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Mobilitätsbudgets bei Siemens: Heute und in Zukunft

28.02.2020 13:45 Uhr
Mobilitätsbudgets bei Siemens: Heute und in Zukunft
Mobilmacher: Jürgen Freitag (Siemens, l.) und Christoph von Tschirschnitz (Sixt Mobility Consulting)
© Foto: Autoflotte

Der letzte Teil des Interviews mit Siemens-Flottenchef Jürgen Freitag und Sixt Mobility Consulting-CEO Christoph von Tschirschnitz behandelt die Themen Mobilitätsbudget und Zukunftsmusik bei der Dienstwagenfahrer-App "The Companion".

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Von Marijke Hage und Michael Blumenstein

Autoflotte: Innovation ist das Stichwort: Gibt es bereits ein Mobilitätsbudget bei Siemens?

Jürgen Freitag: Es gibt im Senior-Management-Bereich die Möglichkeit, sich nicht für einen Dienstwagen zu entscheiden und eine Mobilitätspauschale in Anspruch zu nehmen. Damit machen wir auch das „Nichtfahren“ attraktiv und das kommt an: Ungefähr 25 Prozent haben sich dafür bereits entschieden.

Christoph von Tschirschnitz: Wenn Sie beispielsweise mitten in München arbeiten und ein paar Meter weiter wohnen, könnte es passieren, dass das Auto in den fünf Arbeitstagen ausschließlich in einer teuren Tiefgarage verweilt. Da kommen Praktikabilitätsgründe und ökologische wie ökonomische Aspekte zusammen. Der Nutzer fragt sich: Warum habe ich einen festen Dienstwagen, der an 20 Tagen in meiner Garage auf mich wartet? In den letzten 1,5 Jahren hat sich viel in der Haltung der Fahrzeugnutzer verändert. Ich beobachte Pragmatismus zum eigenen Auto: Statt "Ich habe ein Auto, also nutze ich es" hin zu "Wie komme ich am besten von A nach B". Und da fällt in Städten immer häufiger die Entscheidung gegen das Auto. Vor allem in der Altersgruppe von 45 bis 60 Jahren, so zeigte eine PwC-Studie Ende 2018, ist die Bereitschaft sehr hoch, smarte Mobilitätsalternativen statt festen Dienstwagen zu nutzen. Vom Leasingfahrrad über ÖPNV, Car Sharing, Ride Hailing, Wochenend-Mietwagen oder eben zu Fuß. Die von Herrn Freitag genannten 25 Prozent "Wechselbereiten" im Senior Management sind in der Tat hoch, eine durchaus typische Entwicklung in Unternehmen, die in städtischen Bereichen angesiedelt sind.

Das Ziel müsste also sein, auch diese 25 Prozent zu The Companion-Nutzern zu machen, weil dort deren Alternativen für die Fortbewegung auf einen Blick ersichtlich sind und gebucht werden können?

J. Freitag: Ihre strategische Aussage ist vollkommen richtig. Diese App hat Potenzial eine Plattform zu werden, die viele Mobilitätsleistungen sichtbar und buchbar machen könnte. Aber so weit sind wir noch nicht. Dieser Ansatz berücksichtigt zahlreiche Partner und muss zu unserer Carbonneutral-Strategie passen. In diesem Sinne treiben wir die weiteren Entwicklungen laufend voran.

C. von Tschirschnitz: Aus unserer Sicht ist das – unabhängig von Siemens – ein Vorhaben, das wir in sehr naher Zukunft angehen, weil Großunternehmen diesen Bedarf haben und wir alle wissen: Man will keine 50 Apps auf dem Smartphone. Eine integrierte Mobilitätsbudget-Funktion würde das Angebot komplettieren und die Attraktivität von "The Companion" erhöhen. Wenn der Kunde dann darüber sein Zugticket bucht, das Leihfahrrad oder ein Taxi, ist das für uns nicht immer konkret mit einem finanziellen Benefit versehen, doch es schafft Attraktivität für den Kunden – in diesem Fall Siemens. Dass nicht alle Unternehmen so weit sind wie Siemens, leuchtet ein, denn das Thema ist alles andere als trivial. Weniger technisch als mehr mit der Haltung und Veränderungsbereitschaft der Nutzer sowie Zielen des Unternehmens. Unsere Aufgabe ist es beim Sixt Mobility Budget, für eine einfache und steuerlich korrekte Abrechnung im Auftrag des Kunden zu sorgen.

Das ist dann der Vorteil für den Kunden, wenn der Dienstleister die IT-Ressourcen im Haus hat und schnell agieren kann?

C. von Tschirschnitz: Wir haben 680 IT-Spezialisten in Deutschland, der Ukraine und Indien. Das ist die erwähnte Sixt-DNA, die IT-Lösung in den Vordergrund des Serviceprodukts und der Kundenwünsche zu stellen. Der Beginn des Denkens für ein Sixt-Produkt oder -Service ist der Kunde und die digitale Lösung. Erst in "manuellen Lösungen zu denken", um dann diese digital umzubauen, ist aufwendig und verhindert, das volle Potential einer digitalen Lösung zu nutzen.

Können Sie eine Zahl nennen, die widerspiegelt, wie viel Zeiteinsparung Siemens die App bringt?

J. Freitag: Es ist nach den aktuell etwa vier Monaten Nutzungsdauer zu früh, um eine valide Zahl nennen zu können. Wir sind überzeugt, dass dieser digitale Begleiter uns im Strategischen Einkauf als auch SMC im operativen Handling entlasten wird. Unsere Herausforderung in den nächsten Monaten lautet: alles so zu entwickeln, dass diese Entlastung nachhaltig stattfindet. Denn ansonsten besteht die Gefahr, dass es eine tote App wird – und das will niemand.

C. von Tschirschnitz: Um bei den Reifen zu bleiben. 30 Prozent aller Reifenwechseltermine werden verschoben. Und jedes Mal muss auch beim Dienstleister eine Person das koordinieren. Es entsteht administrativer Aufwand – das geht einfacher. Es lohnt sich also für alle, digitaler zu werden und den ökonomischen Benefit zu ernten.

J. Freitag: Ein weiteres, sehr aufwendiges Thema ist der Lieferprozess für die Fahrzeuge. Da rufen viele Mitarbeiter oft beim Anbieter (SMC) an, um zu erfragen, wann denn endlich das Auto geliefert wird.

C. von Tschirschnitz: Richtig, und dann werden auch die Unternehmen ungeduldig, denn der Leasingvertrag muss vielleicht wegen verspäteter Herstellerlieferung verlängert werden und verteuert sich dann. Über die App soll direkt ersichtlich sein, ob das Auto bereits produziert, auf dem Schiff oder beim Händler ist. Das schafft Transparenz und Zufriedenheit.

J. Freitag: Und wir sind überzeugt, dass alleine dieses Feature die Attraktivität und damit die Nutzung der App immens verstärken wird. Aber auch Dinge wie das virtuelle Mitführen der Tankkarten in der App helfen. Niemand muss die Plastikkarte mehr in der Geldbörse mitschleppen. Zumindest bei einem Tankkartenprovider ist Smart Payment mit der App nun möglich.

C. von Tschirschnitz: Und die Erweiterungen finden andauernd statt. Stichwort Rechnungen: Diese gingen bislang oft manuell an die (hoffentlich) korrekte Adresse. Um das besser zu machen, fügen wir in die App eine digitale Servicekarte ein, auf der exakt steht, wo die Rechnung hinmuss. Die Werkstatt könnte das sogar mittels QRCode scannen. Sie hat automatisch in ihrem System alle relevanten Rechnungsdaten, die im Fall von Siemens über deren Systeme laufen und sicherstellen, wie die Rechnung auszusehen hat. Eine weitere wichtige Neuerung sind ab Ende März die Real-Bilddaten des konfigurierten Fahrzeugs. Das heißt, wer sein Auto zusammenstellt, sieht es detailgetreu in der App. Das schafft einen emotionalen Mehrwert, nämlich Vorfreude – und es macht Spaß, wie Herr Freitag bereits sagte. Die App darf keine staubtrockene Anwendung sein, die wie ein Steuerformular aussieht.

Apropos Spaß: Wie sieht es beim Thema Elektrifizierung im Siemens-Fuhrpark aus? E-Fahrzeuge bereiten ja durchaus Spaß.

J. Freitag: Gibt es natürlich. Plug-in-Hybride (Phev) werden jedoch bei weitem nicht so subventioniert wie reine E-Fahrzeuge. Wir denken gerade drüber nach, eine weitere Differenzierung beim Bonus-und-Malus-System für Hybride vorzunehmen. So könnten Phev mit einem NEFZ-Wert von unter 30 g/km und einer hohen Reichweite besser bewertet werden als Fahrzeuge mit einem CO2-Ausstoss von 45 g/km. Bei den Vielfahrern gibt es eine klare CO2-Obergrenze. Sie dürfen aktuell nur Verbrenner bis zu einer definierten sich permanent verringerten Obergrenze auswählen und bekommen in der App verständlicherweise auch nur diese Fahrzeuge angezeigt.

Aber ein Verbot von Plug-in-Hybriden kommt für Siemens nicht infrage?

J. Freitag: Für diesen Kreis der Senior Manager – das sind aktuell die einzigen, die einen Phev bestellen können – werden wir keinen Ausschluss machen. Vielmehr stärken wir unsere Unternehmenskultur der Ownership Culture und sehen, dass viele Nutzer auch außerhalb der oben genannten Nutzergruppe Ihre Entscheidungen im Sinne einer ökologischen Betrachtungsweise treffen. Aber wir denken auch für diesen Kundenkreis über eine CO2-Obergrenze nach und werden uns die Verbrauchswerte ganz genau anschauen. Sobald die WLTP-Werte verpflichtend sind, können wir bei allen Fahrzeugen und Antriebsarten exakt sehen, was Sonderausstattungen für Negativ-Auswirkungen haben und dann ist unsere Erwartungshaltung, dass nicht mehr die ganz dicken Reifen bestellt werden weil das Fahrzeug mit diesen über dem definierten CO2-Wert liegt.

C. von Tschirschnitz: Ich glaube, dass das Thema Phev aufgrund des Mitschleppens von zwei Antrieben, was Kosten und Gewicht treibt, eine Endlichkeit haben wird. Ja, es hilft in der Übergangsphase, weil man die Reichweitenängste mindern kann. Aber das wird bei den E-Autos zusehends kein Thema mehr sein. Ich denke, in etwa drei Jahren werden sich PHEV erübrigt haben.

J. Freitag: Wir messen bereits unseren tatsächlichen Kraftstoffverbrauch. Uns interessieren die Normwerte nur im Rahmen der Selektion neuer Modelle, um einen ersten Schub zu erzeugen und vermeintlich sparsame Fahrzeuge zu "fördern". Unseren Erfolg messen wir jedoch am tatsächlichen Verbrauch.

C. von Tschirschnitz: Da wir seit 2013 Realverbräuche von Kunden vorliegen haben und auch die TCO überblicken, können wir feststellen, dass Elektroautos in Summe, auch wenn sie anfangs teurer waren oder sind, in der Totalberechnung durch erheblichen Einsparungen auf der Serviceseite und durch oft längere Laufzeiten, durchaus vorteilhaft sind.

J. Freitag: Wir sehen, dass unsere Elektrofahrzeug-Nutzer zu 80 Prozent zu Hause und in der Arbeit laden. Lassen Sie mich das nochmals kurz umschreiben: Siemens geht konsequent seinen Weg zur CO2-Neutralität, die Dienstwagen mit Ihrem Kraftstoffverbrauch sind hier ein maßgeblicher Faktor, deswegen analysieren wir die sinnvolle Flottengröße bei den aktuellen oder geplanten Servicemodellen und dann definieren wir die sinnvolle Auswahl der Produkte (CO2-Grenzen, Bonus-Malus Systeme, Approval-Prozesse, Entitlement-Modelle, alternative Mobilitätspauschalen etc…).

Herr Freitag, was sind Ihre Wünsche an Sixt Mobility Consulting?

J. Freitag: Für den Moment wünsche ich mir für unsere 14.000 Fahrer nur eins: Eine "Soundbar" ganz oben in der App, die mit der nahenden Auslieferung des Neuwagens die Lieblingsmusik immer lauter werden lässt. Aber ein Zeitstrahl wäre tatsächlich auch schön. Sehr wichtig ist für Siemens das proaktive Supplier-Rating während des Prozesses, um zügigst und konsequent professionelles Lieferantenmanagement starten zu können.

Herr von Tschirschnitz, können Sie das umsetzen?

C. von Tschirschnitz: Ende März fangen wir mit dem fünften Release der App an und bauen Fotos in den Konfigurator ein. Danach können wir den Zeitstrahl angehen, und bei der Soundkomponente frage ich mal unsere ITler (lacht). Wir wollen aber in jedem Fall das Servicerad der Digitalisierung zügig weiterdrehen. Die beste Maßnahme, um im Wettbewerb an der Spitze zu bleiben, sind anspruchsvolle Kunden. Kunden wie Siemens, die uns permanent herausfordern und zu neuen Höchstleistungen motivieren, empfinden wir bei Sixt als Geschenk.

Herzlichen Dank für Ihre Zeit.


Zum ersten Teil des Interviews!

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