_ Der Diesel hat schon bessere Zeiten erlebt. An seinem Nimbus unter Vielfahrern, der sich aus einem Mix von Sparsamkeit gegenüber dem Ottomotor und dem daher ausgesprochenen Steuerprivileg an der Zapfsäule speist, rütteln gerade zahlreiche Städte und Gemeinden sowie Umweltverbände, die auf dauerhaft zu hohe Stickoxidbelastungen in manchen urbanen Gebieten reagieren müssen. Aber auch die Firmenwagen-Nutzer und Flottenbetreiber sind sensibilisiert. Neben den VW-Marken riefen auch andere Hersteller wie Opel oder Mercedes-Benz Fahrzeuge in die Werkstätten. Trotz der zahlreichen Ereignisse drohen aber nur wenige Flotten dem Selbstzünder mit Liebesentzug - Alternativen gibt es für die Kilometermacher einfach nicht.
Entspannte E-Flotte
Dennoch bleiben Verunsicherungen. Nur wenige können so entspannt sein wie Roland Schüren: "Wir freuen uns, dass uns diese Sorgen nicht kümmern müssen, da wir bereits seit mehreren Jahren keine Fahrzeuge mit konventionellen Antrieben mehr im Fuhrpark haben", betont der Firmeninhaber. Der Fuhrparkinhaber setzt zwar mit Erdgas- und E-Modellen andere Schwerpunkte als viele Flotten (siehe Autoflotte 3/2016, S. 48), aber er begrüßt ausdrücklich "die durch die Abgasskandale ausgelöste schnellere Entwicklung hin zu CO2-armen oder CO2-freien Antriebsformen". Als Antrieb für jene, die sich jetzt noch bewusster mit dem eigenen Flottenverbrauch auseinandersetzen, verweist Schüren gern auf die Reaktionen in seinem Umfeld: "Unser Engagement für die E-Mobilität in der Klimaschutz-Thematik wird von unseren Bäckerei-Kunden merklich goutiert", freut sich der Unternehmer aus Hilden.
Seit 2011 werden die bestehenden Erdgasfahrzeuge kontinuierlich durch E-Modelle ersetzt. Ganz so entspannt können es die meisten Fuhrparkleiter nicht angehen, wenn es um mögliche Mehrverbräuche nach einer Umrüstung der Dieselmotoren oder um Restwertrisiken in den Leasingverträgen geht.
Fuhrparkstimmen
Wir haben mit vier Fuhrparkchefs gesprochen: Elisabeth Unnold, Leiterin Unternehmenskommunikation beim Bw Fuhrpark Service aus Troisdorf, Thomas Herbstritt, Leiter Fuhrparkmanagement bei BN Netze aus Freiburg im Breisgau, Martin Kaus, Fuhrparkleiter Bereich Technik & Arbeitssicherheit bei Efaflex aus Bruckberg, und Patrick Lamwersiek, Manager General Services bei Konica Minolta Business Solutions aus Langenhagen.
_ Verbrauchen die umgerüsteten Diesel-Fahrzeuge mehr Sprit als vorher?
Elisabeth Unnold (Bw Fuhrpark Service): Bisher wurde ein noch nicht hinreichend repräsentativer Umfang an betroffenen Fahrzeugen mit Mängeln aus dem Bestand der Bw Fuhrpark Service nachgebessert. Das ist den sogenannten zeitlichen Wellen geschuldet, für die die Marken des VW-Konzerns die Freigabe des Kraftfahrt-Bundesamtes erhalten.
Thomas Herbstritt (BN Netze): Bei uns hat das ganze Thema gar keine so großen Auswirkungen. Aufgrund der gut verhandelten Nachlässe haben wir runde 80 Prozent Ford als Markenanteil und da ist bisher noch kein Dieselgate aufgeschlagen. Letztlich haben wir ein bisschen mehr Aufwand mit ein paar VW-Fahrzeugen, welche in die Werkstätten müssen. Mehr ist es nicht.
Martin Kaus (Efaflex): Diese Fragen haben wir uns auch gestellt, aber zum Glück gab es bis jetzt keine Probleme. Die Fahrzeuge verbrauchen nach der Umrüstung nicht mehr oder weniger als vorher.
Patrick Lamwersiek (Konica Minolta): Offen gestanden hat uns das Thema bislang nicht ansatzweise so bewegt, wie die allgemeine Berichterstattung immer wieder den Eindruck erweckt hat, was vielleicht auch daran liegt, dass wir kaum VW-Fahrzeuge in der Flotte haben. Bei den Fahrzeugen, die nun ein Update erhielten, haben wir die Befürchtung eines deutlich erhöhten Adblue-Verbrauchs. Belegen können wir dies aber noch nicht. Tochtergesellschaften mit einem deutlich höheren VW-Anteil haben diese Befürchtung aber bereits bestätigt.
_ Gibt es Probleme mit den Restwerten der betroffenen Modelle, die Sie direkt spüren, da Sie selbst die Autos vermarkten oder die Sie über Ihren Leasinggeber mitbekommen?
E. Unnold (Bw Fuhrpark Service): Tatsächlich ist es so, dass sowohl der Handel beim Ankauf als auch Endverbraucher bei den betroffenen Modellen aus dem VW-Konzern derzeit noch etwas zurückhaltender agieren. Bei Modellen anderer Hersteller ist derzeit keine nennenswerte Änderung im Nachfrageverhalten wahrzunehmen.
T. Herbstritt (BN Netze): 450 von unseren 500 Fahrzeugen sind gekauft und werden zehn Jahre oder 180.000 Kilometer gefahren. Bei gutem technischen Zustand beides noch länger. Danach werden die Fahrzeuge über den Einkauf an gelistete Aufkäufer abgegeben - in der Regel nach unserer DAT- Bewertung durch unseren Kfz-Meister via Internetplattform zum Händler-Einkaufspreis abzüglich der Schäden. Auch hier haben wir noch keine Verschlechterung verspürt. Die 50 Leasingfahrzeuge im reinen Finanzleasing sind restwertgebunden. Hier hat keine Verschlechterung stattgefunden.
M. Kaus (Efaflex): Da wir in diesem Bereich nur Leasingfahrzeuge nutzen, ist es mir eigentlich egal, was der Leasinggeber nach Ablauf des Vertrages mit dem Auto macht und wie der Restwert ist. Dass der Händler versucht, den geänderten Restwert durch andere Mängel auszugleichen, kann ich auch nicht feststellen.
_ Haben Sie als Fuhrparkbetreiber auf die Diesel-Problematik reagiert und Ihr Einkaufsverhalten geändert?
E. Unnold (Bw Fuhrpark Service): Die Bw Fuhrpark Service hat auf die Diesel-Problematik reagiert und steht mit den Fahrzeugherstellern im Dialog, um akute Mängel abstellen zu lassen und nachhaltige, zukunftsfähige Mobilitätslösungen mit der Industrie zu erarbeiten. Im Einkaufsverhalten legt die Bw Fuhrpark Service größten Wert darauf, keinerlei Vermarktungsrisiken einzugehen.
T. Herbstritt (BN Netze): Im Kauffuhrpark bevorzugen wir aufgrund der Margen Ford. Hier haben wir unser Einkaufsverhalten nicht umstellen müssen, und das ist in Zukunft auch nicht geplant. Im Leasingfuhrpark gehen die Nutzer vermehrt von VW zu Mercedes-Benz, was nicht am Diesel, sondern an den Konditionen liegt.
M. Kaus (Efaflex): Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es den Nutzern eigentlich ziemlich egal ist, was ihr Auto ausstößt. Die Autos fahren nicht anders als vorher, der Verbrauch ändert sich, wenn nur minimal. Das fällt den meisten aber sowieso nicht auf, solange sie mit ihrer Tankkarte tanken können. Ob da jetzt bei gleicher Kilometerleistung zwei bis drei Liter mehr in den Tank fließen, merken die meisten nicht. Meine persönliche Meinung zu diesem Thema ist, dass das alles nur künstlich, auch von den Medien, hochgespielt wird, um eine allgemeine Verunsicherung auszulösen. Es gibt genügend Rückrufaktionen, die Mängel beheben, die erheblich sinnvoller sind wie defekte Airbags von Takata oder selbstausschaltendes Licht bei Ford.
P. Lamwersiek (Konica Minolta): Restwertrisiken betreffen uns bei den laufenden Verträgen nicht, da es sich ausnahmslos um klassische Kilometerverträge handelt.
_ Meiden Sie nun bewusst gewisse Marken und kaufen oder leasen Sie Fahrzeuge von anderen Marken?
E. Unnold (Bw Fuhrpark Service): Nein, die Bw Fuhrpark Service meidet keine Marken und kauft oder least Fahrzeuge von anderen Marken. Die Fahrzeugbeschaffungen erfolgen nach den Grundsätzen des Vergaberechts.
M. Kaus (Efaflex): Es gibt bei uns keine Anweisung, Fahrzeuge aus dem VW-Konzern zu meiden.
_ Haben Sie aufgrund der Diskussion um hohe Stickoxidwerte nachgedacht, Diesel durch Benziner oder Stromer zu ersetzen?
E. Unnold (Bw Fuhrpark Service): Nachhaltigkeit ist für die Bw Fuhrpark Service ein Kriterium bei der Fahrzeugbeschaffung. Wo möglich und sinnvoll werden auch Elektrofahrzeuge im Sinne des Elektromobilitätsgesetzes beschafft. Grundsätzlich sind wir an die mit unserem Auftraggeber vereinbarten rahmenvertraglichen Regelungen und die Vorgaben der Richtlinie 2009/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 gebunden.
T. Herbstritt (BN Netze): Benziner sind laut den Herstellerprospekten derzeit meist schlechter im CO2-Wert als die Diesel. Bei uns im bergigen Schwarzwald kommt es zuweilen mit voll beladenen Fahrzeugen auch auf ein gutes Drehmoment an, was der beste 1-Liter-Ecoboost-Benziner leider nicht bringt. Für E-Modelle bin ich Feuer und Flamme, leider ist aber mit der noch vorherrschenden Reichweite unser Marktgebiet nicht abzudecken. Noch nicht.
M. Kaus (Efaflex): Wir haben unsere Car Policy nicht geändert und unsere Mitarbeiter können weiterhin aussuchen, welches Auto sie fahren wollen. In unserer Policy steht, dass Dieselfahrzeuge zu bevorzugen sind. Daran wird sich auch nichts ändern. Sollte ein Mitarbeiter sich für ein Elektroauto entscheiden - egal in welcher Variante -, werden wir dies natürlich unterstützen.
P. Lamwersiek (Konica Minolta): Unabhängig davon versuchen wir uns rechtzeitig auf zu erwartende Änderungen - zum Beispiel eine blaue Plakette - einzustellen. Allerdings sind die Tests mit Hybrid- und oder Elektrofahrzeugen noch nicht so verlaufen, wie wir uns das vorgestellt haben. In puncto Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz bei den Mitarbeitern haben wir noch deutlich aufzuholen.
Protokoll: Rocco Swantusch
Nachgefragt
Ist bei VW-Modellen ein Adblue-Mehrverbrauch zu befürchten?
So unterschiedlich die Erfahrungen der Fuhrparkleiter mit dem Thema Dieselrückruf sind, einige Fragen beschäftigten fast alle Befragten. Konkret im Fall von VW Pkw waren dies mögliche Restwertveränderungen der umgerüsteten Modelle. Hierzu hatte Lars-Cassio Wesner, Leiter Vertrieb an Groß- und Direktkunden VW Pkw, bereits in der Oktober-Ausgabe Stellung bezogen (siehe AF 10/2016, S. 66). Eine weitere Frage tauchte nun über einen zu erwartenden Mehrverbrauch von Adblue bei nachgrüsteten Fahrzeugen auf. Hierzu bestätigte VW gegenüber Autoflotte, dass nur sehr wenige Sharan und Passat den Motor EA189 samt SCR-Kat und Adblue-Tank verbaut haben. Momentan laufen Testreihen, die die Frage nach einem möglichen Adblue-Mehrverbrauch klären sollen. Ergebnisse gibt es bislang noch keine. rs
- Ausgabe 11/2016 Seite 68 (127.5 KB, PDF)