahrersitzes stuften die BGH-Richter aufgrund der damit einhergehenden Beeinträchtigungen als „erheblich“ im Sinne des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ein und bestätigten die Wirksamkeit der Rücktrittserklärung des Käufers.
Diese Entscheidungen des BGH erleichtern dem Käufer somit die Geltendmachung seines Rücktrittsrechtes. Dem Käufer wird damit nicht (mehr) das Bewertungsrisiko des Mangels aufgebürdet. Stellt sich ein bei der Rücktrittserklärung (noch) als erheblich erscheinender Mangel später in der gerichtlichen Auseinandersetzung tatsächlich als unerheblich dar, geht dies nicht zulasten des Käufers. Der Rücktritt vom Kaufvertrag bleibt wirksam. Dr. Michael Ludovisy
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Erhöhte Haftung für einen Spurwechsler, der eine Sperrlinie überfährt
Wechselt der als Linksabbieger eingeordnete Fahrer 15 bis 20 Meter vor der Kreuzung die Spur nach rechts auf die linke Geradeausspur und überfährt er dabei eine durchgezogene Sperrlinie, so haftet er zu zwei Dritteln für den Schaden eines Zusammenstoßes mit einem anderen Fahrzeug, das gleichzeitig von der rechten Geradeausspur nach links über die gestrichelte Linie in die linke Geradeausspur wechselt.
AG Berlin-Mitte, Aktenzeichen 107 C 3063/10, SP 2011, 284
Irreführung einer Autohaus-Werbung
Ein Autohändler, der nicht „Vertragshändler“ des Autoherstellers ist, darf den Begriff „Vertragspartner“ nicht in der Werbung benutzen. Denn es liegt eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung vor, wenn durch die Verwendung des Begriffs „Vertragspartner“ der unzutreffende Eindruck entsteht, der Werbende sei „Vertragshändler“ eines Automobilherstellers. Die Vorinstanz hatte zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kunde von einem Händler, der vertraglich in das Vertriebsnetz eines Automobilherstellers eingebunden ist, ein besonderes geschultes Fachpersonal, mithin eine gehobene Qualität bei der Beratung, beim Service und bei Werkstattleistungen erwartet. Zudem liegt es nicht fern, dass sich die Verbraucher von einem Vertragshändler eine besondere Nähe zum Hersteller und damit bessere tatsächliche und rechtliche Möglichkeiten bei der Regelung von Garantie- und Kulanzfällen versprechen als bei einem Betrieb, der mit dem Hersteller lediglich als Servicepartner verbunden ist.
BGH, Aktenzeichen I ZR 170/08, BB 2011, 2306
Vorzeitige Beendigung des Leasingvertrages – Berücksichtigung des höheren Pkw-Wertes
Wird ein Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung vorzeitig gekündigt, so hat der Leasingnehmer einen Anspruch auf Erstattung des im Vergleich zum ursprünglich geplanten Vertragsende höheren Pkw-Wertes gegen den Leasinggeber. Dieser Wert ist durch einen Sachverständigen zu berechnen. Es ist zulässig, die sonstigen laufzeitabhängigen Kosten eines Leasingvertrages nach vorzeitiger Beendigung durch Schätzung auf zehn Euro pro Monat festzulegen. Da eine Schätzung nach § 287 ZPO der Feststellung des tatsächlich eingetretenen leasingtypischen Schadens möglichst nahekommen soll, folgten die entscheidenden Richter insoweit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die im Falle der außerordentlichen Kündigung des Leasingvertrages die Berechnung des Substanzwerts bei vorzeitiger Rückgabe nach der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert bei geplantem Vertragsende und dem realen Wert bei vorzeitiger Rückgabe ansetzt.
OLG Düsseldorf, Aktenzeichen I-24 U 73/10, BB 2011, 2242
Fahrtenbuchführung mit Excel und zusätzlichen Mitschriften
Ein mithilfe einer Excel-Tabelle und zusätzlichen handschriftlichen Aufzeichnungen geführtes Fahrtenbuch genügt den Anforderungen an die ordnungsgemäße Führung eines Fahrtenbuches nicht, da eine nachträgliche Manipulation nicht ausgeschlossen werden kann. Eine mithilfe eines Computerprogramms erzeugte Datei genügt den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nur dann, wenn nachträgliche Veränderungen an dem zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder in ihrer Reichweite in der Datei selbst dokumentiert und offengelegt werden.
BFH, Aktenzeichen VI B 12/11, NWB 2011, 3338
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Mithaftung bei Auffahren auf ein nicht beleuchtetes Hindernis auf der Autobahn
Fährt ein Kfz-Fahrer bei Dunkelheit mit unangepasster Geschwindigkeit auf der Autobahn oder ist er so unaufmerksam, dass er unter Verletzung des Sichtfahrgebotes auf ein unbeleuchtetes Hindernis auf der Fahrbahn auffährt, so trifft ihn eine Mithaftung von einem Drittel. Der Fahrer hat den Unfall entweder durch nicht angepasste Geschwindigkeit oder durch Unaufmerksamkeit schuldhaft mit verursacht, was beides gleich schwer wiegt. Das Auffahren auf ein die Fahrbahn versperrendes Hindernis erlaubt eine „alternative Schuldfeststellung“ dahin, dass entweder der Bremsweg des Auffahrenden länger als die Sichtweite oder seine Reaktion auf die rechtzeitig erkennbare Gefahr unzureichend gewesen sein muss. Denn der Kraftfahrer darf auch bei Dunkelheit nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke rechtzeitig vor einem Hindernis, das sich auf seiner Fahrbahn befindet, anhalten kann.
LG Essen, Aktenzeichen 12 O 176/04, SP 2011, 281
Wiederbeschaffungswert einesentwendeten Navigationsgerätes
Die Höhe des Wiederbeschaffungswertes eines gleichwertigen Gegenstandes ist maßgeblich für den Umfang der durch die Kaskoversicherung im Schadensfall zu erbringenden Leistung, § 13 I a AKB. Für Navigationsgeräte gibt es einen Gebrauchtmarkt, sodass anhand dieses Marktes ein zuverlässiger Wiederbeschaffungswert festgestellt werden kann. Der Wiederbeschaffungswert bestimmt sich nach der Höhe der Aufwendungen, die der Versicherungsnehmer für den Erwerb gleichwertiger Teile aufwenden muss, woraus sich ergibt, dass der Versicherungsnehmer gerade keinen Anspruch auf neuwertigen Ersatz hat. Der Wiederbeschaffungswert eines Geräts hat sich danach zu richten, ob es einen Markt für die beschädigte Sache gibt und welche Wertschätzung die beschädigte Sache auf diesem Markt erhält.
AG Essen, Aktenzeichen 20 C 417/09, VersR 2011, 914
Mit Klett- oder Klebebandbefestigte Sachen
Befestigt ein Versicherungsnehmer angeblich aus einem Fahrzeug entwendete Gegenstände lediglich mit einem Klett- bzw. Klebeband, sind diese nicht fest mit dem Fahrzeug verbunden, sodass kein Erstattungsanspruch aus der Kaskoversicherung besteht. Ein Ersatzanspruch scheitert schon allein deshalb, weil Verstärker und Lautsprecher nicht fest mit dem Fahrzeug verbunden waren. Dies wäre aber gemäß § 12 der vereinbarten Versicherungsbedingungen Voraussetzung für eine Ersatzfähigkeit bei einer Fahrzeugversicherung. Der Versicherungsnehmer erklärte dagegen, die Bauteile seien mit einem Klettband im Kofferraum befestigt gewesen. Eine solche Befestigungsart begründet keine feste Verbindung zum Fahrzeug, sondern ermöglicht es gerade, die Bauteile einfach aus dem Fahrzeug zu entfernen.
AG Hamburg-St. Georg, Aktenzeichen 910 C 467/10, SP 2011, 302
Berücksichtigung eines Großkundenrabattes bei der Ermittlung der Reparaturkosten
Wird ein beschädigtes Fahrzeug in einer Vertragswerkstatt repariert und erhält der Geschädigte dort einen Großkundenrabatt von 19,05 Prozent, so ist dieser Rabatt bei der Festlegung der Reparaturkosten nach Ansicht der Richter am Amtsgericht Hannover anzurechnen. Der nach § 249 II S.1 BGB zu leistende Schadensersatzbetrag richtet sich danach, was ein verständiger wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten vorgenommen hätte. Bei der Gewährung des Rabattes handelt es sich nicht um eine freiwillige Leistung eines Dritten, die nur dem Geschädigten, nicht aber dem Schädiger zugutekommen soll, sondern um einen für Großkunden handelsüblichen Rabatt, der der Klägerin bei sämtlichen Reparaturaufträgen zur Verfügung steht. Unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes ist bei der Bemessung der Reparaturkosten der Großkundenrabatt zu berücksichtigen.
AG Hannover, Aktenzeichen 422 C 9236/10, SP 2011, 296
Widerlegung des Anscheinsbeweises
Kann der auffahrende Hintermann darlegen, dass der Vordermann vor der Kollision einen Fahrstreifenwechsel durchgeführt hat, hat er den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis widerlegt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Anscheinsbeweis für das Verschulden des auffahrenden Hintermannes dann nicht angenommen werden kann, wenn der Vorausfahrende unmittelbar zuvor den Fahrstreifen gewechselt hatte. Der Beweis des ersten Anscheins gegen den Auffahrenden setzt voraus, dass beide Fahrzeuge unstreitig oder erwiesenermaßen so lange in einer Spur hintereinander gefahren sind, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangenen Fahrtbewegungen hätten einstellen können.
LG Düsseldorf, Aktenzeichen 22 S 255/08, SP 2011, 281
Rücktritt nach Kauf eines „Montagsautos“ – Entbehrlichkeit der Fristsetzung
Zur Frage der Entbehrlichkeit der Fristsetzung als Voraussetzung des Rücktritts beim Kauf eines Neufahrzeugs, das wegen seiner auf Qualitätsmängeln – namentlich auf schlechter Verarbeitung – beruhenden Fehleranfälligkeit insgesamt mangelhaft ist und von dem zu erwarten steht, dass es den Zustand der Mangelfreiheit nie über längere Zeit erreichen wird: Hier kommt es darauf an, ob eine Fristsetzung entbehrlich war, weil es sich bei dem gekauften Fahrzeug um ein „Montagsauto“ handelte. Das ist zu verneinen. Zur Zeit der Abfassung der Klageschrift unter dem 12. Dezember 2007 betrug die Laufleistung des Fahrzeugs nach eigenen Angaben des Klägers 33.000 Kilometer. Jedenfalls bei einem derart großen Abstand von der Übergabe nach Zeitablauf und Nutzung sind dann auftretende Defekte ohne Rückschlusswert im oben dargestellten Sinne, nämlich für den Schluss auf eine „Gesamtmangelhaftigkeit“ kraft Fehleranfälligkeit.
OLG Düsseldorf, Aktenzeichen 3 U 47/10, NJW-RR 2011, 1276
- Ausgabe 12/2011 Seite 62 (349.4 KB, PDF)