Im ersten Verfahren um eine Musterfeststellungsklage in Deutschland vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart schwinden die Chancen für die Kläger. Das Gericht hat am Freitag nicht nur die Zulässigkeit hinterfragt, sondern auch Zweifel an der Begründung der Klage geäußert. In dem Stuttgarter Verfahren geht es um Autokredit-Verträge der Mercedes-Benz-Bank.
Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden will als Kläger erreichen, dass die Widerrufsregeln in den Bankverträgen für unzulässig erklärt werden und damit auch die Fristen hinfällig sind. Dann, so hoffen Autobesitzer, könnten sie das Geschäft auch nach Jahren noch rückgängig machen und ihre Wagen zurückgeben - nicht nur, aber insbesondere inzwischen ungeliebte Diesel. Anwälte sprechen auch von einem "Widerrufs-Joker". Die Mercedes-Benz-Bank hält die Musterklage für unbegründet. Eine Entscheidung soll am 20. März fallen.
Der Vorsitzende Richter stellte am Freitag nach vorläufiger Rechtsauffassung nicht nur fest, dass die fraglichen Widerrufsregeln für die Verbraucher nicht zu beanstanden sind. Er forderte auch Informationen nach, die die Zulässigkeit der Klage belegen sollen. Ein strittiger Punkt ist, ob der klagende Verein überhaupt genug Mitglieder hat und ob diese etwa als Rechtsanwälte nicht eigene Interessen verfolgen.
"Solche Prozesse sollte nicht jeder Verein führen dürfen"
"Nicht jeder Verein soll einen solchen Prozess führen dürfen", erklärte der Vorsitzende Richter am Freitag in Stuttgart. Der Gesetzgeber habe so verhindern wollen, dass eine Klageindustrie entstehe. Die vorgelegte anonymisierte Liste mit 350 Mitgliedern reichte dem Gericht nicht als Beleg. Die Anwälte des Vereins hatten argumentiert, sie wollten ihre Mitglieder davor schützen, auf "schwarzen Listen" von Banken zu landen.
Der Klage der Schutzgemeinschaft für Bankkunden haben sich laut dem Bundesamt für Justiz rund 680 Fahrzeugbesitzer angeschlossen - der Gesetzgeber sieht mindestens 50 Anhänger einer Musterfeststellungsklage vor. Doch nur gut 140 der Eingetragenen könnten nach einer ersten Einschätzung als berechtigt angesehen werden, so der Richter. Neben Doppeleinträgen fehle in vielen Fällen auch der Beleg, dass überhaupt ein Darlehensvertrag vorliege.
"Es geht eben nicht um Diesel, Fahrverbote, Wertverluste oder sowas", sagte der Richter. "Es geht auch nicht um Widerruf von einem Autokaufvertrag." Was eine Rolle spiele, seien allein Darlehensverträge.
Musterfestellungsklage erst seit November 2018 möglich
Eine Musterfeststellungsklage einzureichen ist erst seit dem vergangenen November möglich. Verbraucherschützer können damit stellvertretend für viele Betroffene gegen Unternehmen klagen. Die Verbraucher selbst tragen dabei kein finanzielles Risiko.
Eine ähnlich lautende Musterklage der gleichen Schutzgemeinschaft gegen die VW-Bank haben die Richter am OLG Braunschweig bislang nicht angenommen. Ihnen fehlt es an ausreichenden Nachweisen zur Zahl der Vereinsmitglieder sowie zum satzungsmäßigen Zweck des Vereins. Deshalb muss sich demnächst auch der Bundesgerichtshof mit dieser Frage befassen.
Bislang gibt es überhaupt erst zwei Musterverfahren. Das deutlich bekanntere dreht sich um die Klage gegen Volkswagen. Mit ihr wollen die Verbraucherzentralen durchsetzen, dass Autobesitzer, die vom Diesel-Skandal betroffen sind, für den Wertverlust ihrer Fahrzeuge entschädigt werden. Für dieses Verfahren gibt es noch keinen Termin. (dpa)