Nutzungsausfall in Fuhrparks
Urteil | Nach Verkehrsunfällen mit gewerblich genutzten Fahrzeugen stellt sich oft die Frage: Nutzungsausfall – ja oder nein? So hat der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell zu diesem Streitpunkt entschieden.
— Immer wieder kommt es zu Streit zwischen einem Geschädigten und den Versicherern, ob für gewerblich genutzte Fahrzeuge Nutzungsausfall zu erstatten ist.
In einem aktuellen Beschluss hat der BGH (Urteil vom 21.01.2014, Az. VI ZR 366/13) bei einem gewerblich genutzten Kfz einen Anspruch auf Nutzungsausfall versagt. Dies ist jedoch kein Grund, dass es für gewerblich genutzte Fahrzeuge in Zukunft keinen Nutzungsausfallschaden mehr gibt.
Der Teufel steckt wie so oft im Detail. Im zugrunde liegenden Fall ging es um einen VW-Bus, bei dem nach Ansicht des BGH der Kläger eine fühlbare wirtschaftliche Beeinträchtigung nicht ausreichend dargelegt hat. Er hat vielmehr erklärt, einen zweiten Bus vermehrt eingesetzt und zeitaufwendige Planungen in der Logistik vorgenommen zu haben. Dies reichte dem BGH jedoch nicht aus, die Nutzungsentschädigung zuzusprechen.
Entgangener Verdienst | Nach dieser Auffassung gilt nach wie vor der Grundsatz: Ist ein Verdienstentgang nicht konkret bezifferbar, kann der Geschädigte einen Nutzungsausfallschaden verlangen. Bereits mit Urteil vom 04.12.2007 hat der BGH (Az. VI ZR 241/06) in diese Richtung tendiert.
Zwar hat der damalige Kläger keinen Nutzungsausfall zugesprochen bekommen, allerdings lag dies nur daran, dass es ihm an einer fühlbaren Beeinträchtigung fehlte, da ihm ein gleichwertiger Mietwagen zur Verfügung stand.
Urteilsübersicht | Soweit Versicherer versuchen, nach einem unverschuldeten Unfall eine pauschale Nutzungsausfallentschädigung zu verwehren, hier einige oberlandesgerichtliche Entscheidungen als Argumentationshilfe:
OLG Hamm, Urteil vom 13.01.1994 (Az. 6 U 173/93): „Seit der Grundsatzentscheidung des 3. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGHZ 40, 346 = VersR 1964, 225) ist anerkannt, dass für den vorübergehenden Nutzungsausfall eines Kfz Ersatz auch dann gefordert werden kann, wenn der Geschädigte keinen Mietwagen in Anspruch nimmt, dies aber nur dann, wenn der Ausfall des Fahrzeugs zu einer vermögenserheblichen Entbehrung geführt hat. Das gilt auch für gewerblich genutzte Fahrzeuge.“
OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.04.2001 (Az. 1 U 132/00): „Bei Fahrzeugen dieser Einsatzart schließt der Senat eine ‚abstrakte‘ (pauschale) Nutzungsentschädigung nicht prinzipiell aus, wobei es nicht darauf ankommt, wie hoch der private Nutzungsanteil ist. Auch ohne private Mitbenutzung kann bei Pkw/Kombi, die nur mittelbar der Gewinnerzielung dienen, deren Ausfall den betrieblichen Ablauf aber spürbar beeinträchtigt, ein Nutzungsausfall nach der Tabelle ‚Sanden/Danner/Küppersbusch/Rädel/Splitter‘ zu ersetzen sein (…). Soweit andere Senate des hiesigen OLG eine ‚abstrakte‘ Nutzungsausfallentschädigung in Fällen ‚gewerblicher‘ Nutzung abgelehnt haben, handelte es sich ganz überwiegend um Nutzfahrzeuge im eigentlichen Sinn. Ihr Nutzungszweck bestand darin, Gewinne einzufahren (NZV 1999, 472 – Lkw; VersR 1995, 1321 – Arbeitsmaschine). Im Streitfall liegen die Dinge anders. Eine pauschale Entschädigung wird nicht nur für private Kraftfahrzeuge gewährt. Diese Aussage des BGH von 1985 (NJW 1985, 2471) hat nach wie vor Gültigkeit.“
OLG Naumburg, Urteil vom 13.03.2008 (Az. 1 U 44/07): „Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Nutzungsausfall bei einem gewerblich genutzten Pkw rechtlich anders zu behandeln sein soll als der Nutzungsausfall bei einem privat genutzten Pkw. In beiden Fällen ist der Eigentümer auf die ständige Verfügbarkeit des Pkw in gleicher Weise und vor allem in gleicher Intensität angewiesen. Mitunter mag die Abhängigkeit von der Verfügbarkeit eines Fahrzeugs bei einer gewerblichen Nutzung sogar erheblich intensiver sein.“
OLG München, Urteil vom 17.04.2009 (Az. 10 U 5690/08): „ ... Dem Geschädigten ist es grundsätzlich nicht verwehrt, an Stelle des Verdienstentgangs eine Nutzungsentschädigung zu verlangen (…).“
Praxistipp | Die Faustregel lautet: Wird das gewerblich genutzte Fahrzeug unmittelbar zur Erbringung gewerblich genutzter Leistungen eingesetzt (z. B. Taxi), gibt es keinen pauschalen Nutzungsausfall, es muss der entgangene Gewinn konkret beziffert werden. Ist ein konkreter Gewinnentgang nicht bezifferbar, kann eine pauschale Nutzungsausfallentschädigung geltend gemacht werden.
Aber: Wichtige Voraussetzung für den Anspruch auf Erhalt des Nutzungsausfallschadens ist eine fühlbare Beeinträchtigung. Hat ein Mitarbeiter während der ganzen Reparaturzeit ein Fahrzeug zur Verfügung, weil das Unternehmen selbst über einen Pool verfügt, besteht nur eine Anspruch auf sogenannte Vorhalte- und Betriebskosten.
| Inka Pichler
- Ausgabe 6/2014 Seite 66 (2.0 MB, PDF)