_ Auf dem Genfer Salon im März stellte das Institut für Automobilwirtschaft (IFA) seine aktuelle Flottenstudie "Corporate Mobility 2020" vor. Ein Ergebnis der Studie: Die gewerblichen Zulassungen dürften weltweit bis 2020 auf rund 19,5 Millionen Einheiten - das sind rund 24 Prozent der Gesamtzulassungen - ansteigen. Wenngleich in diese Zulassungszahlen auch kleinere Firmenfuhrparks, die Zulassungen der Hersteller und Autohausunternehmen sowie die der Automobilvermieter einfließen, zeigen die Daten eindrucksvoll die Wachstumschancen im Flottenmanagement auf.
Die vergangenheitsbezogene Entwicklung der Zulassungen in einzelnen Märkten liefert darüber hinaus Hinweise darauf, dass verschiedene Länder auf Wachstumskurs bei Fuhrparks und Flotten sind. Dies betrifft nicht zuletzt die in diesem Bereich bislang eher unterentwickelte asiatische Marktregion - allen voran den chinesischen Automobilmarkt. Wenngleich die Datensituation gerade in China etwas unsicher ist, dürften dort die gewerblichen Zulassungen von 2010 bis 2014 bereits um zwei Prozentpunkte - von acht auf zehn Prozent - zugelegt haben. Aber auch in Russland und Brasilien sind Wachstumsimpulse aus dem gewerblichen Bereich feststellbar. Im vergleichbaren Zeitraum sind die gewerblichen Zulassungsanteile in Russland von zwölf auf 14, in Brasilien von 24 auf 27 Prozent angestiegen (Abb. 1).
Reife Märkte weiter relevant
Grundsätzlich sind "Emerging Markets" wie China nicht nur wegen des spezifischen Flottensegments, sondern wegen des generellen Wachstums von großem Interesse für Flottenmanager. Allerdings - und dies zeigt ein Blick in die Statistik - sollten die reifen Märkte wie Deutschland, Frankreich und Italien bei der Marktbearbeitung nicht vernachlässigt werden. So ist der gewerbliche Zulassungsanteil in Deutschland im Zeitraum von 2010 bis 2014 um sieben Prozentpunkte auf einen Marktanteil von 64 Prozent, in Frankreich um sechs Punkte auf 42 Prozent und in Italien um vier Punkte auf 35 Prozent angewachsen. Wenngleich gerade in diesen Ländern ein nicht unerheblicher Anteil über Kurzzulassungen der Hersteller und Händler den Weg in den Markt gefunden haben dürften, so kann das nicht über die tendenziell aufstrebende Marksituation in diesen Märkten hinwegtäuschen.
Unterschiedliche Präferenzen
Für Flottenmanagement-Unternehmen stellt nicht nur die Marktdynamik in einzelnen Markregionen zunehmend eine große Herausforderung dar. Auch die unterschiedlichen Anforderungen der Flottenkunden in einzelnen lokalen Märkten sind mit der Notwendigkeit zu einem ausgeklügelten Flottenmanagement verbunden. Dies betrifft sowohl das Markenspektrum und die Aufbauformen als auch die Motorisierung. Während beispielsweise Heimatfabrikate wie Fiat in Italien, Renault, Peugeot und Citroën in Frankreich oder Volkswagen, BMW, Audi und Mercedes-Benz in Deutschland in der Regel bevorzugt werden, haben andere Automobilmarken jeweils lokal eine tendenziell geringe Chance, maßgeblich in einzelne Flottenmärkte vorzustoßen (Abb. 3).
Hinsichtlich der Aufbauformen sind ebenfalls marktlokale Präferenzen zu berücksichtigen: Kombis sind nach wie vor innerhalb Europas ein bedeutendes Marktsegment - auch im Flottenbereich. Hingegen ließen sich solche Fahrzeuge kaum in China vermarkten. Hier dominieren neben den SUV vor allem Stufenheck-Limousinen, insbesondere in den Lang-Versionen. Daneben sind Dieselantriebe in europäischen Märkten bei Nutzern mit Langstreckenprofil beliebt, entbehren aber beispielsweise in den USA nach wie vor der notwendigen Marktakzeptanz. Hinsichtlich alternativer Antriebe wie Hybride und rein batterieelektrische Antriebe kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Flottenmanager in diesem Marktsegment eher zurückhaltend agieren sollten. Lediglich in urbanen Ballungsräumen mit einer hohen Bevölkerungskonzentration stellen solche Antriebsformen bislang eine nennenswerte Alternative zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor dar. Aber auch hier ist vor allem bei Flotten, deren Fahrzeuge hohe Fahrleistungen aufweisen, Vorsicht geboten, denn auf dem Gebrauchtwagenmarkt, auf dem die Fahrzeuge nach dem Flotteneinsatz vermarktet werden müssen, fehlt in diesem Marksegment nach wie vor die notwendige Nachfragedynamik. Eine Abweichung von Marktpräferenzen wird spätestens beim Remarketing im Gebrauchtwagenmarkt zu erheblichen Verlusten der Flottenunternehmen führen.
Spezifische Einflussfaktoren
Allgemeine Einflussfaktoren auf die Automobilität wie der zunehmende Einfluss von Telematiksystemen für intelligent vernetzte Fahrzeuge, der Einsatz neuer Informations- und Kommunikationssysteme, die Vernetzung der Fahrzeugnutzer sowie die Diskussion um den Einsatz innovativer Antriebskonzepte beeinflussen auch das Flottengeschäft. Darüber hinaus existieren spezifische Entscheidungstatbestände, die im unternehmensinternen und -externen Bereich ihren Ursprung finden.
Neben kosten- und finanzwirtschaftlichen Kriterien sind auch die Unternehmenspolitik, aber auch die Präferenzen der Fahrzeugnutzer, also der User Chooser, von Bedeutung für den Einsatz bestimmter Fahrzeuge in der Unternehmensflotte. Im unternehmensexternen Umfeld dominieren hingegen umweltbezogene und gesamtpolitische Faktoren, die marktlokal zur Entscheidung für oder gegen bestimmte Flottenfahrzeuge führen können. Außerdem schränkt in diesem Zusammenhang das Angebotsspektrum der im Markt agierenden Flottenunternehmen und Herstellerunternehmen den Entscheidungsspielraum der Flottenkunden ein (Abb. 4).
Herausforderung Corporate Mobility
Das Angebotsspektrum von Flottenbetreibern ist bisher eher von traditionellen Leistungen geprägt. Basis bilden dabei Dienstleistungen wie die Strukturierung und Konfiguration der Flotte sowie die Disposition der Fahrzeugflotte, um sowohl der Forderung nach einer umfassenden Mitarbeiter-Automobilität als auch kostenwirtschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Mittlerweile sind nachhaltige Tendenzen erkennbar, nach denen eine umfassende und flexible Mitarbeiter-Mobilität - unabhängig von einem fest definierten Fahrzeugpool im einzelnen Kundenunternehmen - immer wichtiger ist. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass für einzelne Fahr- und Reisezwecke jeweils die aus Zeit- und Kostenperspektive sinnvollste Mobilitätsart zur Verfügung stehen muss (Abb. 2). Diese neue Perspektive der "Corporate Mobility" führt zwangsläufig zur Notwendigkeit, das Angebotsspektrum von Flottenmanagern um"Mobility Services" - zusätzlich zum Einsatz von Fahrzeugflotten - zu erweitern. Solche zusätzlichen Dienstleistungen müssen das grundsätzliche Mobilitäts- und Reisemanagement einschließen - von der Buchung von Bahn- und Flugreisen bis hin zur Hotelreservierung. Ebenso müssen neue Mobilitätsdienstleistungen wie das Carsharing zur umfassenden Sicherstellung der Mitarbeiter-Mobilität in das Angebotsspektrum Einzug halten. Aus kostenwirtschaftlicher Perspektive ist dabei die Mobilitätsbudgetierung ebenfalls zu berücksichtigen.
Prof. Dr. Stefan Reindl, Sascha Kahl, Carsten Lieber (Institut für Automobilwirtschaft; www.ifa-info.de)
Zusammenfassung
Fottenmanagement der Zukunft
- Think global - act local: Der Flottenmarkt zeigt in einzelnen Marktregionen unterschiedliche Dynamiken, aber auch spezifisch stark ausdifferenzierte Anforderungen an die Ausstattung mit Fahrzeugen und Mobilitätsdienstleistungen.- Simplify Complexity: Die Anforderungen der Flottenkunden hinsichtlich ihrer Mitarbeiter-Mobilität sind von einer großen Vielfalt geprägt, die durch die Notwendigkeit zur Integration neuer Mobility Services - zusätzlich zum klassischen Flotten- und Fuhrparkmanagement - zu einer hohen Angebotskomplexität führen wird.- Networking: Die Angebotskomplexität lässt sich aus Perspektive der Flottenbetreiber nur durch die Etablierung geeigneter Providerstrukturen umsetzen, um das künftig geforderte Leistungsspektrum möglichst umfassend sicherzustellen. Eine wesentliche Herausforderung ist dabei die qualitätsorientierte Steuerung und Führung von Provider-Netzwerken.
- Ausgabe 07/2015 Seite 48 (706.8 KB, PDF)