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Nachhaltigkeit nachhaltiger Mobilität

07.06.2021 06:00 Uhr

Nun ist es durch. Das Klimaschutzgesetz. "Intertemporale Freiheitsbeschränkung", so lautet die Formel der Verfassungsrichter. Zeitgleich fängt der Wahlkampf an zu rotieren. E-Mobilität ist das Mittel der Wahl. Wirklich?

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Für Flottenmanagende wird es nicht nur freitags "stauig", denn Nachhaltigkeit ist kein Thema mehr nur für die junge Generation, sondern für alle postpandemische Pendler. Alles steht unter (Stark-)Strom, bei E-Cars und bei E-Bikes. Ein Zurück gibt es nicht. Eine klare Zukunft aber auch nicht.

E-Cars

Eine Untersuchung des Bundesministeriums für Umwelt zeigt, dass E-Autos im Vergleich zu Verbrennern nachhaltiger sein können. Können? Ja, denn wir wissen noch zu wenig über Alternativen zu den bisher nicht überzeugenden Produktionsverfahren und der Rohstoffgewinnung. Wir wissen zu wenig über die Zunahme der regenerativen Stromerzeugung für Produktion und Betrieb. Wir wissen zu wenig über die wirklichen "Reichweiten" der Batterien sowie deren Funktionalität über den Lebenszyklus mit Blick auf die Zweitverwertung. Und: übers Recycling. So ergeben sich gegebenenfalls Verbesserungen in der Nachhaltigkeit. Gegeben ist sie aktuell nicht!

Kongo. Kobalt. Kinderarbeit: So lauten die Schlagworte bei Arbeitsbedingungen und Umweltbeeinträchtigungen vor allem für die Akkuproduktion. Im Sinne des Klimaschutzes, der Menschenrechte und der unternehmerischen Verantwortung werden mit und ohne Lieferkettengesetz massive Verbesserungen sicherzustellen sein, um eine nachhaltige Kundenbasis aufzubauen."Wasser ist das neue CO2!" Dass Teslas Zeitplan der Gigafactory in Grünheide unter Wasser liegt, liegt vor allem am Wasser und dessen Mangel in Brandenburg. Auch die Gewinnung von Lithium, einer der Hauptbestandteile von Akkus, schädigt die umliegenden Grundwasserstände.

In China wird derzeit eine neue Materialzusammensetzung für extrem effiziente Batterien entwickelt. Unter Einsatz von schwarzem Phosphor können Ladezyklen von wenigen Minuten bis zu 500 Kilometer Reichweite aufgrund der höheren Elektronendichte des Phosphors im Vergleich zu Lithiumatomen erreichen. Es gibt zudem Anzeichen für eine längere Lebensdauer. Ein Vorgeschmack auf technologische Sprünge und die sich bereits abzeichnenden Gebrauchtwagenpreise älterer E-Modelle.

E-Bikes

Fast zwei Millionen E-Bikes sind 2020 in Deutschland verkauft worden. Das bedeutet 6.000 Tonnen (t) Lithium-Ionen-Akkus in einem Jahr. In Rohstoffen: 120 t Lithium, 960 t Elektrolyt, 420 t Kobalt, 360 t Nickel, ebenso viel Mangan und 4.740 t weitere Rohstoffe - nur in Fahrrad-Akkus. Alle für E-Cars gezeigten Herausforderungen gelten auch für E-Bikes. Doch wer vom E-Auto auf E-Bike umsattelt, ist nachhaltiger. Wer - und das ist bei Wiederradlern nicht selten - dann vom E-Bike auf ein normales umsattelt, der ist sehr nachhaltig. Nur zu Fuß Gehende sind emissionsloser - übrigens ein Megatrend in Tokio und New York.

Ein 500-Wh-Akku reicht beim E-Bike im Sport-Modus für 50 Kilometer. Die Emission - auf Basis der Schätzung der CO2-Emission pro kWh im deutschen Strommix (2018 laut Umweltbundesamt/UBA) wäre 474 Gramm CO2/100 km. Der aktuelle VW Golf stößt im Vergleich 11.300 Gramm CO2/100 km aus: Faktor 23. Bei sparsamerem Eco-Modus-Fahrstil des E-Bikes im Vergleich zum BMW X5 xDrive40i mit 18.003 Gramm CO2/100 km: Faktor 115. Das Institut für Urbanistik sieht das Verhältnis der Energiebilanz im Schnitt zwischen E-Bike und Auto mit 1:30. Das E-Bike wäre ein absolut sicherer "Stich" im Auto- bzw. Mobilitäts-Quartett.

Fuhrparkleitung ist gefragt

80 Prozent der Treibhausgase im Zyklus des E-Bikes entstehen vor dem Fahren. Eine Studie des Institutes für Energie- und Umweltforschung (IFEU) berücksichtigt die Herstellung, Wartung und Entsorgung. Verglichen wurden die Emissionen pro 100 km auch hinsichtlich der Lebensdauer des Verkehrsmittels. Das E-Bike schneidet besser ab als der ÖPNV - um den Faktor 5 niedriger. Und das UBA rechnet vor, dass nach rund 100 E-Bike-Kilometern - im Ersatz zu Pkw-Fahrten - die Treibhausgasemissionen des Akkus ausgeglichen seien.

20 Prozent der E-Bike-Nutzerinnen und -Nutzer sind in den vergangenen Jahren vom nicht elektrifizierten Rad umgesattelt - so die IFEU-Studie weiter. Die restlichen 80 Prozent nutzen das E-Bike anstelle von Transportmitteln mit höheren Emissionen. Auch die Pendler-Zahlen spiegeln dies wider: 45 Prozent der E-Bike-Kilometer wurden zuvor mit dem Pkw zurückgelegt, 32 Prozent mit dem Fahrrad, sieben mit ÖPNV. Bei Pendler-Verkehren sind diese Zahlen noch eindeutiger: Nichts ist klimaschützender als das Umsatteln - und Fuhrparkverantwortliche tragen Verantwortung und haben Steuerungsmöglichkeiten.

Mehrere Leben und Verfahren

Batterie-Rückläufer werden analysiert, um das Recycling-Potential zu schätzen. Ein zweites Leben - ohne Recycling - wird vor allem bei mobilen Ladesäulen als "Power-Bank" für Festivals und Großveranstaltungen gesehen. Und wie sehen - zwar energieintensive - aber echte Recycling-Verfahren aus?

Thermische Aufschmelzung: Der belgische Batterierecycler Umicore setzt auf Verbrennung und Zermahlung. So können Kobalt, Nickel und Kupfer wiedergewonnen werden - Lithium, Graphit, Aluminium sowie Elektrolyt hingegen nicht.

Verschrottung: Das deutsche Chemieunternehmen Duesenfeld hat nun einen Schredder unter Stickstoff gesetzt und zerlegt darin die sonst hochentzündliche Lithium-Ionen-Batterie in Geschreddertes und Elektrolyt. So können die einstigen Rohstoffe Graphit, Mangan, Nickel, Kobalt und Lithium wiedergewonnen werden. 96 Prozent sollen so einem neuen Kreislauf zugeführt werden. Der CO2-Fußabdruck bei der Produktion neuer Akkus verringere sich um 40 Prozent im Vergleich zur Neuproduktion.

Elektrohydraulische Zerkleinerung: Fraunhofer legt die Batteriezellen in Wasser und nimmt kontrollierte Schockwellen vor, die die Batterien an deren Schwachstellen in den Materialverbünden zerlegen.

Fazit & Forderungen

(1) Mehr Forschung und Realismus: Die noch junge Technologie zeigt noch viele Wissenslücken und Potentiale, aber eben auch keine wirkliche Effizienz und ist für viele deswegen nicht mehr als eine Brückentechnologie zur Brennstoffzelle.

(2) Effektivität nur bei Verkehrsmittelwechsel: von Verbrenner-Ersatzverkehr auf elektrifizierte ÖPNV, Ökostrom-Züge und Fahrrad bzw. E-Bikes.

(3) Zertifizierungen nach Umwelt- und Fair-Trade-Standards: Die EU will ihre Ökodesign-Richtlinie um Lithium-Ionen-Akkus erweitern - mit Dokumentation des Lebenszyklus von Rohstoffgewinnung bis -entsorgung.

(4) Recycling bleibt Randerscheinung:

Das Nachfragewachstum liegt fünffach über dem Recycling-Volumen. Die deutsche Rohstoffagentur schätzt den Bedarf an Kobalt für 2026 auf gut 50.000 Tonnen - bei rund 10.000 Tonnen recyceltem Kobalt. Und nach aktuellem Stand der Technik kann vom erwarteten Lithium-Bedarf kein Gramm über Recycling gedeckt werden.

(5) Ökostrom und schonendes Laden der Batterie: zentral für die Gesamtbilanz aus Nutzersicht.

Ergo: Radelt, was möglich ist. Und wenn möglich, ohne Akku - da kann man auch über 25 km/h fahren. Reduziert Verkehre. Schreibt E-Cars unter dem Gesichtspunkt der Lieferkette, der Wiederverwendung und des Recyclings aus - und reduziert sie im Vergleich zum bisherigen Mobilitätsmix, auch wegen der mittelfristig sinkenden betrieblichen Verkehre.

Prof. Dr. Stephan A. Jansen ist der Geschäftsführer der "Gesellschaft für Urbane Mobilität BICICLI" und deren Mobilitätskonzeptberatung "MOND - New Mobility Designs". Mit dem Geschäftsbereich BICICLI Cycling Solutions sind sie Pionier und Full-Service-Spezialist für Fahrradflotten-, Dienstrad- sowie Infrastruktur-Lösungen. Jansen ist langjähriger wissenschaftlicher Berater der Bundesregierung, Gründungspräsident der Zeppelin-Universität und seit 1999 Gastforscher an der Stanford University. Er wurde jüngst auf die Professur for "Urban Innovation - Mobility, Health, Digitization" an die Universität der Künste, Berlin, berufen.

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