Von Annika Grah, dpa
Um das Sechsfache müsste der Bestand an Elektroautos in Deutschland in den kommenden vier Jahren jeweils steigen, damit das Ziel der Bundesregierung für 2020 erreicht wird. Schon heute sind reine E-Fahrzeuge für einen bestimmten Zeitraum von der Kfz-Steuer befreit. Die Autoindustrie fordert seit langem zusätzliche finanzielle Anreize. Im Bundeskabinett wird nun über eine Kaufprämie von bis zu 5.000 Euro diskutiert – bisher ohne Ergebnis. Könnten Hilfsmaßnahmen in anderen Ländern Vorbild sein?
In China hat ein ganzes Paket staatlicher Subventionen zu einem Schub für E-Autos geführt. Mit 188.000 neu zugelassenen Wagen ist das Reich der Mitte 2015 zum größten Markt für Elektroautos aufgestiegen. Neben verschiedenen Kaufprämien wurden Steuervorteile und eine rigide Zulassungspraxis eingeführt, die Elektroautos bevorzugt.
"Den größten Effekt hat die Zulassungspolitik", sagt Wolfgang Bernhart von der Beratungsfirma Roland Berger. Allerdings sei das in Deutschland nicht anwendbar. Peking will per Verordnung bis 2020 außerdem 12.000 neue Ladestationen und 4,8 Millionen Ladesäulen aufstellen, um die Zahl der E-Autos auf fünf Millionen steigen zu lassen. Solche Maßnahmen erhöhten zwar den Komfort, sagt Bernhart. Aber: "Infrastrukturmaßnahmen wie Ladesäulen oder kostenlose Parkplätze bieten keinen Kaufanreiz."
Steuervorteile haben auch in Norwegen zu einem regelrechten Boom geführt. Im vergangenen Jahr fuhren 17 Prozent der neu zugelassenen Autos in dem skandinavischen Land elektrisch. Bei der Anschaffung eines Elektrofahrzeugs fällt die Mehrwertsteuer weg, auch Kfz-Steuer und Abgas-Abgaben werden erlassen. Parken auf kommunalen Parkplätzen ist kostenlos, ebenso wie das Aufladen der Autos.
"Das derzeitige Paket aus Steuervorteilen und weiteren Erleichterungen wie dem Entfall von Mautgebühren in Norwegen überschreitet die 5.000 Euro Kaufprämie, die in Deutschland diskutiert werden", rechnet Klaus Stricker von Bain & Company vor. "Allerdings gibt es in Norwegen inzwischen Überlegungen, bestimmte Vergünstigungen wieder etwas zurückzufahren, weil es sehr teuer ist."
"Die gewerblichen Flotten bieten eine gute Möglichkeit"
Außerdem haben Steueranreize im Vergleich zur Direktförderung nur eine geringe Wirkung, warnt Roland-Berger-Experte Bernhart: "Mehrwertsteuer-Erlasse hätten beispielsweise nur einen Einfluss auf Privatkäufer." Firmen sind an dieser Stelle dank des Vorsteuerabzugs ohnehin im Vorteil. Um die Nutzung von E-Autos in Firmenflotten zu erhöhen, fordert die Automobil-Lobby in Deutschland deshalb Sonderabschreibungsregeln. Nach Einschätzung Strickers ist das ein sinnvoller Ansatz: "Die gewerblichen Flotten bieten eine gute Möglichkeit, Fahrzeuge auf die Straße zu bringen."
In den USA, Großbritannien und Frankreich setzt man vor allem auf direkte Kaufprämien. Paris schießt bei der Anschaffung von E-Autos seit April vergangenen Jahres 10.000 Euro zum Kaufpreis dazu, für einen Hybrid sind es noch 3.500 Euro. Wer sich in Großbritannien für ein Elektroauto entscheidet, bekommt nicht nur Steuererleichterungen, sondern erhält seit 2011 bis zu 5.000 Pfund (6.618 Euro) vom Staat. Das ist weitaus mehr, als derzeit in Deutschland diskutiert wird. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) veranschlagt für seine geplanten Maßnahmen zwei Milliarden Euro bis zum Jahr 2020.
Bernhart hält das für zu wenig. Etwa zwei bis vier Milliarden Euro würde es seiner Einschätzung nach kosten, um bis zum Inkrafttreten der neuen CO2-Grenzwerte 2020/21 genug Elektroautos auf die Straße zu bringen. Ein vorzeitiges Auslaufen wäre fatal, warnt er: "Kaufprämien wirken nur, solange sie auch gewährt werden."
Rechnung geht nicht auf
Forscher der Technischen Universität Braunschweig gehen ohnehin nicht davon aus, dass die Rechnung der Bundesregierung aufgeht. Mit der Kaufprämie von 5.000 Euro kommen sie bis 2020 in einem optimistischen Szenario auf 760.000 E-Autos. Selbst eine Verdoppelung der derzeit diskutierten Kaufprämie auf 10.000 Euro, so die Forscher, würde unter zuversichtlichen Annahmen nur dazu führen, dass 886.000 E-Fahrzeuge auf deutschen Straßen fahren. Das allerdings würde ihren Berechnungen zufolge 7,28 Milliarden Euro kosten – deutlich mehr, als die Bundesregierung bisher veranschlagt.