Sind E-Fuels die "Retter" des Verbrenners? Oder nur die hoffnungslose Herz-Massage für einen klinisch längst toten Patienten? Vieles spricht für den zweiten Fall. Denn bei den Designer-Kraftstoffen bleiben viele Fragen offen. Auch, nachdem sich Bundesregierung und EU auf einen Kompromiss zum Verbrenner-Verbot geeinigt haben, der vorsieht, dass auch nach 2035 noch Neuwagen zugelassen werden, wenn sie ausschließlich mit dem Klima-Sprit betankt werden.
Was sind E-Fuels?
Das "E" vor dem englischen Wort für "Kraftstoff" steht für "electro". Gemeint ist damit, dass E-Fuels mit Hilfe von idealerweise grünem Strom aus Wasser und CO2 hergestellt werden. Am Ende stehen Kohlenwasserstoffverbindungen, die man so zusammenbauen kann, dass sie konventionellem Benzin, Diesel, Erdgas und Kerosin bis aufs Atom gleichen. Sie lassen sich daher im Prinzip genauso nutzen wie ihre "natürlichen" Verwandten. Der wichtigste Unterschied: Weil das bei der Verbrennung freigesetzte Kohlendioxid zuvor bei der Herstellung aus der Luft entnommen wurde, ist ihre Klimabilanz ausgeglichen.
Was sind E-Fuel-Only-Autos?
Die EU muss bis 2024 die neue Kategorie der E-Fuel-Only-Autos überhaupt erst einmal definieren - so sieht es der nun vom Verkehrsministerium abgenickte Kompromiss vor. Zu diesen bislang noch nicht näher spezifizierten Pkw, die ausschließlich mit klimaneutralem Sprit betankt werden sollen, gibt es aber noch viele offene Fragen. Das Grundproblem: Prinzipiell ist es modernen Motoren egal, ob die Kohlenstoffketten, die sie verbrennen, aus natürlichem Erdöl hergestellt oder künstlich synthetisiert werden. Will man verhindern, dass Benzin- und Diesel-Neuwagen ab 2035 versehentlich oder aus betrügerischer Absicht konventionellen Sprit tanken, muss das durch eine Sperre aktiv verhindert werden. Diese könnte elektronisch, etwa über die Motorsteuerung, funktionieren oder etwa durch einen besonders geformten Tankstutzen. In beiden Fällen wäre ein Betrug jedoch wohl vergleichsweise leicht zu bewerkstelligen – und je nach künftiger Preissituation finanziell sehr verlockend.
Wer wird E-Fuel-Only-Autos bauen?
Die meisten Autohersteller wollen bereits lange vor 2035 in Europa nur noch E-Autos verkaufen. Dass sich diese langfristigen Pläne nun grundlegend ändern, ist unwahrscheinlich. Der E-Fuels-Kompromiss kommt offenbar auch nicht auf Druck der Autohersteller zustande, sondern liegt vor allem im Interesse von Teilen der Mineralölindustrie und der Autozulieferer. Autos bauen beide Parteien aber nicht selbst. Denkbar wäre daher, dass einige Hybride oder Plug-in-Hybride länger laufen als ursprünglich geplant – eine Art Resteverwertung also. Auch bestimmte Sportwagen und Luxusmodelle könnten durch die E-Fuels-Regelung Zeit gewinnen. Dass komplett neue Volumenmodelle mit Verbrennungsmotor in den Jahren vor 2035 neu auf den Markt kommen, gilt aktuell als eher unwahrscheinlich.
Was werden E-Fuel-Only-Autos kosten?
Schwer zu sagen. Ein großer Aufpreis für die E-Fuels-Only-Technik im Vergleich zu konventionellen Verbrennern ist nicht zu erwarten, gegenüber heute dürfte jedoch die Abgasreinigung aufwändiger werden. Dass Verbrenner-Autos allgemein künftig günstiger sind als E-Mobile, steht daher nicht zu erwarten. Bis Mitte des laufenden Jahrzehnts sollen Stromer nach diversen Prognosen nicht mehr teurer sein als Verbrenner – der Kostenvorteil dürfte sich im Laufe eines weiteren Jahrzehnts eher noch steigern. Für die Gesamtrechnung spielen außerdem Energie- und Wartungskosten eine Rolle – aber auch da sollten E-Autos ihre Vorteile ausbauen können. E-Fuel-Autos werden daher wohl eher keine günstige Mobilitäts-Alternative für Menschen werden, denen E-Mobile zu teuer sind.
E-Fuels - zehn Fragen, zehn Antworten
BildergalerieWer soll E-Fuel-Autos kaufen?
Ob traditionelle Verbrenner-Freunde mit einem E-Fuel-Mobil glücklich werden, bleibt abzuwarten. Genießer-Feinkost sind schon heutige Massen-Benziner und -Diesel eher selten: Mit kleinen Hubräumen, rappeligen Dreizylindern und einer gewisse Gleichförmigkeit quer durch alle Hersteller- und Modellreihen bieten sie meist nur ein eher überschaubares Charisma. Neben Technik-Fans bleiben vielleicht noch E-Auto-Skeptiker als Zielgruppe. Fraglich, ob diese Klientel groß und kaufkräftig genug wäre. Der heute noch existierende alltagspraktische Vorteil des Verbrenners hingegen dürfte in gut zehn Jahren keine Rolle bei der Kaufentscheidung mehr spielen: Reichweite ist schon bei heutigen E-Autos kein echtes Problem mehr – 2035 werden ausgebaute Ladeinfrastruktur und neue Batteriegenerationen es noch kleiner werden lassen.
Sind E-Fuel-Autos klimaneutral?
Bei der Verbrennung von synthetischen Kraftstoffen wird die gleiche Menge CO2 frei wie bei konventionellem Sprit. Allerdings ist dieses CO2 idealerweise zuvor bei der Herstellung in den Benzolverbindungen gebunden worden, so dass bilanziell ein Nullsummenspiel herauskommt. Im Prinzip können die Kraftstoffe aber auch aus grauem Wasserstoff und mit Kohlestrom gebaut werden – das müsste verhindert werden, sollen E-Fuels ihre Klimawirkung entfalten. Manche Experten halten daher eine aufwändige Zertifizierungs-Bürokratie für nötig. Um wirklich klimaneutral zu sein, müsste außerdem auch der Transport per Schiff oder Pipeline ohne CO2-Ausstoß erfolgen. Fairerweise muss man allerdings einwenden, dass auch E-Autos aktuell nur dann klimaneutral im Betrieb sind, wenn der Strom komplett aus erneuerbaren Energien stammt.
Stoßen E-Fuel-Autos Schadstoffe aus?
Weil die chemische Struktur konventioneller und synthetischer Kraftstoffe prinzipiell gleich ist, werden bei der Verbrennung die gleichen Schadstoffe frei. E-Fuels-Hersteller stellen in Aussicht, dass die künstliche Herstellung reinere Sorten und optimierte Zusammenstellungen ermöglicht – doch solange Kohlenstoffverbindungen verbrannt werden, werden unvermeidbar unerwünschte Stoffe wie Ruß, CO, CO2 oder Stickoxide frei. Wie sauber E-Fuel-Autos 2035 sind, hängt nicht zuletzt von der dann geltenden Abgasnorm ab. Auch wenn die aktuelle Euro-7-Pläne von der Industrie zurzeit hart bekämpft werden, dürften die Grenzwerte in Zukunft eher strenger als lockerer werden. Damit steigt allerdings auch der technische Aufwand im Fahrzeug und damit die Kosten.
Können E-Fuels als Speicher für erneuerbare Energien dienen?
Im Prinzip schon. Überschüssiger Sonnen- und Windstrom kann zur Produktion von Wasserstoff, aber auch im zweiten Schritt zur Herstellung von E-Kraftstoffen genutzt werden. Ob und wie das in der Praxis aussehen könnte, ist aber unklar – vor allem weil die Auslastung zum Problem werden dürfte. Die Elektrolyseure und E-Fuels-Labore sind aktuell sehr teuer und müssten daher nach Möglichkeit permanent laufen, um sich finanziell zu lohnen. Per Definition werden sie das aber zumindest in Deutschland nicht tun, wenn sie lediglich Überschuss-Strom umwandeln sollen. Dabei ist es egal, ob sie zentral auf der grünen Wiese oder dezentral direkt am einzelnen Windpark eingerichtet werden. Außerdem stehen sie in Konkurrenz zu anderen Speichermöglichkeiten – von Wasserstoff über E-Auto-Batterien bis zu Pumpspeicherkraftwerken in Skandinavien.
Gibt es eine Lösung für das Effizienzproblem von E-Fuels?
E-Fuels sind letztlich eine Möglichkeit, elektrische Energie in flüssiger Form zu speichern. Naturgesetzlich geht bei dieser Umwandlung aber ein Gutteil der Energie in Form von Wärme verloren, so dass nur ein kleiner Teil in der schließlich produzierten Flüssigkeit gebunden ist. Verbesserungen bei der Herstellungstechnik könnten noch für ein paar Prozente an Effizienzgewinn sorgen, das grundsätzliche thermodynamische Problem lässt sich aber nicht umgehen. Dazu kommt, dass der Einsatz im wenig effizienten Verbrennungsmotor den Gesamtwirkungsgrad weiter drückt. Denn auch dort geht viel Energie in Form von Wärme für die Nutzung verloren. Würde man die insgesamt benötigte Energie direkt als Strom in ein E-Auto geladen, käme man damit sieben- bis achtmal so weit wie mit den so aufwändig hergestellten E-Fuels. Selbst eine Revolution in der E-Fuels-Synthese könnte dieses krasse Missverhältnis nicht ausgleichen. Egal ist diese miese Bilanz erst, wenn quasi unendlicher kostengünstiger Grünstrom verfügbar ist und Effizienz keine Rolle mehr spielt. Dann wären E-Fuels aber zumindest für Autos gar nicht mehr nötig, da Fahrstrom extrem günstig und problemlos verfügbar wäre.
Wo kann ich E-Fuels tanken?
Aktuell gibt es die Designer-Sprits nicht an deutschen Tankstellen. Diskutiert wird aktuell eine Beimischung zu konventionellen Kraftstoffen, aber auch das ist keine kurzfristige Lösung und wäre für E-Fuel-Only-Autos keine Option. Derzeit am wahrscheinlichsten ist, dass die synthetischen Krafsttoffe an normalen Tankstellen verkauft werden. Deren Zahl dürfte langfristig aber sinken – Total Energies etwa hat bereits den Verkauf aller Standorte in Deutschland angekündigt. Auch in Belgien und den Niederlanden steht ein Kahlschlag an. Die Ladeinfrastruktur wird gleichzeitig ausgebaut – und dürfte auch die ein oder andere konventionelle Tankstelle verdrängen. In Belgien etwa wird nun der erste Rasthof gebaut, der statt Zapf- nur noch Ladesäulen vorhält.
Was werden E-Fuels künftig kosten?
Aktuell ist das vollkommen unklar. Skeptiker rechnen mit 4 bis 5 Euro pro Liter, Optimisten wie der Ölkonzern Saudi Aramco prognostizieren Herstellungspreise um die 80 Cent pro Liter. In beiden Fällen müssen wohl allerdings noch Transport, Steuern und Marge aufgeschlagen werden. Die Bundesregierung hat bereits erklärt, dass die Besteuerung von Kraftstoffen zukünftig stärker deren Umwelt- und Klimawirkung berücksichtigen. Was genau das für die Steuern auf E-Fuels heißt, ist aber offen. Unklar ist auch, wie viel Sprit Verbrenner-Pkw im kommenden Jahrzehnt verbrauchen werden – über die vergangenen Jahre lag der Praxiswert relativ konstant bei rund 7 Litern. Für die persönliche Kosten-Nutzen-Rechnung spielt darüber hinaus eine Rolle, wie hoch die Energiekosten für E-Autos im direkten Vergleich sein werden.
Wie ist die Verfügbarkeit von E-Fuels?
Aktuell gibt es weltweit keine nennenswerte Produktion. Die Synthese des Sprits selbst gilt zwar als ausgereift, bei der CO2-Abscheidung aus der Luft im großen Stil sind aber noch Fragen zu klären. Aktuell kommt es in der Regel aus industriellen oder landwirtschaftlichen Quellen. Selbst wenn dieses Problem schnell gelöst würde und ein flottes und extensives Hochfahren der Produktion klappte, ist zumindest zweifelhaft, ob überhaupt nennenswerte Mengen an E-Fuels für den deutschen Pkw-Verkehr übrigbleiben. Denn die Produktions- und Nutzungskette ist lang – und schon der am vorderen Ende entstehende Wasserstoff ist gefragt. Für ihn gibt es bereits diverse, sehr zahlungsbereite Abnehmer, etwa in der Industrie, wo das Gas als Ersatz für den bisher verwendeten Energieträger Erdgas in vielen Branchen unverzichtbar ist. Gleiches gilt im nächsten Schritt auch für den flüssigen E-Kraftstoff, der nicht zuletzt für Schifffahrt, Flugindustrie und Landwirtschaft interessant ist – überall dort, wo Batterien keine Lösung sind. Erst dann kommt der Autoverkehr, etwa bei Militär und Hilfsdiensten, bevor der private Autofahrer Zugriff hat.
Wo kommen E-Fuels künftig her?
Befürworter hoffen auf große E-Fuels-Produktionsanlagen in sonnen- und windreichen Regionen – teilweise sind das die gleichen Länder, aus denen wir heute Rohöl beziehen. Dort dürfte die Herstellung tatsächlich deutlich effizienter sein als hierzulande. Die prinzipiellen Probleme gelten aber auch dort: Aus globaler Perspektive sollten diese Länder zunächst ihre eigene CO2-Bilanz mit erneuerbarem Strom verbessern, bevor sie Europa mit Strom-Kraftstoffen versorgen. Dazu kommt: Neben Sonne und Wind ist vor Ort auch Wasser nötig, um im großen Stil Wasserstoff abspalten zu können. Eine E-Fuels-Produktion mitten in der Wüste ist also zumindest mit logistischen Problemen verbunden. Zudem ist auch Energie für den Transport per Schiff oder Pipeline nötig, die idealerweise ebenfalls aus erneuerbaren Quellen stammt.