_ Wer sich mit Jürgen Lobach unterhält, landet schnell in der Zukunft - und diese könnte auch für die Fuhrparkbetreiber massive Veränderungen bereithalten. Glaubt man dem Geschäftsführer von CCUnirent, dann beschleunigen die beiden Megatrends Digitalisierung und Elektromobilität nicht nur den Wandel in der Autoindustrie, sondern werden bald auch die Arbeit der Flottenmanager mächtig durcheinanderwirbeln. Wann dies sein wird, bleibt offen. Dass dieser Wandel aber das Potenzial hat, sehr schnell von stattenzugehen, ist für Lobach unzweifelhaft. Es lohnt sich also gemeinsam mit dem Experten auf eine Welle zu blicken, die alles erfassen wird, was mit dem Auto und der Mobilität zu tun hat.
Momentan sind laut dem Geschäftsführer die Autohersteller damit beschäftigt, in den globalen Märkten die noch möglichen Gewinne mitzunehmen, sodass sich kaum einer Zeit nimmt, die internen Strukturen fit für die kommenden Nachfragen nach Mobilitätslösungen zu machen. "Da reicht es meiner Ansicht nach nicht aus, eine Konzernmarke oder einen Satelliten für Mobilitätsdienste aufzubauen, sondern man muss das Unternehmen als Ganzes von der IT bis zur Kundenansprache auf die kommende Art von Mobilitätsfragen abstimmen. Das ist eine Mammutaufgabe - speziell für die deutschen Hersteller, denn deren Erfolg fußt bisher auf Engineering und Produktion", mahnt der System-Profi und schiebt hinterher: "Da die Kombination aus vernetzten Diensten und E-Fahrzeugen, die deutlich weniger komplex in der Herstellung sind als deren konventionelle Brüder, den Markteintritt für neue Unternehmen sehr stark erleichtern, wird sich die Branche deutlich wandeln. Und zwar nicht erst in einigen Dekaden, sondern schon recht bald."
Was auch mit den E-Fahrzeugen zu tun hat. Der zumindest in Deutschland noch schleppende Markt für Stromer wird bald an Dynamik gewinnen, ist Lobach überzeugt. So erwartet der Manager, dass, ab diesem Jahr beginnend, die Reichweiten der E-Mobile pro Jahr jeweils um zehn Prozent steigen werden - bis zu 1.000 Kilometer rein elektrisch. Gleichzeitig wird das Laden bereits ab 2017 um zwanzig Prozent schneller gehen. Dass man bald mit einem zehnminütigen Stopp 80 Prozent der Batterieleistung wieder aufgefrischt hat, hält Lobach für realistisch. Parallel schreitet die Vernetzung voran. "Bis 2025, glauben wir, werden die Vorteile der vernetzten E-Fahrzeuge so groß sein, dass die klassischen Verbrenner kaum noch gekauft werden. Es geht künftig um die zur Verfügung stehende passende Mobilität für eine genau definierte Zeit. Das soll automatisiert, digital und transparent passieren. Die Digitalisierung ist der Turbo dieser Veränderung", so der Fachmann.
Industrie am Scheideweg
Am Beispiel von VW macht der gebürtige Schwabe das angesprochene Dilemma der Autobauer deutlich: "Zwar wird VW 2016 wohl wieder der größte Autoproduzent der Welt werden, aber ich habe meine Zweifel, ob es den Konzern in fünf Jahren noch so geben wird. Alle Mitarbeiter, nicht nur bei VW, leiden ja heute schon darunter, dass man mit gleicher Manpower mehr produzieren muss. Die Arbeitsauslastung der Mitarbeiter liegt gefühlt bei 120 Prozent und dann soll man noch sein Wesen komplett ändern? Da ist anfangs keiner begeistert, zumal es alles andere als trivial ist, den Weg zum Mobilitätsanbieter gewinnorientiert umzusetzen." Lobach spricht hier mit der Erfahrung aus zahlreichen Projekten. So wickeln die Nürnberger Mobilitäts- und vor allem Mietdienste für Importeure wie Mazda, Volvo (Schwedenflotte) oder seit Jahresbeginn auch für Jaguar Land Rover (InMotion Rent) ab und managen beispielsweise für den Gashersteller Linde die Carsharingmarke BeeZero - und damit eine Flotte von 50 Hyundai ix35 mit Brennstoffzellen-Aggregaten.
Für solche neuen Dienstleistungen einfach eine neue Abteilung bei den Herstellern zu schaffen, hält Lobach für kritisch: "Das endet meiner Erfahrung nach zu oft in Insellösungen, die der Komplexität einer stimmigen Kundenansprache nicht genügend Rechnung tragen können. Diese wird es aber brauchen. Wenn heute der Kontakt zum Kunden über das Produkt Auto läuft, geht dieser künftig über die Möglichkeit der effektiven Mobilität, bei der das Auto nur ein Mittel von vielen sein wird."
Der vielerorts beschworene Wechsel vom Produzenten zum intermodalen Mobilmacher erfordert einen Willen zur Transformati-Die Energieanbieter sind für Lobach hierfür ein mahnendes Beispiel, dass man nicht allein die bisherigen Techniken einfach beibehält und die neuen Geschäftsfelder ausgliedert. Organische Verbindungen können dabei nicht entstehen. "Diese Verknüpfungen braucht es aber, denn nicht die Hersteller wie Mercedes-Benz oder BMW werden entscheiden, wie es mit dem Dienstwagen weitergeht, sondern die Kunden wie eben die Fuhrparkbetreiber."
Digitaler Zugriff
Entscheidend wird es sein, wie dynamisch dieser Wandel vonstattengehen wird. Und hier ist das Elektro-Auto der Taktgeber, glaubt der Geschäftsführer und blickt dabei auf den eigenen Test-Fuhrpark mit sieben Tesla-Modellen. Die Kalifornier gelten generell als Aushängeschild der Nach-Diesel-Zeit. Aber es ist eben mehr als nur der Antrieb, der sich ändert."Der digitale Zugriff auf das Auto ist hier sehr konsequent umgesetzt. So hatte ich Probleme mit dem Außenspiegel und meldete dies bei Tesla. Über Nacht wurde mir ein Update aufgespielt, sodass der Spiegel wieder funktionierte", freut sich Lobach, denn ein Zwischenstopp in der Werkstatt war nicht nötig. Die Möglichkeiten der digitalen Welt enden für den Manager aber nicht beim Auto-Service, sondern sie stellen auch das Reisen mit dem eigenen Dienstwagen immer häufiger in Frage, da die Alternativen künftig leichter zu buchen und abzurechnen sein werden. Die dahinterstehende Logik der digitalen Prozesse basiert auf dem Plattformgedanken, so Lobach: "Konkret gibt es eine Plattform, hinter der ein Algorithmus steckt, der die Entscheidung des Nutzers beeinflusst. Die wesentliche Wertschöpfung findet dann nicht mehr bei dem statt, der die Produkte für die Plattform bereitstellt, sondern beim Betreiber der Plattform. Denken Sie an die Hotelbranche und die Erfolge von Buchungsplattformen wie HRS oder AirBnB. Auf die neue Mobilität gemünzt bedeutet dies, dass die Autohersteller Gefahr laufen, nur noch die Produkte bereitzustellen und den Kundenkontakt - und damit das Kerngeschäft - zu verlieren."
Tarife wie beim Handy
Wird also Pay-asyou-drive die Zukunft? "Absolut. Wir glauben, dass künftig die Mobilität anhand der zurückgelegten Kilometer abgerechnet werden wird. Die Preise variieren dabei abhängig vom genutzten Fortbewegungsmittel. Wie bei der Smartphone-Rechnung, wo man fürs Telefonieren und SMS unterschiedliche Gebühren zahlt, kosten dann die Kilometer im Auto den Betrag X und die Kilometer mit der Bahn den Betrag Y. Am Ende gibt es eine Rechnung die vom Mobilitäts-Budget abgeht. Im Prinzip alles Dinge, die heute schon Unternehmen wie SAP ihren Mitarbeitern zur Verfügung stellen."
Neue Rolle der Flotten
Statt der Car Policy könnte dann die Mobility Policy zum wichtigsten Rüstzeug der Flottenchefs werden, deren Rolle in den Firmen laut Lobach noch wichtiger wird. "Ich glaube, dass die Fuhrparkleiter selbst die künftigen Betreiber von Mobilitätslösungen sein werden, und zwar in einem geschlossenen Benutzerkreis. Mit Hilfe einer eigenen Plattform wird dann ein intermodales Reisen für die Mitarbeiter möglich sein." Die wesentliche Veränderung für die Beschaffung sieht der Fachmann im Einkauf von Kilometern mit einem bestimmten Transportmittel statt dem Kauf eigener Fahrzeuge. Der individuell ausgestattete, stets verfügbare Dienstwagen eines fest zugeordneten Mitarbeiters würde damit nicht aussterben, aber deutlich an Bedeutung verlieren. Im Endeffekt könnten künftig die Human-Resources-Abteilungen in den Reisestellen der Unternehmen die Mobilität der Mitarbeiter sicherstellen - mit Hilfe fremder oder eigener Plattformen. Innerhalb der Plattform gibt es eigene Assets oder fremde Assets, die nutzerbedingt vergütet werden.
Ähnlich wie in der Autoindustrie wartet auf die Firmen eine Transformationsaufgabe, und diese mündet auch hier in der Kundenanfrage, also dem Nutzerverhalten der Mitarbeiter. "Heute binde ich mich für 36 Monate an einen Dienstwagen, der meine Mobilität - dienstlich wie auch privat - abdeckt. Künftig gehe ich zu einem Mobilitätsanbieter und kaufe mir die Mobilität ein, ganz nach meinen Vorstellungen, und zahle nur für die Nutzung, nicht für den Besitz." Aus dem Munde von Jürgen Lobach klingt dieses Mobilitätskonzept so gar nicht nach ferner Zukunft.
- Ausgabe 01/02/2017 Seite 24 (297.6 KB, PDF)