Das könnte teuer werden: Die Autoindustrie steuert in Europa auf milliardenschwere Strafzahlungen beim CO2-Ausstoß ab 2021 zu. Nach einer aktuellen Prognose von PA Consulting werden die 13 größten Hersteller ihre Zielwerte für das kommende Jahr voraussichtlich verfehlen und mit Belastungen in Höhe von 14,5 Milliarden Euro rechnen müssen.
Seit 1. Januar 2020 darf die Neuwagenflotte jedes Herstellers durchschnittlich nicht mehr als 95 Gramm CO2 pro Kilometer emittieren. Strafzahlungen bei Verfehlen der Emissionsziele sind noch bis 2021 ausgesetzt, sie liegen dann bei 95 Euro je zusätzlichem Gramm und Fahrzeug.
Emissionen steigen – Industrie muss handeln
Die Untersuchung von PA Consulting zeigt: Nach vier Jahren des Fortschritts ist der CO2-Ausstoß zuletzt wieder gestiegen. Dies führen die Experten hauptsächlich auf den Boom von verbrauchsintensiveren SUV, die Nachfrage nach leistungsstarken und schwereren Autos sowie der stärkeren Kunden-Präferenz für Benziner nach dem Dieselskandal zurück. Zudem würde es an emissionsarmen Optionen im Verkauf mangeln.
Michael Schweikl, Branchenexperte bei PA Consulting, sagt: "Die Dringlichkeit der Situation bedeutet, dass die Autohersteller schnell handeln müssen." Ihnen fehle jedoch die Zeit, um die Emissionen schnell genug zu mindern und Strafzahlungen zu vermeiden. "Einige Autohersteller müssen mit Strafen rechnen, die Einfluss auf ihre Rentabilität und ihren Ruf haben."
Die Unternehmensberatung untersucht bereits seit Jahren, welche Entwicklung die Autobauer bei der Reduzierung der CO2-Emissionen machen. Noch Ende 2018 hieß es, dass die Branche auf einem guten Weg sei. Doch davon ist in der jüngsten Prognose nichts mehr zu lesen. Selbst Hybridprimus Toyota dürfte demnach sein Ziel 2021 verfehlen, wenn auch denkbar knapp. Auch auf frühere Top-Performer wie Renault-Nissan-Mitsubishi und Volvo sieht PA Probleme zurollen.
Am härtesten könnte es Europas Marktführer Volkswagen treffen. Auf 4,5 Milliarden Euro beziffern die Studienmacher mögliche Strafzahlungen für die Wolfsburger. Dabei dürfte ihr Wert 2021 vom individuellen Flottenziel noch um 12,7 Gramm abweichen. Erst in der vergangenen Woche hatte VW-Chef Herbert Diess 2020 zum "Jahr der Wahrheit" beim CO2-Flottenverbrauch ausgerufen. Die Differenz wolle man binnen zwei Jahren ausschließlich mit E-Autos und Plug-in-Hybriden schließen.
Ebenfalls Milliarden-Strafen drohen der Prognose zufolge den Konzernen Ford (rund 1,4 Milliarden Euro), Renault-Nissan-Mitsubishi (rund eine Milliarde Euro) und FCA (knapp 2,5 Milliarden Euro). Letzterer ist deshalb schon mit Tesla eine Art CO2-Ablasshandel eingegangen, der dem italo-amerikanischen Hersteller Verschmutzungsrechte sichert (sog. Flottenpooling). Deutlich entfernt von ihren europäischen CO2-Zielen sind auch die japanischen Anbieter Mazda und Honda. Wegen ihres kleineren Absatzvolumens kommen sie aber vergleichsweise glimpflich davon.
Was können die Hersteller tun?
Immherin können die Autobauer noch an einigen Stellschrauben drehen, um Emissionen zu reduzieren und künftige Strafen zu minimieren. Dazu zählt der Berater Schweikl verschiedene Marketing-, Verkaufs- und Preisstrategien, um die Akzeptanz CO2-armer Fahrzeuge zu erhöhen. Weitere Möglichkeiten seien die Fusionen von Unternehmen – FCA und PSA als aktuelles Beispiel – oder die Entwicklung offener Plattformen wie der MEB-Plattform von Volkswagen.
Laut Schweikl müssten die Hersteller europaweit mehr als 2,5 Millionen zusätzliche Batterie-Elektrofahrzeuge verkaufen, um ihre Ziele zu erreichen. Dies entspricht einer Steigerung von 1.280 Prozent bis 2021 gegenüber 2018. (rp)