Roland Meyer ist seit zwei Jahren Geschäftsführer von Leaseplan Deutschland. Zuvor arbeitete der 50-jährige bei Athlon und beim Finanzdienstleister DLL. Aktuell werden in Düsseldorf mehr als 110.000 Fahrzeuge von rund 450 Mitarbeitern betreut. Autoflotte sprach mit Roland Meyer zu Beginn der Corona-Krise über Restwerte, Mobilitätsbudget, Schadenmanagement und: Elektromobilität.
Gibt es auch aus Ihrer Sicht zu wenige öffentliche Ladesäulen an Autobahnen?
Roland Meyer: Wenn ich unterwegs bin, beobachte ich, dass derzeit an fast jeder Raststätte Supercharger aufgestellt werden. Die viel befahrene A3 wird in sechs Monaten wohl voll mit 350-kW-Ladesäulen sein. Das sind immer vier bis acht Plätze. Wenn ich mir das so anschaue, werden diese Plätze ausreichen, um uns mobil zu halten. Und kaum jemand wird länger als 20 Minuten stehen, um sein E-Auto zu laden.
Kritiker behaupten, dass ein E-Auto nur für Kurzstrecken taugt. Ihre Meinung?
R. Meyer: Wir haben selbst herausgefunden, dass wir auf einer Strecke von 700 Kilometern nur wenig länger brauchen als mit einem Verbrenner. Warum ist das so? Wir machen unseren Tankstellenhalt, gehen auf die Toilette, holen uns eine Tasse Kaffee, essen vielleicht noch eine Kleinigkeit. Die Tankzeit verlängert sich also oft jetzt schon auf knapp dreißig Minuten. Beim E-Auto spare ich mir sogar die Zeit des eigentlichen Tankvorgangs und anschließenden Bezahlens. Ich muss zwar den Stopp nach rund 250 Kilometern wiederholen, aber ich komme definitiv entspannter an. Denn während der Pausen bewege ich mich, erledige Anrufe, E-Mails und hetze mich nicht mit einer Tankfüllung 700 Kilometer durch, steige dann aus und es schmerzen Rücken und Beine.
Leaseplan elektrifiziert gerade den eigenen Fuhrpark. Wie kommt das an?
R. Meyer: Ich war seit Dezember nicht mehr an der Tankstelle. Ich tanke zuhause und im Büro, das finde ich ziemlich cool. Die gesamte Leaseplan-Geschäftsführung fährt rein elektrisch und freut sich natürlich auch über die 0,5-Prozent-Versteuerung. Wir verändern mit dem E-Auto fast komplett unser Verhalten. So besitze ich jetzt beispielsweise eine Dauerwaschkarte (Flatwash) und pflege mein Dienstfahrzeug mehr als je zuvor, denn ich investiere einen Teil der Tankzeit in Waschzeit.
Wie hat Leaseplan intern vorgerüstet?
R. Meyer: 26 Ladepunkte, 13 Wallboxen samt Lastmanagement haben wir in der Tiefgarage an unserem Verwaltungsstandort. Denn nur, wenn wir es selbst ausprobieren, lernen wir auch für unsere Kunden und können dieses Wissen weitergeben.
Was haben Sie gelernt?
R. Meyer: Es kam beispielsweise die Frage auf, wie viel Leistung das Gebäude vertragen kann. 157 kW sind es in unserem Fall. Um das ideal zu nutzen, wird aktuell das Lastmanagement eingestellt. Als Nächstes bekommen wir Parkplätze, auf denen rein elektrische Fahrzeuge mit bis zu 11 kW geladen und entsprechend gekennzeichnet werden. Andere stehen für die Plug-in-Hybride mit niedriger Ladegeschwindigkeit zur Verfügung, die über das Lastmanagement ebenfalls hochgefahren werden könnten. Beteiligt sind Vermieter, Stadtwerke und andere Parteien, mit denen wir uns abstimmen.
Können Sie bereits sagen, dass Ihnen die Elektromobilität Kosten einspart?
R. Meyer: Wenn ein Unternehmen wie wir fürs Kostensparen etwas investiert und hintenraus für die Hälfte fährt und sparen kann, wird ein rechenbarer Business Case daraus. Ich bin mit der E-Mobilität heute schon unabhängiger als mit einem Diesel unterwegs. Der Preisunterschied beim Diesel liegt bei vielleicht drei Cent. Bei den Stromanbietern ist das deutlich volatiler und hiervon kann der gut beratene Kunde profitieren. Was sich insbesondere rechnen kann, ist die Nutzung von Sonnenenergie im Unternehmen oder zuhause. Diesen Selbsttest mache ich gerade.
Leaseplan reichert die Beratung also mit eigenen Erfahrungen an?
R. Meyer: Genau das ist unsere Aufgabe. Es macht keinen Sinn, Kunden theoretisch zu beraten und dann doch "weiterzudieseln". Wir müssen die Erfahrungen machen, die unsere Kunden machen, und wir sammeln diese Erfahrungen, damit wir sagen können, welcher der beste Weg ist.
Wie sinnvoll sind Plug-in-Hybride (Phev), die wir in der Garage gesehen haben?
R. Meyer: Wenn man es nicht richtig macht, sind Plug-ins eine Kostenfalle. Wenn man aber beispielsweise einen Wohnwagen ziehen muss, befindet sich das Angebot an vollelektrischen Fahrzeugen gerade noch in der Entwicklung. Der Audi E-Tron kann 1,8 Tonnen ziehen. Das haben wir ausprobiert und es klappt. Nur die Reichweite schrumpft dann auf 150 Kilometer. Damit kommen wir nicht so einfach nach Spanien. Das bedeutet wiederum, dass wir für unsere Kunden Lösungen wie Holiday Cars aufbauen. Leaseplan bietet das über die eigene Autovermietung schon erfolgreich an.
Wie stelle ich mir das als Nutzer vor?
R. Meyer: Die Ersatzautos sollen zukünftig über eine App gebucht werden. Der Nutzer gibt einfach seine Anforderungen ein, bekommt ein passendes "Urlaubsauto" und kann mit dem Wohnwagen nach Spanien in den Urlaub fahren.
Was bei Elektroautos immer wieder aufkommt, ist das Restwertrisiko. Können Sie Restwerte punktgenau berechnen?
R. Meyer: Wir kalkulieren unsere Restwerte mit modulierten Systemen und Statistiken. Die dabei herauskommenden Werte überprüfen wir abermals.
Bereiten Techniksprünge der Stromer Schwierigkeiten bei der Prognose?
R. Meyer: Wir sind der Meinung, dass der Fortschritt in der E-Mobilität schneller sein wird als der bei Verbrennern. Ein Beispiel: Ein Nissan Leaf lädt maximal mit 50 kW, ein Audi E-Tron schafft rund 100 kW mehr. Und der Porsche Taycan verdoppelt das nochmals. Wir müssen also lernen: Wird es vielleicht ein zweites, drittes oder gar viertes Leasingleben von E-Autos geben?
Wie wahrscheinlich ist das?
R. Meyer: Das zweite und dritte Leben hängt sicherlich sehr von den Emotionen ab, die ein Auto für einen Fahrer bietet. Ein Mercedes EQC oder ein Audi E-Tron sind gute Beispiele für Emotionalisierung der Elektromobilität. Der Kunde kann nach wie vor vieles selbst gestalten. Beim Tesla ist es anders. Das Auto funktioniert fantastisch, aber bis auf die Farbe sehen die Autos gleich aus. Das nimmt Emotionen raus. Daher wird es gerade bei Tesla relativ einfach sein, diese in ein zweites oder drittes Leben zu stecken. Das birgt neue Geschäftsmodelle für uns.
Sie haben kürzlich eine Studie europäischer Länder zum Entwicklungsstand der E-Mobilität veröffentlicht. Deutschland liegt auf Platz 9. Können Sie aus den Ergebnissen resultierend den Kunden gezielter ansprechen?
R. Meyer: Wir haben in der Theorie zwei Themen: Die nordischen Märkte haben die Chance ergriffen, eine bereits bestehende Infrastruktur zu nutzen. Dort gab es bereits Strom an und in Häusern und Supermärkten. Damit konnten Verbrennungsmotoren bei minus 20 Grad per Strom vorgewärmt werden. Deshalb ging es dort so schnell mit der Infrastruktur. Und natürlich hat auch da die Regierung subventioniert. In Holland wurde auch früh subventioniert und es ging schnell los. Auch bei uns wird die E-Mobilität laufen - solange die Regierung weiterhin fördert wie aktuell. Wir werden damit zwar nicht die Welt retten, aber wir können lokale Emissionen verdrängen.
Wenn wir es wirklich gut machen wollen, sollten wir unsere Mobilität ändern. Wenn wir morgens nach Düsseldorf reinfahren ist es völlig egal, ob wir mit einem Diesel, Benziner oder E-Auto unterwegs sind. Der Stau ist der gleiche. Er wird erst kürzer, wenn wir in die Bahn steigen. Und genau da sehen wir unseren Auftrag. Es geht uns nicht darum, so viele E-Autos wie möglich und nötig in den Markt zu schieben. Es geht darum zu beraten, damit die Elektromobilität funktioniert und lokale Emissionen sinken. Unser Beratungsansatz geht so weit, Mobilität und Mobilitätsverhalten zu ändern.
Aber Ihr Geschäftsmodell begründet sich auf verkauften Einheiten, Leasingrate, Ertrag...? Wie verdienen Sie Geld, wenn niemand Auto fährt, least, mietet?
R. Meyer: Wir glauben, dass unser Car-as-a-Service-Geschäft mit dem Leasing und der Verwaltung von neuen Fahrzeugen ein integraler Bestandteil eines jeden Mobility-as-a-Service-Umfeldes (MaaS) bleiben wird. In der Tat sehen wir mit der Entwicklung von MaaS eine weitere Stimulierung des Car-as-a-Service-Marktes, da beide im Wesentlichen durch den Megatrend "vom Eigentum zur Nutzung" angetrieben werden. Um von diesem langfristigen Trend zu profitieren und um sicherzustellen, dass wir uns vollständig in jedes MaaS-System integrieren können, baut Leaseplan ein vollständig digitales Geschäftsmodell unter dem Namen "NextGen Leaseplan" auf, das es ermöglicht, digitale Dienste auf digitalem Kostenniveau und unter Verwendung der neuesten Technologie anzubieten.
Ist es dann nicht der nächste Schritt, auch eine Mobilitäts-App anzubieten?
R. Meyer: Unser Hauptschwerpunkt liegt nach wie vor auf Car-as-a-Service, das unserer Ansicht nach eine integrale Rolle im umfassenderen MaaS-Umfelds spielt. Bei "vom Eigentum zur Nutzung" geht es darum, die richtige Mobilitätslösung zur richtigen Zeit zu finden. Durch die reine Nutzung wird dies einfacher. Hier sehen wir die wichtige Rolle, die die digitale Technik spielt, und insbesondere unser Bestreben, als Anbieter von digitalen Lösungen im MaaS-Umfeld aufzutreten.
Wäre es nicht sinnvoll, Kunden, die keine Mittelklasse mehr möchten, eine Kombination aus Kleinwagen und Mobilitätsbudget zu geben, das Carsharing, Park-Apps usw. beinhaltet?
R. Meyer: Die Herausforderung ist, vorhandene Lösungen zu kombinieren. Nehmen wir die unzähligen Park-Apps. Die Holländer haben nur eine, und die müssen sie nicht einmal starten. Halten sie an, prüft die App, ob es sich um einen Parkplatz handelt, startet den Parkvorgang automatisch und bucht die Parkgebühren ab. Bei uns gibt es zahlreiche Apps und dadurch eine große Intransparenz, die es für den User und für die Integration in eine Mobilitäts-App erschwert.
Woran scheitern Mobilitätsbudgets?
R. Meyer: Ich würde nicht von einem Scheitern der Mobilitätsbudgets sprechen. Vielmehr geht es darum, die richtige Mobilitätslösung für die richtige Person zu finden. Das bedeutet, dass man sich genau anschauen muss, wie sie pendeln, welche Entfernungen sie zurücklegen und wie oft. Jeder Kunde braucht eine maßgeschneiderte Lösung, damit sein Mobilitätsbudget seine Realität widerspiegelt - das ist das Wichtigste.
Und wie lösen wir dieses Dilemma?
R. Meyer: Wir setzen im Moment auf Anreize: Wenn du das kleinere Auto nimmst, bekommst du das Fahrrad hinzu. Wenn du mit dem Fahrrad kommst, zahlen wir den Preis des ÖPNV-Tickets. Das beträfe in unserem Fall sogar Mitarbeiter, die gar keinen Dienstwagen haben. Sie sollen nach Möglichkeit eben nicht mehr mit dem eigenen Auto in der Tiefgarage parken, sondern mit dem Fahrrad ins Büro kommen. Die Thematik Mobilitäts-App steckt noch sehr in den Kinderschuhen und ist bei uns noch nicht so populär wie die E-Mobilität.
Was verbirgt sich hinter Carnext.com und Lean?
R. Meyer: Lean Autovermietung ist eine Tochter von Leaseplan, zuständig für alles, was Interimsmobilität angeht. Ideal, wenn Kunden neue Kollegen bekommen und die Probezeit überbrückt werden muss. Ich selbst nutze "Lean", um einen Mietwagen zu buchen, wenn ich in anderen Städten einen Wagen benötige. Ebenso ist Lean bei Unfallersatz, Kurz- und insbesondere Langzeitmiete ein sehr guter Partner - nämlich eine klassische Autovermietung mit allem, was dazugehört. Künftig wird dieser Bereich bei Leaseplan in den Bereich "Holiday Cars" und kurzfristige Mobilität weiter ausgebaut.
Mit Carnext.com vermarkten Sie Ihre Leasing-Rückläufer. Wie läuft das?
R. Meyer: Carnext.com sind unsere vier Gebrauchtwagen-Stores in Deutschland, über die wir unsere Leasing-Rückläufer an Privatkunden und Händler vermitteln - in Nürnberg, Neuss, Düren und Mücke bei Gießen. Neuss wird gerade zum Flagship-Store mit mehr als 500 Autos ausgebaut.
Was zeichnet diese Fahrzeuge aus?
R. Meyer: Es handelt sich bei den Fahrzeugen um eine Top-Auswahl aus hochwertigen Leasing-Rückläufern, überwiegend aus erster Hand, instand gehalten und gründlich geprüft. Das Markenversprechen von Carnext heißt: All-in-Festpreis, bekannte Wartungshistorie, zwölf Monate Garantie und 14 Tage Umtauschrecht. Wichtig, um Vertrauen zu gewinnen.
Wie sieht der Erstkontakt der Leasingnehmer bei einem Unfall aus?
R. Meyer: Aktuell klappt das über unsere Website. Ich schätze, dass 80 Prozent aller Unfallschäden telefonisch gemeldet werden. Denn das Erste, was Sie nicht tun, wenn Sie einen Unfall haben, ist, eine App zu durchsuchen. Bei uns steht daher die telefonische Ersthilfe im Fokus.
Also die Mensch-zu-Mensch-Kommunikation?
R. Meyer: Absolut. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn Sie einen Unfall melden und erstmal mit einem Computer verbunden sind. In der Schadenhotline muss Tag und Nacht jemand erreichbar sein.
Mit welchen Markenwerten definiert sich Leaseplan?
R. Meyer: Wir arbeiten immer aus der Sicht der Kunden, egal ob Fahrer, Unternehmen oder Werkstatt. Und das wird weiterhin ein sehr starkes Markenimage bilden. Der Kunde soll bei Leaseplan beim Thema Mobilität gut aufgehoben sein.
Und wie haben Sie Einfluss auf Ihre Dienstleister, dass die auch in Ihrem Sinne handeln und agieren?
R. Meyer: Fairness, Partnerschaft und Verlässlichkeit werden bei uns großgeschrieben und dass auch der Partner einen Mehrwert hat, wenn er mit uns zusammenarbeitet. Der Mehrwert definiert sich über Volumen, Qualität oder beispielsweise auch Schnelligkeit bei der Bezahlung. Wenn ein Partner vier Wochen auf sein Geld warten muss, wird er weniger zufrieden sein, als wenn er es innerhalb weniger Tage bekommt. Gleichzeitig nehmen wir dann auch unser Recht auf Kontrolle wahr, um unser Werteversprechen den Kunden gegenüber einzuhalten.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Meyer.
Interview: rs,mb
- Ausgabe 05/06/2020 Seite 18 (286.4 KB, PDF)