Es klingt ein wenig paradox: General Motors (GM), immerhin größter amerikanischer Autohersteller, hat für Europa lediglich zwei Modelle in seinem Portfolio, den Sportwagen Chevrolet Corvette Stingray und das Mittelklasse-SUV Cadillac XT4. Der Absatz in der Alten Welt spielt sich in homöopathischen Dosen ab, beide Modelle sind Exoten für individuell veranlagte Kunden.
Ändern wird sich daran, zumindest bis zum nächsten Jahr, wenig. Denn GM wird zur normalen Corvette lediglich eine High-Performance-Variante mit dem Beinamen Z06 bei uns anbieten. Sie dürfte zugleich der letzte Verbrenner sein, den das Detroiter Unternehmen über den Teich schickt. Und dann? Es deutet viel darauf hin, dass General Motors wohl einen vollelektrischen Neustart plant. "Strategie-Details werden wir im kommenden Frühjahr bekanntgeben", sagt Mahmoud Samara, Chef von GM Europe. "Die emissionsfreie, vollelektrische Zukunft von GM ist in vollem Gange. Weltweit bewegen wir uns schneller als jemals zuvor", so Samara. Für den Manager ist Europa beim Thema E-Mobilität derzeit der "wichtigste Markt mit der größten Dynamik".
Markenausblick GM
BildergalerieDas lässt den den Schluss zu, Westeuropa und vor allem Deutschland stehen bei GM auf der Prioritätenliste. Man wird hierfür mit ziemlicher Sicherheit ein speziell zugeschnittenes, elektrisches Portfolio zusammenstellen. Dass sich darunter weder Hybride noch Plug-in-Hybride befinden werden, ließ GM Konzernchef Marc Reuss bereits Anfang dieses Jahres durchsickern: "Ich werde kein Geld für Hybride ausgeben", sagte er vor Wirtschafts-Journalisten. Dafür aber umso mehr für vollelektrische Fahrzeuge. Allein 2,2 Milliarden Dollar ließ sich GM den Umbau seines ehemaligen Werkes in Detroit-Hamtramck kosten. In dieser sogenannten Zero-Factory werden ausschließlich Elektroautos vom Band rollen. Für einen vermutlich ähnlich hohen Betrag wurde die ultramoderne und extrem modular ausgelegte Elektro-Architektur Ultium entwickelt. Auf ihr soll so gut wie jede Karosserieform in jeder Größe passen, die Spanne reicht vom Kleinwagen bis zum in Amerika obligatorischen Pickup.
Mit Letzterem startet GM seine Elektro-Offensive zunächst auf dem Heimatmarkt. Der GMC Hummer EV Pickup ist ein rollender Superlativ. Bislang hat kein anderes Elektrofahrzeug eine größere Batterie (über 200 kWh), mehr Leistung (1.000 PS) und ein Unterbau, mit dem sich diagonal fahren lässt. GM nennt es "Crabwalk". Im Frühjahr 2023 soll auf den Pickup-Hummer dann eine verkürzte SUV-Version (Leistung: 830 PS) folgen. Durchaus möglich, dass sie 2024 den Weg nach Europa findet.
Zuvor aber wird der Lyriq das Elektrozeitalter der Luxusmarke Cadillac einläuten. In den USA startet gerade der Verkauf, Deutschland dürfte in gut einem Jahr an der Reihe sein. Den Lyriq, ein Fünf-Meter-Crossover, positioniert Cadillac im Segment von Audi Q8 e-tron, Mercedes EQS SUV und BMW iX. Auch gegen den Mercedes EQS und BMW i7 hat Cadillac ein Eisen im Feuer, den Celestiq. Getarnte Erlkönige fahren derzeit in den USA herum. Die Silhouette lässt erkennen, dass sich der Luxusliner kaum von der kürzlich vorgestellten Studie unterscheiden dürfte.
Eher in der Mittelklasse bewegt sich der Chevrolet Blazer. Ursprünglich war dieses Modell einmal ein riesiger Geländewagen. Jetzt zieren die sechs Buchstaben ein sportlich gestyltes SUV in der Größe eines VW ID.4. GM wäre schlecht beraten, dieses Modell nicht in Europa anzubieten. Die Markteinführung könnte 2024 sein, Anfang 2023 beginnt die Auslieferung in den USA. Gebaut wird der Elektro-Blazer in Mexiko.
Von den Abmessungen her noch attraktiver könnte für europäische Kunden der Chevrolet Equinox sein. Das Kompakt-SUV basiert wie alle zuvor genannten Modelle ebenfalls auf der Ultium-Plattform. Gut vorstellbar, dass GM mit seiner Elektro-Strategie sogar noch ein Segment tiefer geht. Schließlich nähert sich der Chevrolet Bolt EV dem Ende seines Lebenszyklus.