Es dürfte mittlerweile so ziemlich jede Personalabteilung mitbekommen haben, dass Tischkicker, Gratis-Club-Mate-Limo und "wir-sind-alle-direkt-per-du" kaum mehr junge Menschen überzeugen, in einem Unternehmen anzufangen. Das Gehalt gibt ebenfalls nicht immer den Ausschlag. Vielmehr sind es Arbeitszeiten, Arbeitsbelastung und Benefits die einem den Alltag vereinfachen - unabhängig, ob man gerade arbeitet, Freizeit genießt oder irgendwas dazwischen macht.
Mobilität für alle
Progressive Unternehmen setzen vermehrt auf Mobilitätslösungen für alle. Der Firmenwagen hat damit zwar nicht ausgedient, aber er wird um Mobilität ergänzt, die jedem Mitarbeiter offensteht. Hinzu kommt, dass gerade im urbanen Umfeld der User-Chooser-Dienstwagen oft nicht mehr als Zugpferd dient. Denn ein Parkplatz vor der Haustür ist im günstigsten Fall nur teuer, die Parkplatzsuche am Abend aber oft zeitraubend. Wie schön, wenn man nach getaner Arbeit entspannt zuhause angeradelt kommt oder aber mit dem E-Roller lautlos am Haus parkt.
So kennt das Jobrad-Prinzip wohl selbst die Personalabteilung, die gestern noch dachte, Working from Home sei das ultimative Lockmittel. Wirklich überzeugen können eher die Arbeitgeber mit eigenen Wohnungen für Neueinsteiger, die so erst einmal in Ruhe ankommen und sich auf den beruflichen Neueinstieg fokussieren können. Oder eben die mit Mobilitätslösungen, um morgens ins Büro, abends nach Hause und generell überall einfacher hinzukommen. Jobrad ebnete den Weg - kostengünstig und mit dem Ansinnen, die Belegschaft ein Stückchen gesünder zu machen. Der Boom der Pedelecs, also der E-Fahrräder, die bis zu einem Tempo von 25 km/h unterstützen, war vorhersehbar. 60 Prozent beträgt in einigen Unternehmen der Anteil an elektrifizierten Leasing-Fahrrädern im Vergleich zu denen, die nur mit Muskelkraft bewegt werden. Denn fast jeder, der so mobilisiert ist, merkt, dass man innerstädtisch nicht langsamer ist als mit dem Auto - zumindest zur Rush Hour. Man merkt ebenfalls, dass gutes Wetter die Stimmung hebt, schlechtes nicht unbedingt mindert.
E-Roller boomen
Wer nicht selbst strampeln möchte, setzt zusehends auf Elektroroller. Auch diese erleben derzeit einen Boom, angefacht durch das Elektro-Roller-Sharing nach Vorbild der orangefarbenen Emmy E-Roller. Nicht nur aufgrund dieser Flottennachfrage sprechen Branchenexperten wie Michail Kapouniaris von Wachstumsraten von 30 Prozent und mehr pro Jahr. Bei den 50ern, wie die kleinen L1e-Modelle im Volksmund genannt werden, gibt es indes in Deutschland kaum gesicherte Zahlen. Denn die mit einem Versicherungskennzeichen ausgerüsteten 45-km/h-Fahrzeuge tauchen bei uns in keiner Zulassungsstatistik auf. Klar ist jedoch: Die Verkäufe der Benziner-Roller sinken und die mit leisem und sauberem E-Motor steigen deutlich.
Ein Stück vom Kuchen will Michail Kapouniaris abbekommen. Kapouniaris ist Director Business Development bei Govecs, die vor rund zwölf Jahren starteten und den Fokus stets aufs Sharing legten. Govecs beliefert beispielsweise "Citiscoot" in Frankreich und Italien und eben Emmy hier bei uns. Zoom-Sharing nennt sich die eigene "Testflotte", die die Münchener in Stuttgart und Leipzig betreiben.
Kapouniaris treffen wir im Govecs-Flagship-Store in der Einsteinstraße in München. Weitere der Art gibt es in Berlin und Stuttgart. Der Fast-zwei-Meter-Mann ist stilecht mit der cremeweißen Schwalbe vorgefahren. Sein einziges motorisiertes Fortbewegungsmittel, wie er betont. Er fährt die L3e-Version, also die schnelle Schwalbe, die es auf 90 km/h bringt und ein "E" am Kennzeichen verdient. Bestseller im Programm ist aber die L1e mit 45-km/h-Limitierung. L1e ist im Handling deutlich einfacher: keine Hauptuntersuchung, kein extra Führerschein, keine Steuer. Den Flottenmanager entbindet es jedoch nicht von seinen Prüfpflichten. So bleibt beispielsweise die UVV firmenintern zu organisieren - oder muss ausgelagert werden.
Wer eine Elektro-Schwalbe oder ein anderes Modell aus dem Govecs-Programm als Firmenroller least, bekommt das Rundum-sorglos-Paket, wie Kapouniaris betont. "Wir haben auf Dienstfahrradprozesse aufgebaut und mit Mercator-Leasing auch den Marktführer für die Finanzierung gewonnen. Das bedeutet für die Firmen, die bereits die gängigen Dienstfahrradportale nutzen, weniger administrativer Aufwand, weil schon viele Dinge wie Rahmenverträge mit 36-monatiger Laufzeit und Überlassungsvereinbarungen bekannt sind und zu 99 Prozent den Prozessen entsprechen."
Kapouniaris hat Lieferdienste als relevante Flottenkunden ausgemacht. Derzeit ist es oft so, dass die Fahrzeuge, die von den Lieferdiensten genutzt werden die privaten der Auslieferer sind oder geleaste Roller und Pedelecs, die auf den Lieferdienst laufen. Kapouniaris fragt laut: "Warum nutzt man dieses Modell nicht für Lieferroller? Damit gäbe es eine Person, den Ausfahrer beispielsweise, der nach getaner Arbeit 'sein' Fahrzeug mit nach Hause nimmt und es zusätzlich für private Zwecke nutzen darf." Das wäre zum einen eine sinnvolle Verknüpfung der betrieblichen und privaten Nutzung. Hinzu kommt, dass man sich in solch einem Fall als echter Besitzer fühlt und das Fahrzeug meist besser behandelt. Die hohe Fluktuation in diesem Geschäftsfeld wird oft als Kontrapunkt angemerkt. "Wir halten dagegen, dass sie mit solch einem Mittel geringer sein wird. Und im Programm kann das Unternehmen ja auch jederzeit die Fahrzeuge neuen Fahrern zuordnen, wenn doch mal jemand ausscheidet."
Was der Arbeitnehmer davon hat? Aufgrund der gesetzlichen Steuerregularien in Deutschland werden im Idealszenario zehn bis 15 Euro fällig, die der Arbeitnehmer pro Monat selbst bezahlen muss. Der Govecsonline-Kalkulator berechnet aber auch den monatlichen Anteil beim "klassischen" Firmenroller-Leasing sowie die Ersparnis, die oft bei über 40 Prozent im Vergleich zum Kauf liegt. Das ist Mitarbeiterbindung und Mitarbeitermotivation - gerade in Jobs, die kaum durch Überbezahlung glänzen.
Nach drei Jahren ist eine Fahrzeugübernahme für den Mitarbeiter wie beim Dienstfahrrad möglich. "Es ist etwas komplizierter als beim Fahrrad", sagt der Govecs-Manager. Die Restwertversteuerung muss auf den Verkehrswert berechnet werden. Dies übernimmt jedoch Govecs, so dass der Arbeitgeber keinen Aufwand damit hat.
Ergänzende Mobilität
"Wir sehen uns ergänzend und sind große Fans von den Fahrradflotten, welche die E-Roller aber nicht ausschließen. Wir sehen einen Mobilitätsbedarf zwischen Fahrrad und Auto. Mit unseren Lösungen bieten wir diese an. Unsere Roller der neuen Generation können mittels CAN-Schnittstelle sogar voll in die Systeme implementiert werden, die vom Flottenmanager genutzt werden."
Was die Mobilität in Zukunft bringt, ist nur schemenhaft abzusehen. Die aktuelle Situation zeigt, wie volatil die Preise für Energie sind und wie wenig wir ändern können. Beim Strom wird es auf absehbare Zeit sicherlich nicht günstiger werden, langfristig ist das aber doch eine Hoffnung. Und wer motorisiert von A nach B kommen möchte - gerade auf den Strecken, die zu Fuß zu weit und mit dem Auto oder Öffis zu umständlich sind - landet schnell bei Pedelecs und E-Rollern, die hier und da sicherlich mal ein Auto ersetzen und damit zum Entzerren des Verkehrs beitragen. Für alle die draufsitzen, ist es oft ein Genuss, nicht mehr im Stau zu stehen, keinen Parkplatz suchen zu müssen und ein vom Unternehmen subventioniertes Mobilitätsangebot nicht nur auf dem Weg ins und vom Büro nutzen zu können.
- Ausgabe 04/2022 S.36 (181.2 KB, PDF)