Von Hanne Schweitzer/SP-X
Sitzpolster in Seidenbeige, Ziernähte in Moccabraun und ein Lackfächer mit Farben wie Feueropal oder Gelboliv magno – als in Graz vor über 40 Jahre die Arbeit an der Mercedes G-Klasse begonnen hat, wären Entwicklern und Designern solche Details nicht im Traum eingefallen. Schließlich war der Geländewagen als Arbeitstier und Armeefahrzeug gedacht und Glanz und Gloria damals nun wirklich kein Thema.
Doch längst hat die G-Klasse von der Buckelpiste auf die Boulevards gewechselt und ist mittlerweile in Beverly Hills, Tokio oder auf der Elbchaussee viel eher zu Hause als in der Sahara, der mongolischen Steppe oder der Lüneburger Heide. Und mit dem neuen Image sind auch die Ansprüche der Kunden gewachsen. Beim Ableger AMG, traditionell spezialisiert auf alles Schnelle und Schöne, haben sie das schon lange begriffen. Nicht umsonst ist der Geländewagen das Mercedes-Modell mit der höchsten AMG-Quote. Deshalb spendieren sie dem kantigen Klassiker in Affalterbach seit jeher zur Leistung auch jede Menge Luxus und machen ihn so zu einem Lifestyle-Auto, das mit jedem Porsche Cayenne mithalten kann und in Dubai oder Peking nicht weniger gern gesehen ist als ein McLaren oder ein Lamborghini.
Doch jetzt endlich kommt auch die Großserie auf den Geschmack und bietet der treuen Kundschaft deshalb erstmals die Veredelung in der Designo-Manufaktur an. Dass die Schwaben für diese Idee so lange gebraucht haben, ist umso erstaunlicher, wenn man die Produktion der G-Klasse in Graz kennt: Weil dort noch mehr von Hand gearbeitet wird als in jedem anderen Daimler-Werk und sich die Durchlaufzeit eines einzelnen Wagens so auf durchschnittlich 135 Stunden summiert, fehlt schon in der normalen Produktion zur Manufaktur eigentlich nicht mehr viel: "Die Produktion der G-Klasse ist einzigartig in der Welt der Großserienfahrzeuge", meint denn auch Baureihenchef Gunnar Güthenke, "entsprechend leicht konnten wir die Designo-Manufaktur in den Prozess integrieren." Alle Extrawünsche werden deshalb beim Partner Magna im normalen Fertigungsablauf und natürlich in der Sattlerei erledigt – nicht umsonst arbeiten allein dort über 150 Fachkräfte.
Liebevoll von Hand gefertigt
Wo andere Autos vor allem von Robotern montiert werden, singt Güthenke das Hohelied der Handarbeit: "Ob Exterieur oder Interieur, ob Ziernaht oder Typenschild, fast jedes Detail wird liebevoll von Hand gefertigt. Mit Hingabe, Leidenschaft und in handwerklicher Perfektion entstehen Unikate mit höchstem Anspruch an Qualität und Exklusivität." Natürlich hat das auch seinen Preis, erst recht, wenn sich die Kunden ihre ganz eigenen Wünsche verwirklichen lassen: Allein der belederte Haltegriff mit farblich abgestimmten Ziernähten kostet 400 Euro netto. Für das zweifarbige Lederinterieur ruft Mercedes exakt 5.818 Euro netto auf und der Mattlack "allanitgrau magno" steht mit 6.500 Euro netto in der Liste. Wie hoch man damit den Endpreis treiben kann, mag Güthenke lieber nicht verraten. "Aber einige Kunden nutzen die Möglichkeiten der Designo-Manufaktur schon voll aus", weiß der Baureihenchef und wirkt dabei ausgesprochen zufrieden.
Einer seiner ersten Designo-Kunden war Roland Wagner. Der Unternehmer aus der Nähe von Kiel bezeichnet sich selbst als "absoluten Autonarren", hat schon ein paar PS-Spielzeuge in der Garage und sich Ende letzten Jahres zum ersten Mal eine G-Klasse bestellt. Schon damals hat er sich wochenlang Zeit gelassen beim Spiel mit dem Konfigurator. "Vorfreude ist schließlich die schönste Freude", sagt Wagner und erzählt von stundenlangen Internetrecherchen und den endlosen Varianten, die er durchgespielt hat. Als Wagner dann zum Jahreswechsel auf das neue Designo-Angebot aufmerksam wurde, hat er eben noch einmal von vorne angefangen. "Da hat sich mir eine ganz neue Welt aufgetan", staunt der Unternehmer. Mit seinem zuständigen Verkäufer wurde der Wagen deshalb komplett neu konfiguriert und weil alles noch so frisch warm war, hat sich auch die Zentrale in Berlin eingeschaltet. "Einiges ging in den Kombinationen nicht, wurde verworfen und wieder neu zusammengestellt. Es war Geduld gefordert, machte aber auch dem Verkäufer ersichtlichen Spaß", erinnert sich Wagner.
Relativ schnell war ihm klar, dass er was an der Farbe ändern musste. "Denn die allermeisten G-Klassen in unseren Breiten sind doch Schwarz, Silber oder eben Oliv", hat er beobachtet und muss einräumen, dass auch seine erste Bestellung auf ein Schwarz hinaus lief, dem man seinen blauen Einschlag nur im Sonnenschein ansehen konnte. "Aber wenn ich schon so ein besonderes Auto bestelle, will ich es nachher nicht an jeder zweiten Ecke sehen." Zwischendurch war seine G-Klasse im Kopf deshalb sogar schon einmal feuerrot lackiert. Aber jetzt strahlt sie in einem leuchtenden mauritiusblau metallic – und trägt zum Kontrast das Dach, die Kotflügelverbreiterung und die Stoßfänger in Obsidian-Schwarz. Diese Kombination findet sich auch im Innenraum wieder, wo Wagner die Ziernähte auf Sitzen, Kopfstützen, Instrumententafel, Türgriffen, Armauflagen und Handbremshebel in einem maritimen Blau bestellt hat.
Wenn schon, denn schon
Dass er dafür zusätzlich ein bisschen tiefer in die Tasche greifen musste, hat den Diplom-Ingenieur nicht davon abgehalten sich die G-Klasse trotzdem individuell zu konfigurieren. "Sie ist ja ohnehin ein teures Vergnügen, da fallen ein paar solcher Extras dann nicht mehr ganz so sehr ins Gewicht", sagt Wagner mit einem Lächeln. Außerdem weiß er um die viele Handarbeit in der Manufaktur, und dass dies seinen Preis hat. "Wem das zu teuer ist, der muss es ja nicht so aufwendig bestellen. Denn die G-Klasse fährt schließlich auch ohne Designo-Ausstattung".
Aber selbst bei Designo gibt es nicht alles. Zumindest nicht für einen G 500. Die gesteppten Lederbezüge auf den Sitzen oder in den Türen zum Beispiel, die hätten ihm schon gut gefallen. "Die sind leider den AMG-Modellen vorbehalten", musste Wagner lernen und tröstet sich dann mit einem Blick auf die Rechnung: "Es gibt Grenzen, wo die Vernunft dann doch wieder die Oberhand gewinnt."
Zwar war es wochenlanges Hin und Her, bis am Ende alle Optionen ausgewählt, alle Entscheidungen getroffen und jeder Sonderwunsch bestätigt waren. Doch die Arbeit mit der Auswahl und die etwas längere Wartezeit haben sich gelohnt, sagt der Diplom-Ingenieur und strahlt mit seiner G-Klasse um die Wette. "Jetzt habe ich tatsächlich ein einzigartiges Auto." Nur einen Haken hat die teure Individualisierung: In Matsch und Modder traut er sich mit diesem Mercedes nun nicht mehr. "Dafür ist mir meine G-Klasse jetzt viel zu schade."